Kommentar
12:20 Uhr, 11.08.2005

Wirtschaft stagniert im zweiten Quartal

1. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt stagnierte im zweiten Quartal. Gleichzeitig wurde die Vorquartalsveränderungsrate des ersten Quartals um 0,2 Prozentpunkte nach unten revidiert. Damit wurden die Erwartungen der von Bloomberg befragten Volkswirte (Median: 0,0 %) getroffen und unsere Prognose eines Anstiegs um 0,1 % qoq leicht unterschritten. Das Vorjahresniveau wird kalender- und saisonbereinigt um 0,6 % übertroffen. Bei Berücksichtigung der im Vergleich zum Vorjahr zusätzlichen zwei Arbeitstage lag das Bruttoinlandsprodukt um 1,5 % über seinem Vorjahresniveau.

2. Heute wurde nur die Veränderungsrate des Bruttoinlandsprodukts veröffentlicht, die Details, die Auskunft über die Zusammensetzung der Wirtschaftsleistung geben, werden erst in zwölf Tagen bekannt gegeben. Doch es zeichnen sich schon heute wichtige Tendenzen ab.

- Die Bauinvestitionen trugen spürbar zum Wachstum im zweiten Quartal bei. Dies Plus ist aber letztlich nur ein Rückprall auf den witterungsbedingten Einbruch im ersten Quartal um 3,9 % qoq. Der Anstieg im zweiten Quartal wird aber nicht den Rückgang kompensieren können. Zum einen ist die Grundtendenz in der Bauwirtschaft weiter abwärts gerichtet, zum anderen sorgte im ersten Quartal vor allem der Witterungsumschwung zum milden Schlussquartal 2004 für den starken Rückgang. So stieg auch die Bauproduktion im zweiten Quartal nur um 2,2 % qoq, nachdem sie im ersten Quartal um 8,4 % qoq zurückgegangen war.

- Die Ausrüstungsinvestitionen nahmen nur geringfügig langsamer zu als im ersten Quartal. Noch immer scheuen die Unternehmen Investitionen in die Erweiterung der Kapazitäten. Zu ungewiss waren die Absatzperspektiven in Zeiten sinkender weltwirtschaftlicher Indikatoren und schwacher Prognosen für die Konsumentwicklung und zu hoch die noch unausgelasteten Kapazitäten. Selbst die guten Finanzierungsbedingungen konnten daran nichts ändern. Somit wurde wohl lediglich in den Ersatz veralteter Maschinen und in Rationalisierungen investiert. In einem solchen Umfeld sind Zuwachsraten von 2 % qoq, so hoch waren die durchschnittlichen Zunahmen (unter Vernachlässigung von Schrumpfungsraten!) seit 1991, nicht realisierbar.

- Die privaten Konsumausgaben stagnierten bestenfalls. Die Einzelhandelsumsätze, die im zweiten Quartal um 0,5 % qoq gefallen waren, deuten sogar einen leichten Rückgang hin. Nachdem im ersten Quartal bei der Anzahl der Arbeitslosen die magische 5-Millionenmarke gerissen worden war und die Energiepreise im zweiten Quartal spürbar zulegten, ist es nicht verwunderlich, dass die Haushalte ihre Konsumzurückhaltung bislang noch nicht aufgegeben haben.

- Die Exporte entwickelten sich nach dem starken ersten Quartal auch im zweiten Quartal noch vergleichsweise kräftig, wenngleich schwächer als im ersten Quartal. Die Wachstumsverlangsamung bei den Exporten hatten die globalen Frühindikatoren aber rechtzeitig angekündigt. Gleichzeitig legten die Importe kräftig zu, sodass der Wachstumsbeitrag der Nettoexporte negativ war.

- Die Lagerinvestitionen dürften ebenfalls zugelegt haben. Ihr Wachstumsbeitrag schwankte in den letzten Jahren mit den Importen, und diese haben zugelegt. Die Erklärung liegt darin begründet, dass Importe, insbesondere wenn es sich um Vorprodukte und Rohstoffe für den Produktionsprozess handelt, oft auf Lager gekauft werden, und dies besonders wenn mit einem weiteren Preisanstieg für diese Vorleistungen gerechnet wird.

3. Fügt man alles zusammen, so sind drei Dinge bemerkenswert: Erstens erfüllte Deutschland durch die Abwärtsrevisionen des dritten Quartals 2004 formal die Bedingungen für eine Rezession: Zwei Quartale einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung bei Unterauslastung der gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten. Da die Schrumpfung gering war (jeweils -0,1 % qoq) handelte es sich aber lediglich um ein „Rezessiönchen“. Immerhin aber durchlief Deutschland damit innerhalb von zwei Jahren zwei Rezessionen. Zweitens führen die Abwärtsrevisionen des ersten Quartals 2005 und des dritten Quartals 2004 dazu, dass die Jahresprognose 2005 für sich genommen um rund ¼ Prozentpunkt nach unten revidiert werden müsste. Drittens hat sich der Ausblick auf das zweite Halbjahr aufgehellt, dank des Schwungs, den die Industrie aus dem zweiten Quartal in das dritte mitnimmt, dank der sich aufhellenden Exportperspektiven und der größeren Zuversicht der Unternehmen. Das zweite Halbjahr könnte sogar positiv überraschen. Wichtige Informationen werden wir aber noch aus der Veröffentlichung der Detaildaten am 23. August erhalten. Wir nehmen daher unsere Prognose für das Wachstum in diesem Jahr zunächst nur auf 0,7 % zurück.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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