Kommentar
15:27 Uhr, 13.06.2006

ZEW-Index - Erneut starker Rückgang<br />

1. Die ZEW-Konjunkturerwartungen f��r Deutschland haben sich im Juni erneut stark eingetrübt: Sie sanken von 50,0 auf 37,8 Punkte und befinden sich damit nur noch geringfügig über ihrem langjährigen Durchschnitt von 35,3 Punkten. Von Bloomberg befragte Volkswirte hatten im Mittel (Median) mit einem Rückgang auf 45 Punkte gerechnet, wir waren zu Recht pessimistischer (DekaBank: 35 Punkte). Die Lagebeurteilung konnte sich dagegen noch einmal leicht von 8,7 auf 11,9 Punkte verbessern.

2. Die deutsche Volkswirtschaft befindet sich derzeit in der wachstumsstärksten Phase seit Jahren (DekaBank-BIP-Prognose für das zweite Quartal: 0,8 % qoq) und dennoch greift bei den Finanzmarktanalysten Pessimismus um sich. Wir meinen zu Recht, denn die Perspektiven trüben sich zunehmend ein: Die weltwirtschaftliche Entwicklung schaltet einen Gang zurück. Sie fällt zwar nicht in eine rezessive Entwicklung zurück, aber der Exportmotor läuft nicht mehr so schnell wie bisher. Auf diese Sichtweise deuten die verschiedenen nationalen ZEW-Konjunkturerwartungen hin. Die stärksten Bremseffekte von der Weltwirtschaft treten unangenehmer Weise dann auf, wenn im ersten Quartal die Binnennachfrage in ein tiefes Loch fällt. Dann bricht nämlich u.a. der private Konsum weg, weil es zuvor es aufgrund der lange angekündigten Mehrwertsteuererhöhung zu Vorzieheffekten in das Jahr 2006 kommt: Günstigere Steuersätze locken! Dieses Szenario rückt immer stärker in das Bewusstsein der Finanzmarktanalysten und führt zu der vorsichtigeren Einschätzung.

3. Die Zinspolitik der EZB und der starke Euro sollten für die Stimmungseintrübung nur in zweiter Linie verantwortlich sein, denn beide kommen nicht unerwartet. Schon seit geraumer Zeit werden Zinserhöhungen der EZB erwartet, und das Zinsniveau kann auch nach dem nächsten Zinsschritt wohl noch als expansiv bezeichnet werden. Die EZB geht, wie angekündigt, etwas vom Gas, tritt aber nicht auf die Bremse. Die Eurostärke ist auch seit geraumer Zeit in den fundamentalen Faktoren angelegt (Zwillingsdefizit in den USA), wurde aber zeitweise durch die aufgehende Zinsschere zu den USA überlagert. Das beginnt sich zu ändern. Zudem ist auf kürzere Sicht nicht mit Bremseffekten einer Aufwertung zu rechnen. Gravierender scheint uns die Desillusionierung durch die Politik zu sein. Schon im letzten Jahr machten wir deutlich, dass es unerlässlich ist, die sich verbessernde Stimmung für Reformen zu nutzen. Nun trübt sich die Stimmung allmählich wieder ein, die Umfragewerte der Regierung haben sich wieder verschlechtert, ohne dass wesentliche Reformen eingeleitet worden wären. Wachstumsphantasien benötigen aber Reformen!

4. Last but not least: Es darf nicht vergessen werden, dass Finanzmarktanalysten stark auf die Finanzmärkte achten, und die Aktienmärkte gaben in den letzten Wochen beträchtlich nach. So sank der DAX seit dem letzten Hoch um knapp 14 Prozent.

5. Mit dem fünften Rückgang in Folge sind die ZEW-Konjunkturerwartungen eindeutig auf einen Abwärtstrend eingeschwenkt. Dieser deutet sich in anderen Stimmungsindikatoren bislang nur vorsichtig an (z.B. bei den ifo Geschäftserwartungen), wird sich aber auch in den kommenden Monaten stärker bemerkbar machen.

6. Die Stimmung sinkt, die Konjunktur wird sich abschwächen, dennoch sollte man nicht in Trübsinn verfallen, denn die konjunkturelle Abschwächung ist vorübergehender Natur. Schon das zweite Halbjahr 2007 wird wieder eine Belebung bringen. Will man aber solche Schwankungen besser verkraften können, so ist es unerlässlich, die Reformen des Gesundheitswesens, der Unternehmensbesteuerung und des Arbeitsmarktes zielgerichtet voranzubringen. Dann wird sich auch das konjunkturelle Grundtempo erhöhen können.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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