Wo kein konjunktureller Richter, da kein geldpolitischer Henker
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Die Konjunktursorgen in China halten sich. So setzen die chinesischen Gewinne ihren Schrumpfungskurs aus dem Winterhalbjahr nach einer kurzen Verschnaufpause fort. Und der Einbruch des vom Wirtschaftsdatenanbieters Markit veröffentlichten Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe lässt auf keine schnelle Besserung hoffen.
Negative Ausstrahleffekte auf Rohstoffe
Niederschlag finden Chinas Konjunktursorgen im Rohstoffsektor. Unter den Industriemetallen muss vor allem Kupfer als das konjunktursensitivste aller Industriemetalle der ökonomischen Skepsis Tribut zollen. Auf China entfallen rund 40 Prozent der weltweiten Kupfernachfrage. Die ebenfalls abwärts gerichtete Preisentwicklung bei Aluminium - das Metall findet in der Industrie immer mehr Anwendung - unterstreicht die Konjunkturangst zusätzlich.
Der Rohölmarkt ist nicht nur aus konjunkturellen Gründen überversorgt. Vom Jahreshoch Anfang Mai ist Rohöl der Sorte Brent in einen Bärenmarkt zurückgefallen. Neben der absehbaren Rückkehr des Iran an die Energiemärkte und dem sich damit verschärfenden Wettbewerb um Marktanteile mit Saudi-Arabien, nahm zuletzt auch die Anzahl der aktiven Ölbohrungen in den USA wieder zu.
US-Zinserhöhung oder das Warten auf Godot
Vor diesem unsicheren weltkonjunkturellen Hintergrund mit Hemmungspotenzial für die Weltinflation hält die Fed an ihrer unverbindlichen Zinsrhetorik fest. Zwar hat sich die US-Konjunktur im II. Quartal mit einem Wachstum von 2,3 Prozent zum Vorjahr von ihrem winterlichen Konjunktureinbruch erholt. Doch hätte der Nachholeffekt unter normalen Bedingungen stärker ausfallen müssen. Nach sieben Jahren Niedrigleitzinspolitik ist die konjunkturelle Ausbeute enttäuschend. Bevor Janet Yellen die Zinswende vollzieht, will sie erst eine Inflationsbeschleunigung und explizit eine so wörtlich „weitere Verbesserung am US-Arbeitsmarkt“ sehen.
Apropos Arbeitsmarkt, hier ist die Lage weniger robust als allgemein angenommen. So deutet der von der US-Notenbank veröffentlichte, auf 19 Subindikatoren fußende Labor Market Conditions Index seit Jahresbeginn sogar auf eine Verlangsamung der US-Beschäftigungssituation hin.
Darüber hinaus spiegeln die seit Jahresbeginn im Trend schwachen Auftragseingänge für zivile Kapitalgüter eine zunehmende US-Investitionszurückhaltung wider. Sicherlich ist dies auch der fortgesetzten US-Dollar-Aufwertung als Hemmschuh für die US-Exportindustrie geschuldet. Umsatzeinbußen sind sicher keine Treiber für Neuinvestitionen. Auch die mit schwachen Energiepreisen konfrontierte Ölindustrie hält sich mit Investitionen zurück. Vor diesem Hintergrund sprechen US-Unternehmen teilweise von der schlechtesten Berichtsaison seit 2009.
Die Fed muss eine Zinspolitik für urbi (Amerika) und orbi (die Welt) machen
Neben der nationalen Karte muss die Fed aber auch die internationale spielen. Grundsätzlich sind die Emerging Markets bei einer US-Leitzinswende gefährdet. Denn Länder wie Brasilien, die Türkei, Südafrika, Indonesien und auch Indien leiden unter hohen langjährigen Leistungsbilanzdefiziten, obwohl deren Währungen gegenüber dem US-Dollar seit 2010 deutlich nachgegeben haben. Da deren Refinanzierung schwerpunktmäßig auf US-Dollar-Basis stattfindet, drohte diesen Ländern bei einer markanten US-Leitzinswende doppeltes Ungemach: Höhere Zinsen und ein insofern aufwertender US-Dollar verteuerten die Bedienung der Staatsverschuldung noch mehr und ließen sie sogar noch weiter ansteigen. Zinsanhebungen in den Schwellenländern als Gegenreaktionen führen zu einem Dilemma. Sie mögen zwar einerseits die eigene Währung stabilisieren, doch andererseits hemmen sie gleichzeitig das Wirtschaftswachstum. Im Zweifel setzen die Notenbanken der Emerging Markets auf Zinssenkungen zum Wohle der Binnenkonjunktur. Brasilien geht dagegen den umgekehrten Weg. Die brasilianische Notenbank hat ihre Leitzinsen von 7,25 Prozent im Jahr 2013 auf bislang 14,25 Prozent fast verdoppelt.
