Kommentar
07:12 Uhr, 29.08.2016

Wieso Zinspolitik immer schwieriger wird

Mit jeder Anleihe, die die Notenbanken kaufen, wird die Zinspolitik schwieriger. Janet Yellen erklärt, weshalb das so ist.

In Jackson Hole hielt Janet Yellen eine Rede, in der sie zwar auch auf das Tagesgeschehen einging, doch das war nicht Ziel ihres Auftritts. Vielmehr wollte sie eine Bestandsaufnahme dessen machen, was die Notenbank geldpolitisch tun kann und was nicht.

Die Zeit vor der Finanzkrise war, kurz zusammengefasst, super. Geld- und Zinspolitik war einfach. Das lag daran, dass die Notenbank die kurzfristigen Zinsen ohne großen Aufwand kontrollieren konnte. Nach Yellens Angaben befanden sich lediglich 45 Mrd. an Überschussreserven im Bankensektor.

Überschussreserven wurden in der Vergangenheit im Interbankenmarkt benutzt. Hatte eine Bank zu wenig Reserven, konnte sie die Lücke füllen, indem sie sich von einer anderen Bank mit Überschussreserven Reserven lieh. Wollte die Fed in diesem System die Zinsen anheben, konnte sie das ohne Probleme tun – und vor allem auch durchsetzen. Durch Wertpapierverkäufe konnte sie die Reserven im System verknappen. Um 45 Mrd. abzuschöpfen braucht es nicht viel. Der Einfluss auf die Zinsen war also mit geringen Mitteln gesichert.

So erklärt sich auch, weshalb die Notenbankbilanz vor der Finanzkrise relativ klein war. Die Fed kam mit einer Bilanzsumme von weniger als 900 Mrd. zurecht.

Diese Zeiten sind vorbei und Zinspolitik ist deutlich komplizierter geworden. Mit dem Beginn der Finanzkrise, noch vor den QE-Programmen, kreierte die Notenbank über zahlreiche Programme zusätzliche Reserven. Dies war notwendig geworden, da der Interbankenmarkt zu stottern begann. Spätestens nach der Pleite von Bear Sterns wurde es eng. Die Notenbank musste einspringen, um ausreichend Liquidität im System zu halten.

Die Überschussreserven stiegen rasch an. Wenn übermäßig hohe Reserven vorhanden sind und Banken über hohe Reservepuffer verfügen, dann kann die Notenbank die Zinsen nicht mehr so einfach kontrollieren, weil sie die Menge an Reserven nicht mehr einfach und schnell verändern kann. Es ist das eine, 45 Mrd. an Reserven zu verkleinern oder aufzustocken und das andere, 1 Billionen Dollar abzuschöpfen.

Yellen gibt zu, dass die Menge an Reserven im System Ende 2008 so groß war, dass die Notenbank die Zinsen nicht mehr effektiv kontrollieren konnte. Die Notenbank wollte 2008 die Zinsen nicht gerade anheben, daher fiel das Ganze nicht auf. Hätte sie die Zinsen jedoch anheben wollen, hätte sie es ohne neue Instrumente nicht tun können, da zu viele Reserven im System waren.

Heute hat die Fed ein Instrument ,mit dem sie trotz der massiven Überschussreserven die Zinsen kontrollieren kann. Sie kann Banken Zinsen auf ihre Reserven zahlen. Das war zuvor nicht möglich. Der Kongress bewilligte den Vorschlag 2006. Eine Implementierung war 2011 vorgesehen. Der Zeitplan wurde jedoch vorverlegt.

Heute kontrolliert die Fed die Zinsen, indem sie einen Zinsboden im Markt einzieht. Dies tut sie, indem sie auf Reserven der Banken den Minimumzins zahlt, den sie haben möchte. Würde sie das nicht tun, könnten Banken ihre Reserven zu geringeren Zinsen verleihen und so Zinsanhebungen konterkarieren.

Nun können in einem Markt nicht nur Banken Geld verleihen, sondern auch andere Institutionen, die keine Banken sind, aber große Geldmengen zur Verfügung haben. Dazu gehören etwa Geldmarktfonds. Damit Geldmarktfonds nicht zu tieferen Zinsen Geld verleihen als von der Fed gewünscht, hat sie Reverse Repurchase Agreements eingeführt. Dabei verleiht die Fed Anleihen z.B. an Geldmarktfonds und erhält dafür die überschüssige Liquidität. Auf diese wird den Minimumzins gezahlt, sodass auch Geldmarktfonds keinen Anreiz haben, den von der Fed vorgesehenen Boden zu unterschreiten.

