Kommentar
09:35 Uhr, 04.01.2013

Wird gegen Goldanstiege interveniert?

Erwähnte Instrumente

  • Gold
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    Aktueller Kursstand:   (JFD Brokers)
  • Silber
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    Aktueller Kursstand:   (JFD Brokers)

Haben Sie das auch mitbekommen? Wenn Sie in den letzten Wochen des alten Jahres morgens die Kurse von Gold abgerufen haben, kamen Sie nicht umhin festzustellen, dass der Kurs einfach an einigen Tagen deutlich unter seinem Vortagesschlusskurs eröffnete. Manchmal betrugen die Sprünge zehn, manchmal zwanzig Dollar. So richtige Nachrichten, die das gerechtfertigt hätten, gab es eigentlich nicht. Vielmehr noch: Wir werden gerade Zeuge, wie die Notenbanken ihre Liquiditätsschleusen so weit öffnen, wie wir uns das vor ein zwei Jahren niemals hätten vorstellen können.

Das Wall Street Journal will erfahren haben, dass in der Zeit, wo es zu diesen Abwärtskurslücken beim Gold über Nacht gekommen war, großvolumigen Orders abgesetzt worden sind, und ausgerechnet immer dann, wenn in New York Mitternacht war, und sich die Goldhändler in Tokio gerade in die Mittagspause verabschiedet hatten. Kein Trader, der noch bei Sinnen ist, würde zu solchen Uhrzeiten verkaufen, weil er genau wüsste, dass er es sein würde, der die Kurse mit seiner Order die Klippe nach unten stoßen würde. Er würde sich schließlich ins eigene Fleisch schneiden, weil er eine weitaus schlechtere Ausführung seiner Verkaufsorder erhalten würde, als hätte er zu normalen Handelszeiten verkauft.

Viele meiner Leser kommen nicht umhin zu denken, dass da was ganz gehörig faul ist. Ich gebe Ihnen auf die Frage, die mich immer wieder erreicht, ob Gold manipuliert wird, immer wieder die Antwort, dass ich mich an das halte, was ich beweisen kann, und da tat ich mir ehrlich gesagt schwer, neben vielem schwammigem stichhaltiges zu finden. Bis zu dem Zeitpunkt, als ich auf der Edelmetallmesse Dimitri Speck kennenlernte und begann, mich näher mit dem auseinanderzusetzen, womit er sich beschäftigt. In seinem Buch „[Link "Geheime Geldpolitik" auf books.godmode-trader.de/... nicht mehr verfügbar]“ stieß ich dann auf einen wahren Fundus von zahllosen Indizien, die alle darauf hindeuten, dass es in der Vergangenheit sehr wohl eine gezielte Beeinflussung des Goldpreises durch die Zentralbanken gegeben hat.

Jochen Stanzl sprach mit Dimitri Speck über dieses Thema.

Herr Speck, beim Benzin würden wir uns glaube ich nicht weiter Gedanken machen, wenn der Preis über Nacht um 10 Cent fallen würde. Beim Gold echauffieren sich die Menschen über die bloße Möglichkeit, dass Gold manipuliert werden könnte. Warum ist das so?

Es ist keine bloße Möglichkeit, sondern es ist so, dass seit August 1993 systematisch im Goldmarkt interveniert wird. Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen Benzin und allen übrigen Verbrauchsgütern und Gold und zum Teil auch Silber. Gold und Silber sind Anlagegüter. Wenn Benzin halb so teuer wäre, würden Sie nicht weniger davon kaufen. Wenn Gold jedoch fällt, gibt es Käufer, die sich vom Markt zurückziehen. Dann wird es als Investment uninteressant. Aus diesem Grund macht es Sinn, am Goldmarkt zu intervenieren.

Sie schreiben in Ihrem Buch, dass es für die Regierungen und Zentralbanken viel leichter sei, Gold zu manipulieren, als etwa Öl. Warum ist das so?

