Würgt das Öl die Weltwirtschaft ab?
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Frankfurt (BoerseGo.de) - Der Nahe Osten kommt nicht zur Ruhe. Nach dem Sturz der Regime in Tunesien und Ägypten schwelt in Libyen ein Bürgerkrieg mit internationaler Partizipation. Ist dies der Beginn einer globalen Ölschocks?
Jan Amrit Poser, Chefökonom der Bank Sarasin & Cie AG, erklärt, dass Tunesien und Ägypten vernachlässigbar sind, wenn man die Relationen in der internationalen Ölförderung betrachtet. Libyen stehe mit zwei Prozent der globalen Ölförderung zwar immerhin auf Platz 18 der Rangliste, Saudi Arabien habe jedoch angekündigt, im Fall von Lieferengpässen einzuspringen. Ein ernsthaftes Risiko von Lieferengpässen, welche die Wirtschaft ihrer Produktionsmöglichkeiten berauben könnten, würde nach Einschätzung von Poser nur entstehen, wenn die Unruhen auf die größten Ölproduzenten, nämlich Saudi-Arabien, Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate, Irak und Kuwait überschwappen. Dafür gebe es jedoch bisher keine Anzeichen. Der Ölpreisanstieg sei daher vor allem auf eine gestiegene Risikoprämie zurückzuführen.
Um die Risikoprämie abzuschätzen, vergleicht die Bank Sarasin den Ölpreis mit dem Kupferpreis, der zwar auch konjunkturabhängig ist, aber nicht von den Unruhen im Nahen Osten beeinflusst wird. Beide Preise haben sich seit Anfang des Jahres 2009 fast parallel entwickelt. Erst in den letzten acht Wochen habe sich eine Schere ergeben, die als Risikoprämie zu deuten ist, so der Volkswirt. Sie betrage ungefähr 15 US-Dollar pro Fass.
Doch auch eine Risikoprämie könne in der Wirtschaft Schaden anrichten, weil sie die Preise erhöht, so Poser weiter. Er erachtet die Wahrscheinlichkeit einer durch Ölpreise ausgelösten inflationären Spirale jedoch für gering: "Die Preissetzungsmacht der Unternehmen wird durch unterausgelastete Industriekapazitäten begrenzt, die Marktmacht der Gewerkschaften ist angesichts hoher Arbeitslosenquoten gering". Doch auch wenn man keine Zweitrundeneffekte fürchten müsse, sei der momentane Ölpreisanstieg verantwortlich für einen Inflationsanstieg um einen Prozentpunkt, der die Kaufkraft der Konsumenten entsprechend dämpft. Würde der Ölpreis nicht temporär sondern permanent auf diesem Niveau verharren, hätte dies eine einmalige Wachstumsreduktion in Höhe der Konsumquote zur Folge - in den USA wären das 0,7 und in der Eurozone ca. 0,55 Prozentpunkte Wachstumseinbuße.
Das wirtschaftliche Momentum ist laut Poser aber so hoch, dass es durch die Risikoprämie in den Ölpreisen kaum gebremst werden kann. Der Sarasin-Volkswirt geht sogar davon aus, dass die Dynamik den kürzlich erfolgten Ölpreisanstieg bald auch fundamental rechtfertigen wird. Nur eine Eskalation der Lage im Nahen Osten und ein damit einhergehender heftiger Anstieg der Ölpreise würde vom Gegenteil überzeugen.
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