Kommentar
15:50 Uhr, 19.09.2006

ZEW-Index liefert Signal für Durststrecke

1. Die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland sind im September zum achten Mal in Folge gesunken und noch deutlicher in den negativen Bereich abgerutscht. Sie gaben um 16,6 Punkte auf nun -22,2 Punkte nach, den niedrigsten Stand seit Januar 1999. Von Bloomberg befragte Volkswirte hatten zuletzt im Mittel (Median) mit einem Rückgang auf -8 Punkte gerechnet und wurden ebenfalls zum achten Mal hintereinander enttäuscht. Wir prognostizierten einen Indikatorstand von -9,0 Punkten und lagen damit zwar deutlich vom tatsächlichen Wert entfernt, jedoch zum sechsten Mal ohne Unterbrechung besser als die Mehrzahl der Prognostiker.

2. Die Lagebeurteilung hellte sich entgegen der Entwicklung bei den Erwartungen abermals auf und stieg auf 38,9 Punkte. Das ist weiterhin der höchste Wert seit November 2000.

3. Dass sich das Lager der Konjunkturpessimisten trotz sinkender Ölpreise und steigender Aktienkurse in diesem Monat nochmals vergrößert hat, kann wie folgt erklärt werden: Das ZEW ermittelt seine Konjunkturerwartungen, indem es rund 300 Finanzmarktexperten fragt, wie sich die wirtschaftliche Situation in einem halben Jahr im Vergleich zur aktuellen Lage darstellen wird. Und Deutschlands Wirtschaft befindet sich zurzeit in exzellenter Verfassung – das belegen die Ende August veröffentlichten Detaildaten zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) des zweiten Quartals sowie die vorletzte Woche erschienenen Zahlen zum Auftragseingang, der Industrie- und Bauproduktion und zum Außenhandel für Juli. In sechs Monaten hingegen, also im März 2006, wirken – ganz offensichtlich – die Negativfolgen der Mehrwertsteuererhöhung und einer schwächeren Weltwirtschaft. Diese Sicht der Dinge wird immer mehr zum Allgemeingut der „financial community“. Auf die langsamere Gangart der Weltwirtschaft deuten dabei die zurzeit moderaten Konjunkturdaten aus den USA wie auch der globale OECD-Frühindikator hin, der in seiner Sechsmonatsveränderungsrate zuletzt zum vierten Mal in Folge gefallen war.

4. Es war also selten so klar, dass die Wachstumsdynamik mittelfristig nachlassen sollte. Und die ZEW-Konjunkturerwartungen liefern folglich ein eindeutiges Signal für eine Durststrecke Anfang 2007. Aus diesem Signal darf aber nicht direkt auf die Stärke des Rückgangs des Wachstums des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland geschlossen werden. Denn diese Vorhersagekraft haben die ZEWKonjunkturerwartungen nicht. In einer jüngst veröffentlichten Studie (in der Quartalspublikation „Konjunktur- Zinsen-Währungen“) hat die DekaBank die Prognosegüte der ZEW-Konjunkturerwartungen im Vergleich zum ifo Index untersucht. Wir konnten dabei feststellen, dass der ZEW-Indikator zwar verlässlicher konjunkturelle Umkehrpunkte anzeigt, dass aber das ifo Geschäftsklima eine höhere Prognosegüte bezüglich des BIPWachstums aufweist. Eine Rezession sehen wir auch deshalb nicht auf Deutschland zukommen, gleichwohl ein einzelnes Quartal mit einer negativen Wachstumsrate: Im ersten Vierteljahr 2007 sollte aufgrund der Mehrwertsteuererhöhung der spürbar sinkende private Konsum dazu führen, dass das BIP um 0,4 % im Vergleich zum Vorquartal schrumpft.

5. Der aktuelle September-Rückgang war weniger stark als in den Vormonaten. Es deutet sich also bei den ZEW-Konjunkturerwartungen ganz allmählich eine Bodenbildung an. Je weiter sich das Zeitfenster in Richtung zweites Halbjahr 2007 verschiebt, desto wahrscheinlicher wird ein Wiedererstarken des Indikators. Denn im zweiten Vierteljahr dürften zumindest die negativen Effekte der Mehrwertsteuererhöhung in ihrer Wirkung nachlassen. Zuvor werden wir allerdings eine deutlich sichtbare Delle durchschreiten müssen. Für das Gesamtjahr 2007 erwarten wir ein deutsches BIP-Wachstum von nur 0,8 % nach 2,2 % in diesem Jahr.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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