Die Konsequenz ist, dass Brasilien das einzige große Schwellenland ist, das wirtschaftlich schrumpft.
Und offensichtlich führen die massiven Zinserhöhungen nicht zum gewünschten Erfolg der Währungsstabilisierung. Der brasilianische Real wertet unvermindert gegenüber dem US-Dollar ab.
Ohnehin kommt für Brasilien, Russland und die Länder des Nahen Ostens erschwerend hinzu, dass sie die höheren Auslandsverbindlichkeiten aufgrund der Preisschwäche bei Rohstoffen nicht mit soliden Einnahmen aus dem Rohstoffverkauf kompensieren können.
Vor diesem Hintergrund kann und wird die Fed keinen eindeutigen Zinserhöhungszyklus einleiten. Nicht zuletzt würde er zu einem Kapitalabzug auch aus China führen und damit die Probleme der Schwellenländer noch potenzieren.
Zinswende nur aus Gründen der Glaubwürdigkeitswahrung
Dennoch wird die US-Notenbank spätestens im Dezember die Leitzinsen erhöhen. Nach mehr als einem Jahr der verbalen Vorbereitung kommt sie am tatsächlichen Vollzug aus Gründen der Verlässlichkeit wohl kaum mehr vorbei.
Entscheidend ist jedoch nicht, wann die erste Zinserhöhung stattfindet, sondern das anschließende Zinserhöhungstempo in Abhängigkeit der konjunkturellen Datenlage. Der versehentlich an die Öffentlichkeit gelangte, vertrauliche Arbeitsentwurf der Zinsprojektionen der Fed von Juni mit Leitzinsen von 0,35 Prozent für 2015 und 1,26 bzw. 2,12 für 2016 und 2017 - offiziell spricht man von 0,625 Prozent, 1,625 bzw. 2,875 - deutet intern bereits auf eine weniger dynamische Leitzinswende hin.
Nach einer ersten Zinserhöhung hat die Fed mit Blick auf eine verhaltene (Welt-)Konjunktur und die schwachen Preissteigerungen einen sehr weiten, auch zeitlichen Spielraum für zinspolitische Passivität.
Aktuelle Marktlage und Anlegerstimmung: Am geldpolitischen Wesen soll die Weltkonjunktur genesen
Sicherlich verunsichert die ungewohnt wenig dynamische Verfassung der chinesischen Konjunktur die allgemeine Aktienstimmung. Stützend wirkt jedoch, dass Peking vor keiner noch so planwirtschaftlichen Maßnahme zurückschreckt, um die Stabilität seiner Finanzmärkte zu gewährleisten. Hilfreich ist ebenso die rückläufige Zinswendeangst in den USA. Stabilisierend ist auch die einstweilige Ruhe im (finanz-)politischen Euro-Karton.
Von der deutschen Berichtsaison für das abgelaufene II. Quartal 2015 gehen bislang eher wenige Positiveffekte für deutsche Aktien aus: Laut Datenanbieter Bloomberg haben nur 47 Prozent der präsentierenden DAX-Unternehmen in puncto Gewinn überrascht.