Bei Verbrauchsgütern wie Öl erzeugt eine Senkung des Preises eine Erhöhung der Nachfrage. Daher können Verbrauchsgüter am Spotmarkt nicht dauerhaft im Preis beeinflusst werden und die Preise für Verbrauchsgüter werden am Spotmarkt gemacht. Bei Anlagegütern ist es anders: Wenn hier kein Anstieg erfolgt, ziehen sich Anleger vom Markt zurück. Daher können Interventionen am Terminmarkt bei Gold und Silber dauerhaft wirken. Wir sehen das sehr schön bei Silber: Wir hatten hier eine Periode von ungefähr 14 Monaten Länge. In dieser wurde anscheinend nicht oder nur wenig interveniert – bis Mai 2011 stieg der Silberpreis sehr stark und ich konnte keine Intraday-Anomalien statistisch nachweisen. Als er dann drohte, das Hoch bei 50 USD aus den 1980er Jahren zu überschreiten, wurden erneut Interventionen begonnen. Wie so oft wurden diese Interventionen im sehr dünnen asiatischen Handel begonnen, was zu sehr starken Rückgängen führte. Seither kann man die Interventionen wieder statistisch nachweisen und seither fällt Silber auch. Man merkt ganz klar: Gold- und Silberinterventionen sind möglich und sie sind eben auch mittel- bis langfristig möglich.

Wie funktioniert eine solche Goldpreismanipulation?

Klassisch ist der Verkauf. In den 1970er Jahre wurde dies offen getan. In den 1990er Jahren wurde diese Möglichkeit in Sitzungen der US-Notenbank diskutiert. Der Verkauf hat allerdings den Nachteil, dass das Gold dann weg ist. Das wollen auch die Zentralbanken auch nicht. Genauso wie für Privatanleger ist für Zentralbanken Gold das ultimative Zahlungsmittel. Es kommt ohne Gegenpartei aus, es kann nicht weginflationiert werden. Die Zentralbanken wollen das Gold eigentlich nicht weggeben, zumindest nicht zu viel davon. Eine Alternative zum Verkauf ist die Verleihung. Klassischerweise leihen Minen Gold, um es am Spotmarkt zu verkaufen, es können aber auch Hedgefonds Gold von Zentralbanken leihen, um Carry-Trades einzugehen, oder es sind so genannte Bullionbanken. Alle liefern bei dieser Art Geschäft das Gold zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurück. Für die Zentralbank hat das den Vorteil, dass das Gold genauso physisch auf den Markt kommt, dort verkauft wird und somit auch den Preis negativ beeinflusst und am Steigen hindert. Es könnte auch einen kleinen Erlös geben, durch den Leihzins. Außerdem muss es nicht in den Büchern publiziert werden und muss auch nicht von den Gremien abgesegnet werden. Wenn alles gut geht bekommt man das Gold dann auch irgendwann wieder zurück.

Kann man die Interventionen am Goldmarkt in Phasen aufteilen?

Die systematischen Interventionen gibt es seit August 1993. Bis Mai 2001 wurde der Preis unter 400 USD gehalten, seither wird nur noch darauf geachtet, dass der Preis nicht zu schnell steigt, etwa in Krisenzeiten. Dies würde signalisieren, dass etwas nicht in Ordnung ist, und das soll vermieden werden. Seit Mai 2001 kommt kein physisches Material mehr von den Zentralbanken auf den Markt, insofern haben sich die Mittel geändert, weil die Verkäufe, die es damals noch gab, ungefähr so groß waren wie die Rückführungen der Goldleihe. Seither dominiert ganz klar der Terminmarkt, der schockartige Interventionen erzeugt. Binnen Minuten fällt der Goldpreis dann um 20, 30 oder sogar 40 Dollar. Auf diesem Wege sollen Investoren verunsichert werden, damit sie dem Markt fernbleiben. Der Terminmarkt ist seit Mai 2001 das dominierende Mittel der Goldintervention.

Viele Leute schreiben mir: Wenn ich sicher wüsste, dass der Goldpreis manipuliert wird, dann würde ich dem Goldmarkt fern bleiben. Ist das nicht genau das, was mit den Manipulationen erreicht werden soll?

Das ist genau die beabsichtigte Reaktion. Einige Börsenbriefschreiber sagen nach solchen Interventionen, dass sie dem Markt ab sofort fernbleiben werden, weil sie ihn nicht mehr verstehen. Das ist genau das, was bezweckt werden soll.

Sind das größtenteils westliche Zentralbanken, die hier intervenieren? Wer steckt dahinter konkret?

