Kommentar
09:45 Uhr, 10.06.2013

Zahnpasta zurück in die Tube?

Die US-Zentralbank betrieb in den vergangenen Jahren eine Politik der quantitativen Lockerung. Aktuell werden - Monat für Monat - Staatsanleihen im Wert von 45 Mrd. US-Dollar und Hypothekenanleihen von 40 Mrd. US-Dollar gekauft. Diese Beträge werden den Banken, die ein Konto bei der Fed unterhalten, gutgeschrieben. Das frische Geld entsteht durch den Prozess der Gutschrift auf das so genannte Überschusskonto. Die US-Zentralbank hofft mit ihrer Stützungsaktion für US-Anleihen auf fallende Renditen. Kredite werden günstiger und beleben die Wirtschaft.

Soweit die Theorie. In der Praxis sieht das anders aus. Die blauen Linien bezeichnen jeweils die Ankündigung von Lockerungsmaßnahmen, die roten Linien deren Ende bzw. deren mögliche Reduzierung. Einige Analysten sehen den Beginn der QE3-Schrumpfung für September 2013, andere erst im Dezember.

Man erkennt: In eine Phase, in der die Fed mit quantitativen Lockerungsprogrammen aktiv ist, fallen die Anleihen. Die Zinsen steigen also – wie auch aktuell. Dies klingt paradox, ist es doch das Gegenteil dessen, was die Fed mit QE erreichen möchte.

Man kann sich darüber streiten, ob eine Schrumpfung des Programms eine ähnliche Wirkung erzielt wie ein Auslaufen. Wir sind der Meinung, dass die Effekte ähnlich sind. Denn die Botschaft an den Markt lautet in beiden Fällen: Wir gehen vom Gas.

Folgen die Märkte den Mustern von QE1 und QE2, so wäre der Fall der Anleihen bzw. der Anstieg der Renditen spätestens im September, wahrscheinlich aber früher beendet.

Im Falle der Aktienmärkte ist ebenfalls ein klares Muster zu erkennen. Aktienmärkte reagieren auf QE-Unterstützung positiv (folgender Chart).

Sobald aber die Fed ihren Liebesentzug durchführt (rote Linien obiger Chart), reagieren die Aktienmärkte eingeschnappt. Liquidität wird abgezogen. Im August 2011 kam es - kurz nach Ende von QE2 - zu einem Crash.

Nach den Erfahrungen der Marktteilnehmer der vergangenen Jahre sollte man nicht annehmen, dass die Investoren bis September bzw. Dezember warten, bevor sie Geld vom Tisch nehmen. Dies geschieht früher. Die erste Korrektur wird meist gekauft, so dass wir erst für die Sommermonate mit einem wichtigen Hoch am US-Aktienmarkt rechnen.

Eine andere wichtige Frage stellt sich: Wie schafft es die US-Zentralbank, unbeschadet aus ihrem aktuellen Gelddruckprogramm herauszukommen? Immerhin weist sie 3,2 Billionen US-Dollar an Staats- und Hypothekenanleihen in ihrer Bilanz aus. Während sie mit dem Ankauf von Hypothekenanleihen („Mortgage Backed Securities“) die Altschulden von Fannie Mae und Freddie Mac sukzessive in ihre Bücher übernimmt, ist sie gleichzeitig einer der größten Gläubiger der US-Regierung: Inzwischen nennt sie US-Staatsanleihen im Wert von 1,9 Billionen US-Dollar ihr Eigen (nächster Chart).

Eine überraschende Aussage versteckt sich im folgenden Chart: Der Anteil der von der Fed gehaltenden US-Anleihen an der Gesamtverschuldung liegt mit 11,3% nur knapp oberhalb des historischen Durchschnittswertes.

Die US-Zentralbank erwirbt Staatsanleihen in einer ungewöhnlich hohen Größenordnung. Aber die Schulden der US-Regierung sind prozentual nahezu genauso stark gestiegen, so dass sich von der Fed gehaltene Anteil nicht auf einem außergewöhnlichen Niveau bewegt. Sprich: Aus Fed-Sicht dürfte wenig Notwendigkeit bestehen, die Zahnpasta zurück in die Tube zu drücken.

Ein Exit in Form des aktiven Verkaufs von US-Staatsanleihen wäre nur dann erforderlich, wenn die US-Staatsverschuldung sinken würde. Dies ist kaum zu erwarten, auch wenn das Congressional Budget Office (CBO) die Planungen für die Aufnahme neuer Schulden in 2013 und 2014 jüngst reduziert hat.

Da die Fed kaum noch im Besitz von Anleihen mit kurzer oder mittelfristiger Laufzeit ist (nächste Grafik), würde ein Halten bis zum Laufzeitende bedeuten, dass sich ihre Bilanzsumme in den kommenden Jahren kaum reduziert.

Die Fed kassiert von der US-Regierung den bei der Emission vereinbarten Zinssatz und überweist den Gewinn im Rahmen der Gewinnabführung an die US-Regierung zurück. Das ist letztendlich ein Nullsummenspiel.

Zum Ende der Laufzeit erhält die Fed den Nominalwert zurückgezahlt. Das kann – bei steigenden Zinsen – einen hohen Abschreibungsbedarf bedeuten. Aber nicht jetzt, sondern erst in der nächsten Dekade. Denn die durchschnittliche Laufzeit der von der Fed gehaltenen US-Staatsanleihen beträgt mehr sieben Jahre. Also kein Abbau des Ist-Zustandes. Wohl aber dürfte sich das Bestandswachstum verlangsamen. Denn im Fall einer Verringerung der Verschuldungsgeschwindigkeit – danach sieht es derzeit für 2013 aus – dürfte sich die Fed gezwungen sehen, ein sukzessives Auslaufen von QE3 einleiten.

Darüber wird jetzt diskutiert, und dies dürfte auch später im Jahr praktiziert werden. In der Diskussion ist eine Reduzierung der Käufe von 85 auf 65 Mrd. US-Dollar pro Monat. Aber auch andere Summen erscheinen möglich. In der nächsten Rezession dürfte – bei wieder steigender Verschuldungsgeschwindigkeit - der Geldhahn erneut aufgedreht werden.

Ein Zyklus für die Ewigkeit? Wohl nicht. Aber solange weder Inflation noch Zinsen deutlich anziehen, dürfte dieses Spiel fortgesetzt werden.

Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest

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