Kommentar
10:25 Uhr, 12.11.2008

YES I CAN – doch eigentlich bin ich längst pleite

Ich habe Schulden. Ja, liebe Leser, ich gebe es zu. Doch Ihnen geht es nicht viel besser. Jeder hat im Schnitt 18.406 Euro Schulden, sagt die Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler. Genau sind es 1.515.120.063.508 Euro, also 1.52 Billionen Euro. Pro Sekunde kommen weitere 474 Euro hinzu. Das ist sehr freundlich gerechnet, denn es gibt da ja noch billionenschwere Versprechungen von mir und auch Ihnen an beispielsweise die Pensionäre und Beamten in naher und ferner Zukunft. Norbert Schwarz vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden bezifferte vor drei Jahren die deutsche Gesamtstaatsverschuldung auf 7,5 Billionen Euro. Doch so kleinlich will ich jetzt nicht sein. Vor der Finanzkrise ging jeder 8.Euro in die Zinszahlung. Und nächstes Jahr?

Besondere Zeiten erfordern eben besondere Maßnahmen. So lese ich es seit Wochen in den Zeitungen. Mitten in der Finanzmarktkrise werden schnell mal neue Schulden gemacht. Beispielsweise erhöht das kürzlich beschlossene 50 Milliarden schwere Konjunkturprogramm die Schuldsumme pro Kopf um weitere 625 Euro. Jetzt bin ich bei 19.031 Euro pro Nase, freundlich gerechnet. Wer jetzt nicht nach Hilfe ruft, ist doof, höre ich heute im Fernsehen. Also werden wir uns an Hilfsforderungen auch noch gewöhnen dürfen. Opel will 40 Milliarden. Apropos, was ist mit den Autobanken in Deutschland?

Meine Regierung hat neulich den Banken Garantien in Höhe von 400 Mrd. Euro gegeben. Die Götter bewahren uns hoffentlich davor, dass die Banken diese Summe auch „ziehen“. Dann stünde jeder mit weiteren 5000 Euro in der Pflicht. Mein Taschenrechner liefert mir die theoretische Schuldsumme von jetzt 24.000 Euro.

Weitere 100 Mrd. Euro wurden den Banken zugesagt, sollten sie Staatshilfe gebrauchen, eine Summe, die die Welt etwas glücklicher machen würde, doch sie ist den Banken vorbehalten. Etliche davon haben schon gieriges Interesse gezeigt. Würden die 100 Mrd. EUR komplett abgerufen, stiege mein Schuldenstand um weitere 1250 Euro an, auf dann 25.250 Euro. Ihrer übrigens auch.

Zudem hat Angela Merkel unsere Spareinlagen mit unseren zukünftigen Steuern garantiert, immerhin 1,6 Billionen Euro. Diesen Betrag wies die Bundesbank Ende 2007 aus. Wenn ich jetzt ausführlich nachgedacht und mich am Kopf gekratzt habe, tippe ich weitere 18.500 Euro in den Taschenrechner ein, und er jault jetzt auf bei 43.845 Euro Schulden, sollte es doch noch Probleme mit unseren Spareinlagen geben. Eine vierköpfige Familie wäre dann mit 175.500 Euro verschuldet, zu erbringen über zukünftige Steuern und Abgaben.

Eigentlich weiß ich gar nicht, wieviel Schulden ich wirklich habe, dass das aber sehr viele sind, das ahne ich, und auch die Götter. Für jede weitere Milliarde, die der Staat ausgibt, ob für Konjunkturprogramme oder andere Nettigkeiten, schlagen mit mir 12,50 EUR mehr an Schuld zu Buche und auf das Gemüt. Allein die seltsame Rettung der IKB in Höhe 10 Mrd. EUR machte mich mit 125 Euro reicher an Schulden. Sie übrigens auch.

Und dann kommen noch die Zinsen. Bisher habe ich bei 18.750 Euro Schulden und einem Zinssatz von 4 Prozent jährlich 750 Euro Zinsen gezahlt, aber nichts getilgt. Das habe ich schon lange nicht mehr. Sie übrigens auch nicht. Monatlich waren es bislang 62,50 Euro Zinsen. Viele zahlten gar nichts, weil sie es einfach nicht können.

Sollte alles schiefgehen und die Summe aller Schulden auf diese 43.750 EUR klettern, hätte ich monatlich 146 Euro an Zinsen zu zahlen, womöglich bis in alle Ewigkeiten. Geht doch, wird der eine oder andere jetzt denken. Muss der Staat aber höhere Zinsen bieten müssen, um sich refinanzieren zu können, dann wird es sehr schnell viel teurer. Schauen Sie mal nach Ungarn. Dort sind die Zinsen auf inzwischen 9 Prozent angesprungen. Meist brechen zugleich auch die Steuereinnahmen weg. Und dann wird es eng. Getilgt wird ohnehin nichts. Dann werden die Zinsen auf die Schuldsumme einfach obenauf gepackt, fröhlich zum Jahreswechsel angestoßen und so weitergemacht wie bisher. Jippie!

In Deutschland stehen wir noch vergleichsweise gut da. Die deutsche Schuldenquote lag bei 68% des BIP. In Italien war diese Quote im Jahr 2006 schon bei 107,8% und in Griechenland bei gar 109%. Kein Wunder, dass Gläubiger dort höhere Zinsen verlangen als in Deutschland.

Die Schuldenuhr ist übrigens während des Erstellen des Beitrages um weitere 3 Mio. Euro angestiegen. Und jetzt koche ich – mir nämlich erst einmal einen Baldriantee.

Frank Meyer ist Moderator bei n-tv
www.frank-meyer.tv

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