Yahoo wird kostenpflichtig? - die Chancen
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von Daniela Patrzek
Wegen des Einbruchs des Online-Werbemarktes muss das Internet-Portal Yahoo! sich jetzt darauf konzentrieren, seine Einnahmequellen breiter zu fächern. Gebührenpflichtige Inhalte und Dienstleistungen werden eine logische Konsequenz daraus sein, prognostizieren Analysten. Andere Publisher werden genau beobachten, wie empfänglich der Kunde für solche Dienste ist.
Dass es dem Online-Werbemarkt schlecht geht, ist hinlänglich lamentiert worden. Doch trotz des ganzen Pessimismus haben die meisten Analysten dem Online-Portal Yahoo! bislang attestiert, dass das Unternehmen mit seinen rund 180 Millionen Nutzern allein aufgrund seiner Größe relativ immun gegen die rückläufige Marktentwicklung sein wird. Dennoch musste Yahoo am 7. März seine Umsatzerwartungen drastisch einschränken, Unternehmensgründer Tim Koogle kündigte seinen Rückzug aus dem einstigen Vorzeige-Unternehmen der New Economy an.
Viele Analysten stimmen darin überein, dass, obwohl der Einnahmeneinbruch in seinem gesamten Ausmaß die Yahoo!-Manager verblüffte, das Unternehmen schon vor geraumer Zeit damit begonnen hatte, nach alternativen Einnahmequellen zu suchen, um die Einbußen bei den Werbeeinnahmen zu kompensieren. Doch das Unternehmen hat mit weiteren Schwierigkeiten zu kämpfen: Letzte Woche korrigierten Berater wie Morgan Stanley Dean Witter, Merrill Lynch und andere Wallstreet-Analysten ihre Prognosen für die Entwickung des Online-Werbemarktes weiter nach unten und Anil Singh, der Vertriebschef von Yahoo! nahm seinen Hut.
Auf der Hauptversammlung kündigte COO Jeff Mallett an, dass das Unternehmen schneller als erwartet auch die traditionelle Werbezielgruppe ansprechen müsse, die bislang vor allem noch offline ihre Anzeigen schalten. Doch dieses Klientel sei an langsamere Medienzyklen gewohnt, was sich für das Unternehmen zu einem Stolperstein entwickeln könnte. In der Tat, so schlussfolgert Kathleen Heaney, Analystin bei Bluestone Capital, sei es so, dass sich der Anteil der traditionellen Werbekunden bei Yahoo! derzeit nur vergrößere, weil die ganzen New Economy-Werbekunden wegsterben und sich damit die Gesamtzahl der Werbetreibenden drastisch verringert habe.
Als marktführendes Portal im Internet werden Konkurrenten aufmerksam verfolgen, ob es Yahoo gelingt, außerhalb des Werbebereiches Einnahmen zu generieren. Yahoo, so könnte man sagen, entwickelt sich zum Lackmus-Test für das Consumer-Web. "Yahoo! weiß, dass es nach alternativen Einnahmequellen suchen muss, doch bislang haben sie keine wirklich gute Arbeit geleistet", kritisiert John Corcoran, Analystin bei CIBC World Markets. Doch wo sprudeln für Yahoo! die verzweifelt gesuchten Geldquellen?
Dass Nutzer auf einmal für Inhalte Geld bezahlen, die es bislang gratis gab, halten die Analysten für unwahrscheinlich. Yahoo! selbst bekam die Auswirkungen einer solchen Strategie zu spüren, als das Unternehmen anfing, für seine Auktionsdienstleistungen Gebühren zu verlangen. Die Internet-Nutzer reagierten ungnädig, die Besucherzahlen sanken um fast 90 Prozent.
Ein weniger risikoreiches Unterfangen wäre es für das Unternehmen, im B2B-Bereich zu expandieren und kundenspezifische Firmenportale zu bauen. Im Quartalsbericht für das vierte Quartal 2000 berichtete Yahoo!, dass bereits 18 Firmenkunden mit insgesamt 800.000 Einzelplatzlizenzen für derlei Dienstleistungen gefunden wurden.
Corcoran kritisiert, dass Yahoo! die Messlatte für die potenzielle Zielgruppe solcher Dienste zu hoch stecke. "Sie wollen nur Firmen ansprechen, die mindestens 10.000 Einzelplatzlizenzen abnehmen" , erläutert er. "Doch wieviele Unternehmen kennen Sie, die mehr als 10.000 Angestellte haben?"
Diese Tatsache zwang Yahoo! dazu, seine Chancen auszuloten, ob Konsumenten nicht doch Geld für Content bezahlen würden, wenn sie dadurch einen erkennbaren Mehrwert erhalten. Doch die Ablehnung bei den Internet-Nutzern ist groß. Das Marktforschungsinstitut Forrester Research ermittelte im Rahmen seiner Studie "Content Site Turnaround" von Dezember 2000, dass von den 26 Prozent der Nutzer, die schon einmal für Content im Web Geld bezahlt haben, nicht einmal die Hälfte bereit wäre, dies wieder zu tun. Eine aktuellere Studie der 'Consumer Electronic Association' kam zu dem Schluss, dass es für mehr als drei Viertel der Internet-Nutzer überhaupt nicht in Frage kommt, für Inhalte Geld zu bezahlen.
