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14:18 Uhr, 25.06.2012

Wirtschaftsweiser: Deutschland wird für andere Eurostaaten haften müssen

Berlin (BoerseGo.de) – Der deutsche Wirtschaftsweise Christoph Schmidt sieht für Deutschland kein entrinnen für die Staatsschulden anderer Eurostaaten mit zu haften. „Deutschland wird langfristig die Kröte schlucken müssen, für einen Teil der Schulden anderer Länder mit haften zu müssen", sagte Schmidt in einem am Montag veröffentlichten Interview mit "Zeit Online".

Schmidt gehört auch dem Sachverständigenrat der deutschen Wirtschaft an, der im Herbst 2011 einen sogenannten Schuldentilgungspakt als Alternative für Eurobonds vorgeschlagen hatte. Mit dem Modell würden die Schulden der Eurostaaten im Volumen und von der Höhe nur begrenzt vergemeinschaftet. Auch würden bestimte juristische Probleme die bei der Einführung von Eurobonds entstehen würden mit dem Modell weniger schwierig zu lösen sein.

Im Detail geht es bei dem Konzept um die Auslagerung von Schulden der EU-Staaten in einen Tilgungsfonds. Dabei darf aber lediglich der Teil der Schulden in den Fonds verschoben werden, der das von der EU festgelegte Limit von 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) übersteigt. Das würde derzeit einem Volumen von rund 2,3 Billionen Euro entsprechen.

Die Haftung für den Tilgungsfonds übernehmen dabei alle Euromitglieder gemeinsam. Die Schulden sollen dabei vom jeweiligen Land langfristig in rund 25 Jahren getilgt werden. Die Hauptsschuldner wären dabei Italien mit 958 Milliarden Euro, Deutschland mit einem Anteil von 578 Milliarden Euro sowie Frankreich mit 498 Milliarden Euro sowie weitere Eurostaaten.

Der Sachverständigenrat weist aber auch bei diesem Modell auf die Bedeutung der „strikten fiskalischer Disziplin“ hin und knüpft dessen Einführung an mehrere Bedingungen. Unter anderem muss jedes Land eine nationale Schuldenbremse einführen. Außerdem wird eine Strategie gefordert die verhindert, dass die Schuldenquote langfristig nicht mehr über 60 Prozent steigt.

Tilgt ein Land seinen Anteil nicht, darf es keine weiteren Schulden mehr in den Tilgungsfonds übertragen. Zur Sicherheit muss jedes Land einen Teil seiner nationalen Goldreserven oder sonstiges nationales Vermögen verpfänden. Auch ein Zuschlag auf die Einkommens- und Mehrwertsteuer ist für die Tilgung vorgesehen.

Die Nachteile des Modells sind aber nach vor die höheren Zinszahlungen von finanziell stärkeren Ländern, während die wirtschaftlich schwächeren Staaten weniger Zinsen bezahlen würden. Außerdem würde gerade Deutschland einen großen Teil der Haftung übernehmen, falls es bei einem oder mehreren Ländern zu einem Zahlungsausfall kommt.

Wenn der Euroraum in seiner bisherigen Form weiter existieren soll, hat Deutschland keine andere Wahl, so Schmidt. „Jetzt geht es darum, möglichst viel dafür von den anderen Mitgliedsstaaten zu bekommen: neue Sicherheiten, dass gespart wird, und vertragliche Zusagen, dass die Strukturreformen weiter gehen“, mahnte er.

Ob dieses Modell letzten Endes auch verfassungsrechtlichen Fragen standhalten würde bleibt abzuwarten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht dem Modell bisher ablehnend gegenüber. „Allein aus strategischen Gründen würde ich der Bundesregierung übrigens immer raten, sich öffentlich skeptisch zu unserem Vorschlag zu äußern. Schließlich könnte der Pakt noch Verhandlungsgegenstand werden", so Schmidt in dem Zeit-Interview.

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Über den Experten

Christian Zoller
Christian Zoller

Christian Zoller studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Regensburg sowie an der WU Wien, mit den Schwerpunkten Investmentbanking und Corporate Finance. Seit 1995 ist er in den Bereichen Fundamentalanalyse und Technische Analyse tätig. Seine berufliche Laufbahn führte Zoller unter anderem zur Austria Presse Agentur (APA-Finance), zu BörseDaily und stock3. Zudem verfasste er Fachartikel für den Newsletter „Trendwatch“ des Heikin-Ashi-Experten Dan Valcu und ist Autor des Fachbuchs „Behavioral Finance bei Technischer Analyse“. Für die Finanzmarktanalyse verwendet Zoller unter anderem gerne Saisonalitäten, die Sentimentanalyse, Fundamentaldaten und die Charttechnik.

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