Kommentar
15:20 Uhr, 09.05.2023

Wieso enttäuscht Chinas Wirtschaftscomeback?

Lange hat die Welt auf ein Ende der Null-Covid-Politik gewartet. Der Wachstumsschub hätte der ganzen Welt helfen sollen. Tut er aber nicht.

Chinas Wirtschaft konnte im ersten Quartal stärker wachsen als erwartet. Gegenüber dem Vorjahr wuchs die Wirtschaft um 4,5 %. Der Industrie war das nicht zu verdanken, auch nicht Investitionen. Investitionen in Sachanlagen befinden sich nach einem kurzen Rebound vor anderthalb Jahren wieder im langen Abwärtstrend. Investitionen in Immobilien schrumpfen nach wie vor (Grafik 1).


Ein anderer Indikator für die Wirtschaftsaktivität, der Elektrizitätsverbrauch, bleibt ebenfalls auf niedrigem Niveau. Einen großen Rebound wie Anfang 2021 gibt es nicht. Das ist unerwartet. Eigentlich hätte ein Ende der Covid-Restriktionen zu einem gigantischen Boom führen sollen. Dieser bleibt aus.

Was der Wirtschaft geholfen hat, waren zwei Dinge. Einerseits war der Konsum Anfang 2023 stark. Andererseits konnten die Exporte zulegen. Dies sagt mehr über die Stärke der Wirtschaft im Rest der Welt aus als in China. Die Importe fielen (Grafik 2). Steigen die Exporte schneller als die Importe, erhöht dies das Wirtschaftswachstum.


Der Dienstleistungssektor befindet sich noch in einem Boom. Der Einkaufsmanagerindex ist so hoch wie zuletzt 2010. Trotz dieses Booms fällt das Wachstumsbarometer wieder. Der Boom kann nicht in ein Beschäftigungswunder umgemünzt werden (Grafik 3).

In der Industrie neigt sich der Boom schon wieder dem Ende entgegen. Der Einkaufsmanagerindex fällt bereits wieder (Grafik 4). Ohne hohes Wachstum in der Industrie, hat es auch die Gesamtwirtschaft schwer. Der Konsumboom im ersten Quartal dürfte sich schnell erschöpfen. Das konnte auch in anderen Ländern nach Ende von Restriktionen beobachtet werden.

Eine mögliche Erklärung für den enttäuschenden Rebound liefern die Staatsfinanzen. Die Ausgaben wachsen mit 6 % (Grafik 5). Das ist aktuell höher als das nominale Wirtschaftswachstum. Es ist allerdings deutlich tiefer als in den Jahren vor der Pandemie. Ein großes Konjunkturprogramm gab es nicht.

Die offiziellen Staatsausgaben wuchsen jahrelang schneller als die Wirtschaft. Die Verschuldung steigt. Inoffiziell sind die Ausgaben vermutlich noch schneller gestiegen. Auf Dauer geht das nicht gut. China versucht seit 2017 das Ausgabenwachstum unter dem Wirtschaftswachstum zu halten, um die Schulden in den Griff zu bekommen.

Ohne einen Staat, der mit vollen Händen ausgibt, wird Chinas Wachstum zukünftig niedriger ausfallen. Auch der demographische Trend senkt das Wachstum. Die Bevölkerung schrumpft nicht nur, auch der Anteil der Bevölkerung, der von Beschäftigten abhängig ist (Bevölkerung, die nicht arbeitet in Relation zur arbeitenden Bevölkerung), steigt.

Steigt dieser Anteil, sinkt das Wachstum. Auch die Inflation fällt unter diesen Umständen tendenziell (Grafik 6). Weniger Wachstum und weniger Inflation machen Schulden weniger tragfähig. Chinas großes Wirtschaftswunder ist vorbei. Endgültig.

Clemens Schmale

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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