Kommentar
08:50 Uhr, 04.09.2015

Wo man mit Öl noch Geld verdienen kann

Der Ölpreis bleibt hochvolatil – vor allem zur Unterseite. Die Aktien von Ölunternehmen kennen da nur eine Richtung. Auf den ersten Blick ist das nicht besonders attraktiv. Auf den zweiten Blick ergeben sich jetzt Chancen, vor allem, wenn man als Anleger an Dividenden interessiert ist.

Der US Ölsektor boomte nicht nur im Bereich der Förderung, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Davon haben Anleger meist wenig mitbekommen, weil sich alle Welt auf die Schieferölunternehmen und deren Probleme konzentriert. Der Ölsektor jenseits des Frackingbooms ist jedoch mindestens genauso dynamisch.

Derzeit werden alle Unternehmen, die auch nur entfernt mit Öl in Verbindung gebracht werden, abgestraft. Einige wenige Ausnahmen gibt es. Zu diesen Ausnahmen gehören Unternehmen, die sich auf den Downstream (Verarbeitung von Rohöl, z.B. Raffinerien) Bereich konzentriert haben. Sie können Rohöl nun billig einkaufen und höhere Margen generieren. Die Kurse sind in diesem Bereich gestiegen. Anleger können hier nicht mehr viel erwarten.

Im Upstream Bereich (Förderung des Öls) wurden Anleger im ersten Quartal des Jahres bitter enttäuscht. Der Ölpreis bildete zwischen Januar und März einen Doppelboden aus und stieg innerhalb kurzer Zeit über ein Drittel. Wer mutig war und Ende 2014 und Anfang 2015 Aktien kaufte, weil „die Kanonen donnerten“, musste Nerven beweisen. Öl fiel auf neue Tiefs und droht nun bis mindestens 2016 in einer tiefen Seitwärtsrange zu verharren. Der Downstream Bereich ist für einen Einstieg zu teuer und die Bodenbildung im Upstream Bereich könnte sich noch ein Jahr lang hinziehen. Zeit, über ein Investment in den Midstream Bereich nachzudenken. Der Midstream Bereich macht alles, außer Öl zu fördern und zu verarbeiten. Unternehmen sind im Midstream Segment darauf spezialisiert Öl zu transportieren und zu lagern. Von Tanklagern über Pipelines bis hin zu Verladeterminals ist alles dabei. Der Midstream Bereich ist bis zu einem gewissen Grad gegen Preisschwankungen des Rohstoffs immun. Pipelinebetreiber verrechnen eine feste Gebühr für den Transport einer bestimmten Menge, unabhängig vom zugrundeliegenden Rohstoffpreis. Midstream Unternehmen sind vor allem betroffen, wenn die Nachfrage stark sinkt. Kühlt die Konjunktur ab, dann wird auch weniger Öl transportiert, weil weniger nachgefragt wird.

Momentan mangelt es nicht an Nachfrage – zumindest nicht an der Nachfrage nach Transport-, Verlade- und Lagermöglichkeiten. Wegen des hohen Überangebots an Öl werden Tankfarmen bis an die obersten Ränder gefüllt. Dort muss das Öl erst einmal hinkommen. Das geschieht unter anderem über Pipelines. Der Ölboom und das Überangebot sind für Midstream Unternehmen bis zu einem gewissen Grad ein Segen.

Wenn das Geschäft gut läuft und das auch kein Geheimnis ist, ist der Sektor dann überhaupt noch ein Investment wert? Die kurze Antwort lautet Ja. Man muss allerdings wissen wie, denn der Midstream Bereich ist ziemlich speziell. Die überwiegende Mehrzahl an Unternehmen ist als MLP (Master Limited Partnership) organisiert. Das ist vor allem in den letzten Jahren stark in Mode gekommen, da MLPs steuerlich begünstigt werden. Sie zahlen keine Steuern auf ihren Gewinn und können unter anderem deswegen hohe Dividenden zahlen. Wie stark das in Mode gekommen ist zeigt die Marktkapitalisierung des Sektors. 2003 lag die gesamte Marktkapitalisierung von MLPs noch unter 50 Mrd. USD. 2014 vor dem Crash waren es über 600 Mrd. Der Boom hatte zwei Gründe. Erstens hat der Ölboom die Gründung neuer Unternehmen begünstigt und zweitens haben viele Unternehmen einen Teil ihrer Assets in MLPs ausgelagert.

Als MLP wird ein Unternehmen klassifiziert, welches mindestens 90% seines Umsatzes mit der Förderung, der Distribution oder der Verarbeitung von Rohstoffen verdient. Es gibt also nicht nur Midstream MLPs, sondern auch MLPs, die Öl fördern oder verarbeiten. MLPs haben den Zweck Assets zu managen, aufzubauen und zu erhalten. Ein Großteil fokussiert sich allein auf den Ausbau und den Erhalt von Infrastruktur (z.B. Pipelines). Ausgeschüttet wird das gesamte erwirtschaftete Cash, abzüglich von Investitionsausgaben, um die Infrastruktur zu erhalten. Die Ausschüttungsquoten sind sehr hoch und die Dividendenrenditen entsprechend attraktiv.