Bis vor kurzem war dieses Vorgehen noch unbedeutend, da die Zinsen bis vor kurzem nicht steigen sollten. Vielmehr hätte die Notenbank nach 2008 negative Zinsen durchsetzen müssen, um schnell genug für ausreichende gelpolitische Lockerung zu sorgen. Damals galten Zinsen im negativen Bereich noch als unmöglich. Immerhin konnte die Notenbank durch ihre Forward Guidance und die Anleihekaufprogramme die langfristigen Zinsen weiter senken und so die gesamte Zinskurve nach unten drücken.

Bevor die Notenbank die Zinsen das nächste Mal senken muss, will sie die Zinsen weiter erhöhen. Yellen geht dabei auch darauf ein, weshalb zuerst die Zinsen angehoben werden und nicht einfach die Notenbankbilanz verkleinert wird. Sie drückt es zweifellos schöner aus, doch im Kern sagt sie: Die Notenbank hatte Angst vor einer Bilanzverkleinerung. Die Notenbank hat Erfahrung mit Zinsänderungen, nicht aber mit einer großangelegten Bilanzverkleinerung. Sie fürchtete sich vor Marktverwerfungen.

Persönlich gehe ich nicht davon aus, dass die Notenbank ihre Bilanz jemals substantiell verkleinern wird. Das hat schon seit der Gründung der Fed in ihrer heutigen Form vor gut 100 Jahren nicht funktioniert. Es wäre das erste Mal, dass ihr so etwas gelingt. In der Zukunft gibt es daher fast nur eine Perspektive: Die Bilanz immer weiter und weiter ausdehnen.

Der nächste Abschwung kommt bestimmt und die Notenbank wird diesem wohl anders begegnen als den letzten. Die Zinsen dürften kaum über 2-3 % steigen, bevor es zu einer Rezession kommt. Die Möglichkeit, die Wirtschaft durch Zinssenkungen zu stimulieren, sind begrenzt. Die Fed ist vermutlich auch zu optimistisch, wenn sie ein Zinsniveau von 3 % erwartet, bevor es zur nächsten Rezession kommt. Möglicherweise kann sie die Zinsen nur von 1 % auf 0 % senken.

Das scheint der Notenbank wenig Sorgen zu bereiten. Sie geht davon aus, dass sie trotz der Nullzinsgrenze durch einen Zinssatz von 0 %, Wertpapierkäufen und Forward Guidance ähnlich gute Effekte erzielen kann wie mit einem stark negativen Zinssatz. Die Notenbank schätzt, dass sie in einem solchen Fall zusätzlich Wertpapiere für 2 Billionen Dollar kaufen müsste.

Die Notenbank geht in diesem Szenario davon aus, dass der Zins bei 3 % steht. Steht er bei lediglich einem Prozent, so müssten die Wertpapierkäufe größer ausfallen. Um das zu bewerkstelligen, könnten auch andere Wertpapiere als zuletzt (Staatsanleihen, Morgage Backed Securities) gekauft werden.

Yellen betont, dass die Notenbank auf eine Rezession reagieren kann. Dennoch betont sie auch die Bedeutung von Fiskalpolitik. In einer schweren Rezession kann es die Notenbank wahrscheinlich nicht alleine richten, vor allem nicht, wenn die Zinsen permanent so niedrig sind.

Clemens Schmale

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  • tourguide
    tourguide

    Dazu kann man nur eins sagen! Das Notenbanken überhaupt Unternehmensanleihen kaufen können ist ein Witz! Sie schöpfen das Geld, die Staaten werden verschuldet und die Zantralbanken werden die Eigentümer an physischen Werten. Das ist organisierte Kriminalität. Da kann man versuchen Erklärungen zu finden wie man will, so wird man immer nur mehr Geld benötigen um den Anschein zu wahren. Eine Lösung ist das nicht. Das Geld ist einfach nur schlecht verteilt. Wo das Geld im hohen Maß vorhanden ist, wird nur noch in den Kapitalmarkt investiert, weil man hier weiß dass man es ohne großes Risiko schnell wieder raus bekommt. Steckt es allerdings wie es sich gehören würde in Unternehmen( und zwar als Risikokapital) dann würde es anders aussehen. Und bei den Unternehmen sind nicht die Monopolkonzerne gemeint, sondern ordentliche mittelständische Unternehmen. Monopol macht den Markt kaputt, das wussten schon unsere Großväter!

    22:24 Uhr, 29.08. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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