Kommentar
09:56 Uhr, 04.04.2006

Zur Lage in den Emerging Markets

Im März häuften sich die Meldungen, wonach der Höhenflug an den Anleihemärkten der aufstrebenden Ländern erst einmal zu Ende sei. Erhöhte Renditeaufschläge (Spreads) gegenüber amerikanischen Staatsanleihen sowie schwächere Lokalwährungen wurden als Belege hierfür angeführt. Als Auslöser galt vielen Kommentatoren die Aussicht auf eine straffere Geldpolitik in den Industrieländern. Nachdem die amerikanische Notenbank und die Europäische Zentralbank bereits die Zinsen angehoben haben, kündigte auch die Bank of Japan (BoJ) eine restriktivere Gangart in der Liquiditätsversorgung an, der zusätzlich in absehbarer Zeit eine Abkehr von der Nullzinspolitik folgen werde. Carry Trades, also die Kreditaufnahme in Niedrigzinsländern und Anlage der Mittel in Hochzinsländern, verlören damit zusehends an Bedeutung.

Diese in vielen Analysen in den Vordergrund gestellte Argumentation spielt aus unserer Sicht jedoch nicht die zentrale Rolle. Der Zinserhöhungszyklus ist in den Industrieländern bereits seit geraumer Zeit in vollem Gange und hat sich bislang nicht negativ auf die Spreads von Schwellenländeranleihen ausgewirkt weder auf solche, die auf US-Dollar oder Euro lauten (Sovereigns) noch auf diejenigen, die in der jeweiligen Landeswährung emittiert wurden (lokale Bonds). Daran wird sich aus unserer Sicht auch nichts grundlegend ändern - selbst wenn sich die BoJ diesem Trend bald anschließen wird. Dafür sind andere Faktoren von größerer Bedeutung, wobei die fundamentalen Wirtschaftsdaten an erster Stelle zu nennen sind. Darüber hinaus haben aber auch die in jüngster Zeit initiierten Anleiherückkaufprogramme verschiedener Länder (u.a. Brasilien, Mexiko, Russland) auf die Marktentwicklung einen nicht zu unterschätzenden Einfluss gehabt. Zudem nahmen einige Investoren auch Gewinne auf einen Teil ihrer Positionen mit, wodurch der Markt zusätzlich temporär belastet wurde.

Fundamentaldaten entscheidend

Negative Entwicklungen in einzelnen Hochzinsländern (z.B. Island) haben zwar zu einer deutlich erhöhten Schwankungsintensität in ausgewählten lokalen Märkten geführt. Zu nennen sind hier vor allem Polen, Ungarn oder die Türkei. Ein generelles Überspringen auf die Bondmärkte der aufstrebenden Länder ist jedoch nicht zu konstatieren trotz einer zwischenzeitlich leichten Zunahme der Volatilität. Der für das gesamte Marktsegment Anleihen Emerging Markets relevante Index JP Morgan EMBI+ musste zuletzt eine Delle hinnehmen. Mit knapp zwei Prozentpunkten Risikoaufschlag gegenüber US-Treasuries liegt er jedoch immer noch auf einem niedrigen Niveau. Seit Anfang 2006 verringerte sich der Spread auf Indexebene um beachtliche 50 Basispunkte.

An den grundlegenden Ursachen für den Spreadrückgang, hat sich bislang nichts geändert. Die Mehrzahl der aufstrebenden Ländern weist im Vergleich zur Vergangenheit stark verbesserte makroökonomische Daten auf. Deutlich wird dies vor allem beim Blick auf Wachstumsraten, Leistungsbilanz- und Haushaltssalden. Zahlungsausfälle sind vor diesem Hintergrund zurzeit kein Thema. Viele Schwellenländer profitieren angesichts ihres Reichtums an Bodenschätzen dabei weiterhin von der anhaltenden Hausse an den Öl- und Rohstoffmärkten. So überrascht es auch nicht, dass USD- oder Euro-Anleihen von Rohstoff- und Ölexporteuren wie Venezuela, Brasilien oder Russland im bisherigen Jahresverlauf nochmals einen spürbaren Rückgang der Renditeaufschläge verzeichneten, wozu nicht zuletzt auch die jüngsten Programme zu vorzeitigen Tilgung von Auslandsschulden beitrugen. Diese Sovereigns erhalten damit einen gewissen Seltenheitswert, der sich positiv auf deren Kurse auswirkt. Investoren, welche in diesen Ländern investiert waren, konnten sich deshalb erneut überdurchschnittlicher Wertzuwächse erfreuen. Anzeichen für eine nachhaltige Trendumkehr sind in Anbetracht des insgesamt günstigen Umfelds hier nicht zu erwarten.

Diese Aussage gilt im Kern zwar auch für Anleihen, die auf Grundlage der jeweiligen Landeswährung begeben wurden. Allerdings muss hier grundsätzlich das Wechselkursrisiko ins Kalkül einbezogen werden. Anleiheinvestoren in Island, Neuseeland oder Ungarn Ländern also, die nicht zur Gruppe der Emerging Markets gezählt werden haben aufgrund von Währungsschwankungen teilweise nennenswerte Verluste erleiden müssen. Betroffen waren damit jedoch gerade Währungen solcher Länder, deren Attraktivität auf vergleichsweise hohen Zinsen basierte, die aber gleichzeitig vor allem auf der Leistungsbilanzseite starke Defizite aufwiesen.

Dies trifft für das Gros der Schwellenländer jedoch nicht zu. Sie blicken seit einiger Zeit auf teilweise deutlich verbesserte Außenhandelsbilanzen. Die Anfälligkeit ihrer Währungen hat sich daher spürbar verringert. Anleger, die sich bis in die jüngere Vergangenheit auf USD- und Euro-Papiere konzentrierten, legen ihren Fokus deshalb inzwischen verstärkt auf lokale Bonds nicht zuletzt auch als Ersatz für die knapper gewordenen Fremdwährungsanleihen. Für die aufstrebenden Länder ist damit jedoch der Vorteil einer leichteren Refinanzierung verbunden.

Fazit: Breite Diversifikation

Das Thema Zinsdifferenz verliert für die Emerging Markets gegenwärtig an Bedeutung. Dafür steht das Thema wirtschaftliche Fundamentaldaten an erster Stelle. Rententitel von ökonomisch starken Schwellenländern bleiben aus unserer Warte ein lohnendes Investment mit überschaubarem Risiko sei es auf Basis von USD- oder Euro-Anleihen, sei es in lokaler Währung. Lokale Bonds gewinnen dabei stetig an Bedeutung. Gerade die gegenwärtige leichte Marktschwäche, die neben den Rentenmärkten auch die Währungen betraf (z.B. Mexikanischen Peso, Südafrikanischen Rand) bietet die Chance, auf einem etwas günstigeren Niveau in diesen Markt einzusteigen. Um Einzelfallrisiken möglichst gering zu halten, ist eine breite Diversifikation jedoch unbedingt zu empfehlen.

Quelle: Union Investment

Gegründet 1956, zählt Union Investment heute zu den größten deutschen Investmentgesellschaften. Rund 122 Mrd. Euro verwaltet die Gesellschaft per Ende Dezember 2004. Die Produktpalette für private Anleger umfasst Aktien-, Renten- Geldmarkt- und Offene Immobilienfonds sowie gemischte Wertpapier- und Immobilienfonds und Dachfonds. Anleger erhalten diese Produkte bei allen Volksbanken, Raiffeisenbanken, Sparda-Banken und PSD-Banken. Rund 4 Millionen Anleger nutzen überdies die Depotdienstleistungen der Union Investment.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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