Und tatsächlich haben es bislang nur wenige Seiten geschafft, sich über Content-Payment zu refinanzieren. Die besten Chancen haben Anbieter von hochspezialisierten Inhalten - beispielsweise im Bereich Finanzen oder Medizin - die sonst nicht ohne weiteres zu finden sind. Das 'Wallstreet Journal' hat das offenbar geschafft, aber auch die Pornoindustrie ist gut im Geschäft mit kostenpflichtigen Inhalten. Und auch das Internet-Magazin 'Salon.com' sowie die Gerüchte-Plattform 'Fucked Company' wollen künftig ihre Inhalte nicht mehr für lau anbieten. Wie lange sie einen kostenpflichtigen Service jedoch durchhalten, steht auf einem anderen Blatt. Anbieter wie 'Slate' oder 'TheStreet.com' verabschiedeten sich ganz schnell wieder von abofinanzierten Web-Angeboten, weil die Kunden massiven Widerstand leisteten.
Verbesserte Personalisierung und Bedienerfreundlichkeit haben Portalen und Content-Sammelseiten oft geholfen, ihre Nutzer an sich zu binden. Doch all diese Annehmlichkeiten werden Kunden nicht davon abhalten, zu einem anderen Anbieter zu wechseln, wenn das Angebot kostenpflichtig wird, sagt Safa Ratschy, Analyst bei 'U.S. Bacorp Piper Jaffray'. Ratschy erinnert an die vielen Entlassungen und Pleiten anderer Content-Sites. "All diese Anbieter, die aufgrund von reichlich Venture Capital wuchsen und gediehen und die all ihre Inhalte und Dienstleistungen in der Hoffnung kostenlos anboten, einmal ihre registrierten Nutzer zu Geld zu machen, verabschieden sich mittlerweile nach und nach wieder aus dem Geschäft", so Ratschy.
Dadurch, dass Yahoo! mittlerweile weniger Geld für Personalisierung und Bedienerfreundlichkeit ausgeben muss, kann das Unternehmen die Einsparungen an die Kunden weitergeben und wird sich hüten, für Inhalte und Dienstleistungen, die das Online-Portal derzeit kostenlos anbietet, in Zukunft Gebühren zu berechnen. Derzeit sind lediglich die Online-Fotoentwicklung, das Online-Bezahlen von Rechnungen, zusätzlicher E-Mail-Speicherplatz sowie Stellenangebote kostenpflichtig.
Einige Investoren versuchen, Yahoo! dazu zu zwingen, kostenpflichtige Angebote zu launchen, sagt Ratschy. "Denn selbst wenn sie von den 180 Millionen Nutzern nur die Hälfte behalten und jeder fünf Dollar pro Monat online ausgibt, wären das eine halbe Milliarde Dollar pro Jahr", rechnet er vor.
Corcoran hingegen warnt das Internet-Portal davor, sich solchen Verlockungen hinzugeben. "Wenn sie jetzt anfangen, für solche Dienstleistungen Geld zu verlangen, werden sich die Pageviews rapide nach unten entwickeln. Doch das ist die Basis, auf der sich das Unternehmen gegenüber seinen Anzeigenkunden verkauft", erklärt er. "Und obwohl der Online-Werbemarkt derzeit ein heikles Geschäft ist, ist er bei weitem die größte Einnahmequelle, die Yahoo! hat."
Das wahrscheinlichste Zukunftsszenario für Yahoo! sei es, neue Premium-Dienste wie beispielsweise hochgradig personalisierbare Musikdienste anzubieten, glaubt Raschy. Die Tatsache, dass Yahoo! jüngst den Online-Musikveteran Chris Otto, einst Chef von RealNetworks Division 'RealJukebox', ins Boot holte, damit er die 'Yahoo! Music'-Abteilung auf Vordermann brächte, unterstützt Ratschys Theorie. Schließlich wächst die Akzeptanz für digitale Musik in bahnbrechender Geschwindigkeit. Der Analyst empfiehlt Yahoo! auch, über gebührenpflichtige Real-Time-Aktienkurse oder Staunachrichten mit alternativen Routenempfehlungen, die an Mobiltelefone oder Pager geschickt werden können, nachzudenken.
Eine Yahoo!-Sprecherin bestätigte, dass das Unternehmen plant, gebührenpflichtige Inhalte und Dienstleistungen im Bereich digitaler Unterhaltung, Kommunikation (z.B. E-Mail-Dienste), Personal Finance und Finanzdienstleistungen anzubieten. Doch wann es soweit sein wird, darüber hält sich das Unternehmen noch bedeckt.
Yahoo! muss sich in Geduld üben, sind sich Corcoran und Ratschy einig. Anders als beispielsweise AOL, das seit jeher zahlende Kunden hat, muss Yahoo! seine Kunden erst langsam an neue Business-Modelle gewöhnen. "Yahoo! war eines der ersten Unternehmen, denen es gelang, schwarze Zahlen zu schreiben und jeder hielt es für ein Musterbeispiel der New Economy", sagt Dan O'Brien vom Marktforschungsinstitut Forrester Research. "Jetzt will natürlich jeder wissen, ob es das Unternehmen schafft, die Karre wieder aus dem Dreck zu ziehen."
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