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10:29 Uhr, 28.02.2024

ZEW: Hochsteuerland Deutschland verliert im Standortwettbewerb

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones) - Deutschland ist nach einer Erhebung des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im internationalen Steuerwettbewerb um Unternehmensinvestitionen als Hochsteuerland einzustufen. Bei der effektiven Steuer- und Abgabenbelastung hochqualifizierter Arbeitskräfte liege Deutschland hingegen im Mittelfeld. Aufgrund der kürzlich eingeführten globalen Mindeststeuer dürfte die Besteuerung von Fachkräften in Zukunft an Relevanz gewinnen, erklärte das Institut unter Verweis auf den vom ZEW erstellten BAK Taxation Index.

Demnach stagniere die Unternehmenssteuerbelastung seit 2009 auf hohem Niveau. Die durchschnittliche effektive Steuerbelastung für ein profitables Investitionsprojekt eines Unternehmens am Standort München liege im Jahr 2023 bei 29,3 Prozent. Seit der grundlegenden Steuerreform im Jahr 2008 sei die Steuerbelastung für deutsche Unternehmen nahezu unverändert geblieben, während andere Industrieländer wie Frankreich und die USA ihre Unternehmenssteuersätze gesenkt und damit aus steuerlicher Sicht deutlich an Attraktivität gewonnen hätten.

"Für Kommunen besteht zumindest grundsätzlich die Möglichkeit, durch eine Anpassung ihrer Gewerbesteuer-Hebesätze am Steuerwettbewerb teilzunehmen", erklärte ZEW-Ökonomin Sophia Wickel. Prominentes Beispiel sei die Stadt Mainz, die durch eine Senkung des Gewerbesteuer-Hebesatzes die effektive Steuerbelastung von 27,7 Prozent auf 23,7 Prozent im Jahr gesenkt habe. "Allerdings haben viele Kommunen in Deutschland in den vergangenen Jahren den Gewerbesteuer-Hebesatz angesichts klammer Kommunalfinanzen erhöht", betonte sie.

   Mindeststeuer soll Abwärtstrend stoppen 

Im internationalen Vergleich sei in den vergangenen Jahren ein klarer Abwärtstrend bei den durchschnittlichen effektiven Unternehmenssteuersätzen zu beobachten. Habe der nach Bruttoinlandsprodukt gewichtete internationale Durchschnitt des BAK Taxation Index im Jahr 2003 noch 31,7 Prozent betragen, so liege er im Jahr 2023 bei lediglich 23,6 Prozent. Um diesen durch Steuerwettbewerb getriebenen Abwärtstrend zu stoppen, hätten sich zahlreiche Staaten auf die Einführung eines globalen Mindeststeuersatzes von 15 Prozent ab dem Jahr 2024 geeinigt.

Da die Steuerbelastung in Deutschland deutlich über diesem Niveau liege, seien steuerpolitische Maßnahmen zur Senkung der Effektivbelastung trotz globaler Mindeststeuer weiterhin möglich. In Niedrigsteuerländern hingegen dürfte die effektive Steuerbelastung somit künftig höher ausfallen als bisher. "Durch die Einführung eines Mindeststeuer-Niveaus von 15 Prozent für Unternehmen könnte sich der Steuerwettbewerb zukünig vermehrt auf die Besteuerung hochqualifizierter Arbeitskräfte verlagern", erwartete ZEW Research Associate Jost Heckemeyer von der Universität Kiel.

"Verlieren Länder die Möglichkeit, sich über attraktive Unternehmenssteuersätze zu profilieren, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, über eine niedrige Steuer- und Abgabenbelastung die Arbeitskosten für Unternehmen zu senken und damit günstige Standortbedingungen zu schaffen", sagte ZEW-Ökonom Johannes Gaul. Dies gelte insbesondere für Hochqualifizierte, die so sehr gesucht würden, dass sie ein selbst bestimmtes Nachsteuereinkommen bei Unternehmen durchsetzen können.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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