Die Grafik zeigt alle in den USA gelisteten MLPs mit ihren Dividendenrenditen der Höhe nach sortiert. Insgesamt handelt es sich um 128 MLPs. Aus Platzgründen ist nur die Hälfte der Namen dargestellt. Die höchsten Renditen liegen bei über 30%. Das ist zu schön um wahr zu sein.

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Die Unternehmen, die eine Rendite von über 15% ausweisen, sind meist keine reinen Midstream Unternehmen. Es handelt sich dabei um MLPs, die Öl und Gas fördern. Hier schlägt der Preisverfall des Rohstoffs voll durch. Als Anleger muss man daher aufpassen und kann nicht jede Aktie von Unternehmen kaufen, die als MLP klassifiziert ist.

Die mittlere Rendite liegt derzeit bei 10%. Das ist ein Wert, der realistisch ist. Er ist immer noch hoch und sehr attraktiv. Als Anleger muss man mit dieser Rendite aber dann auch zufrieden sein, denn große Kursgewinne geben MLPs selten her. Sie schwanken für gewöhnlich in einer gewissen Handelsspanne, die je nach Unternehmen auch etwas größer sein kann. Die Kurse sind kurzfristig volatil, langfristig jedoch einigermaßen stabil.

Seit dem Ölpreiscrash sind auch viele der MLP Kurse unter die Räder gekommen. Ihnen geht es besser als vielen Ölunternehmen, dennoch haben die Kurse Federn gelassen. Das bietet jetzt die Möglichkeit zu niedrigen Kursen und hohen Dividendenrenditen einzusteigen. Ein Selbstläufer ist ein solches Investment dann dennoch nicht. Es gibt zwar die Chance auf hohe Dividenden und Kurssteigerungen, doch ausgemachte Sache ist das nicht.

Anleger haben vor allem die Dividenden im Blick. Kürzen MLPs die Dividenden, um z.B. Schulden abzubauen, dann können die Kurse stark abgestraft werden. Man kann auch nicht vorhersagen, ob bereits jetzt ein Boden bei den Kursen gefunden wurde. Rein rational machen die Kursverluste wenig Sinn, weil Infrastruktur-MLPs wenig von den Ölpreisen selbst betroffen sind. Insofern kann man auf Schnäppchenjagd gehen. Anleger können die Lage jedoch sehr viel länger irrational bewerten als notwendig. Mittelfristig sind weitere Kursverluste denkbar. Wer investiert, sollte Sitzfleisch mitbringen.

Es gibt 2 MLP Infrastruktur ETFs (InfraCap mit der ISIN US26923G1031 und Global X MLP & Energy Infrastructure ETF mit der ISIN US37950E2265). Obwohl beide ETFs das Wort Infrastruktur im Namen tragen sind nicht alle enthaltenen Werte reine Infrastruktur MLPs. Anleger setzen sich mit dem Kauf auch dem Risiko auf der Produktionsseite aus. Wer auf Nummer sicher gehen will, kauft Einzelwerte, z.B. Magellan Midstream (ISIN US5590801065, Dividendenrendite ca. 5%) oder Martin Midstream (ISIN US5733311055, Rendite ca. 12%).

Magellan ist ein Branchenschwergewicht mit einer Kapitalisierung von 15 Mrd. USD. Es bietet eine gewisse Stabilität und höhere Chancen auf Kursgewinne, dafür aber auch eine geringere Dividendenrendite. Martin Midstream ist mit einer Kapitalisierung von knapp einer Mrd. USD sehr viel kleiner und als Aktie deutlich volatiler. Dafür ist die Dividendenrendite vergleichsweise hoch.

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5 Kommentare

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  • bogota
    bogota

    Herr Schmale, Wie sehen in diesem Kontext die Aktie von Seadrill?

    17:43 Uhr, 04.09. 2015
  • aschki
    aschki

    Bei Speiseöl???

    16:30 Uhr, 04.09. 2015
  • Wolfi81
    Wolfi81

    Man sollte vielleicht noch erwähnen, dass man als Ausländer ziemlich hohe Quellensteuern auf die MLP-Ausschüttungen zahlt. Bei mir waren dies zuletzt knapp 40 %. Meines Wissens kann man sich diese zwar (teilweise?) zurückholen, muss dafür aber in den USA bzw. dem zuständigen Bundesstaat eine Steuererklärung abgeben. Dies lohnt wohl nur bei großen Beständen.

    12:20 Uhr, 04.09. 2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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