Es gibt aus den 1990er Jahren Zitate, die darauf hindeuten, dass die Idee der Goldintervention von der US-Zentralbank ausging. Ich bin mir ziemlich sicher dass die Bundesbank seit einigen Jahren nicht mehr daran beteiligt ist den Goldpreis am Steigen zu hindern. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass die Bullionbanken, die damals über die Goldleihe mit ins Spiel kamen, aktuell für die schockartigen Kursrückgänge hauptzuständig sind. Das sind private Institute, die das mit der Billigung und im Auftrag der Zentralbank machen. Ich denke es sind einige wenige westliche Zentralbanken, die aktuell dafür sorgen, dass der Goldpreis nicht zu sehr steigt. Im Vergleich zu damals allerdings, wo wir aus Mitschnitten von Sitzungen der Zentralbanken sagen können, wer verantwortlich war, gibt es heute nichts mehr, wo wir konkret sagen könnten, wer denn konkret verantwortlich ist.

1000 Tonnen Gold werden die Chinesen in diesem Jahr wahrscheinlich importieren, Indien nimmt 1000 Tonnen auf. Damit gehen drei Viertel der weltweiten Goldminenproduktion nach Asien. Verlagert sich da nicht die Preismacht von den westlichen Zentralbanken immer mehr nach Osten?

Man muss diese Zahlen relativieren. Man darf sie nicht gegenüber der Produktion, sondern gegenüber dem Bestand sehen. Wenn wir ungefähr 170.000 Tonnen an Goldbestand haben, heißt dass, dass durch einen Preisanstieg auch wieder mehr Gold in den Markt kommen kann. Die Zentralbanken ändern auch immer wieder ihre Auffassung. Für eine gewisse Zeit sagten sie, wir halten daran fest, dann haben sie auch mal gegenteilige Signale Ende der 1990er Jahre gegeben. Sie werden den Goldpreis auch mal wieder steigen lassen, weil sie verhindern wollen, ihr gesamtes Gold in den Markt zu geben. So ungeschickt werden sie nicht sein. Die Interventionen werden auch mal aufhören. Solange Gold als die Währung angesehen wird, die der Markt hervorbrächte, würde es kein Kreditgeld mehr geben, solange wird Gold auch als politisches Metall angesehen werden. Insofern ist es kein normales Verbrauchsgut, oder wird nicht als solches angesehen. Deshalb wird es immer unter Beobachtung von Zentralbanken stehen.

Die Zentralbanken haben ja unterschiedliche Interessen, oder? China meldete vor ein paar Jahren, seinen Goldbestand deutlich erhöht zu haben, auch Südkorea und andere Zentralbanken kaufen. Denen kann das ja nur Recht sein, dass andere Zentralbanken daran interessiert sind, dass Gold nicht zu arg steigt. So können sie sich noch günstig einkaufen. Wie sehen Sie das?

Die Asiaten sind tendenziell auf der Käuferseite. Sie haben allerdings in der Vergangenheit sehr hohe Devisenreserven angehäuft. Das ist nicht nur in China der Fall, sondern auch in Japan, Taiwan, Indien und in der arabischen Welt. Die Reserven sind in Relation zu den Goldbeständen weiterhin sehr hoch. Es ist überhaupt nicht möglich, die zum aktuellen Preis in Gold zu wandeln. Dafür müsste der Goldpreis deutlich höher stehen. Die Chinesen können hier bestenfalls ein bisschen diversifizieren. Die Chinesen sind deshalb auch dabei, in andere reale Güter zu investieren, weil der Goldmarkt für diese Unmengen von Reserven viel zu eng ist.

Es wird den Chinesen also nicht gelingen, auf Sicht von den nächsten drei, vier Jahren hier große Veränderungen herbeizuführen?

Nein, die Chinesen sind auch aus Eigeninteresse nicht unbedingt gegenteiliger Auffassung wie der Westen oder die USA, weil sie so große Devisenreserven haben, haben sie auch das Interesse, dass diese wertbeständig bleiben und sie haben natürlich auch das Interesse, dass der Handel weitergeht. Man kann nicht erwarten, dass die alle Dollars verkaufen und die in Gold tauschen, das wird eher nicht der Fall sein.

Herr Speck, vielen Dank für das Gespräch. Das volle Interview finden Sie als Video unter diesem Link:

Dimitri Speck, Chief Financial Engineer bei Staedel Hanseatic, über die Manipulation des Goldpreises durch die weltweiten Zentralbanken.

Das Buch "Geheime Geldpolitik" (ISBN 978-3-89879-514-2) von Dimitri Speck finden Sie hier:

[Link "http://books.godmode-trader.de/shop/article/2349-geheime-goldpolitik/" auf books.godmode-trader.de/... nicht mehr verfügbar]

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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