Auch im Ausblick zeigen sie sich bis dato eher verhalten. Bayer ist in puncto Umsatzerwartungen aufgrund von Wechselkursschwankungen etwas weniger optimistisch. Ähnliches gilt für Linde, dessen im Ausblick angehobene Umsatzprognose im Gase-Geschäft einer anhaltenden Nachfrageschwäche im Anlagenbau gegenübersteht. Volkswagen hält zwar an seiner Gewinnprognose fest, rechnet aufgrund nachlassender Nachfrage aus China im Vorjahresvergleich aber nur noch mit stagnierenden Absätzen.
Immerhin, im Juli deuten die ifo Geschäftserwartungen auf eine etwas stabilere Stimmung in der deutschen Industrie hin. Dem weniger konjunkturdynamischen China wirken offensichtlich das wirtschaftliche Nachholpotenzial in der Eurozone und eine ultralockere Geldpolitik der EZB entgegen. Damit schwächt die EZB auch den Euro und stärkt insofern die deutsche Exportindustrie. Daneben kommen konjunktursensitiven Aktien die günstigen Rohstoffpreise zugute, die trotz Euro-Schwäche insgesamt zu Margen- und Kaufkraftverbesserungen führen. Insgesamt ist bis Jahresende von einer positiven Aktienstimmung auszugehen.
Charttechnik DAX und Euro Stoxx 50: Korrektur nach dem Höhenflug
Aus charttechnischer Sicht liegt beim DAX für den Fall einer fortgesetzten Korrektur eine erste Unterstützung bei 11.035 Punkten. Darunter verläuft die nächste Haltelinie bei 10.800 Punkten. Auf der Oberseite trifft der Index bei 11.288 Punkten auf einen ersten Widerstand. Darüber verlaufen weitere Hürden bei 11.340 und 11.414 Punkten. Werden diese überwunden, treten die nächsten Barrieren bei 11.420 und darüber bei 11.600 und 11.800 Punkten in den Vordergrund.
Im Euro Stoxx 50 geben der kürzlich überwundene Abwärtstrend bei derzeit 3.493 Punkten und eine noch nicht geschlossene Kurslücke zwischen 3.474 und 3.433 Punkten Halt. Knapp darunter verlaufen Unterstützungen bei 3.417 und 3.412 Punkten. Auf dem Weg nach oben warten die aktuell wichtigsten Widerstände bei 3.651 und knapp darüber im Bereich um 3.691 Punkte.
Und was passiert in der KW 32?
Die deutsche Berichtsaison für das II. Quartal geht in die nächste Runde. Grundsätzlich kommt exportsensitiven deutschen Unternehmen der schwache Euro zugute. Doch wird BMW wohl unter niedrigeren Umsätzen in China gelitten haben. Continental profitiert weiterhin von einer soliden Autoindustrie. Beiersdorf dürfte dank einem stabilen Wachstum aus eigener Kraft und günstigen Rohstoffpreisen seine Gewinnmarge verbessert haben. Das Ergebnis von Merck sollte keine negativen Überraschungen bereithalten. Der Sportartikelhersteller adidas dürfte weiter unter der Schwäche in der Golf-Sparte zu leiden haben. Die Zahlen der Deutschen Post sind wahrscheinlich durch die Streik- sowie Restrukturierungskosten der DHL-Tochter belastet. Bei der Deutschen Telekom könnte sich das Wachstum aufgrund einer langsameren Entwicklung der US-Tochter T-Mobile leicht abgeschwächt haben. Allianz sowie die Münchner Rückversicherungs-Gesellschaft dürften von einer vergleichsweise geringeren Belastung durch Großschäden und die Commerzbank von einer Belebung des Handelsgeschäfts profitiert haben.
Im eigentlichen Fokus der Anleger stehen aber die Ausblicke.
In den USA zeigt sich die Konjunkturstimmung laut ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe stabiler. Von besonderem Interesse wird sein, wie die US-Arbeitsmarktdaten ausfallen. Die US-Konsumausgaben fallen vermutlich vergleichsweise schwach aus.
In China wird mit Spannung erwartet, welche konjunktur- und finanzmarktstützenden Maßnahmen die kommunistische Partei auf ihrer jährlichen Strategiesitzung ergreift. Chinas offizieller Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe dürfte auf eine leichte konjunkturelle Stabilisierung hindeuten.
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