Kommentar
15:35 Uhr, 20.10.2010

Wieder erwachte Lebensgeister

Die Lebensgeister sind wieder erwacht. Die Welt befindet sich allerdings weiter im Umbruch, und die Statistiken können derzeit kaum weiterhelfen. Die Märkte haben unsere Luftblasen-These bestätigt und die Hypothese einer Double-Dip- Rezession in den Hintergrund treten lassen. Es gibt mehrere Gründe für diese Entwicklung: Die Märkte werden nicht mehr durch die US-Wirtschaft enttäuscht (der Immobilienmarkt hat sich stabilisiert, der Dienstleistungssektor ist auf dem Weg der Besserung), die Bankenaufsichtsbehörden haben ihre Forderungen zurückgeschraubt (Basel III), der europäische Stabilisierungsfonds wurde von den führenden Ratingagenturen mit AAA bewertet und, last not least, beweist der chinesische Einkaufsmanagerindex für September, dass der jüngste Rückgang der Fertigungsumsätze lediglich auf Bestandsbereinigungen zurückzuführen war. Angetrieben durch den chinesischen Import dürfte der Welthandelszyklus nach der im 3. Quartal erlittenen Abkühlung nun im 4. Quartal 2010 wieder an Fahrt gewinnen. Zudem wird ein Wachstumsrückgang in China unter 8 % durch die haushaltspolitischen Maßnahmen der chinesischen Regierung verhindert, die konsequent interveniert, um öffentliche Haushalte und Bankeinlagen für ihre ehrgeizigen Konjunkturanreizpläne zu mobilisieren. Es besteht sicherlich kein Mangel an Investitionsmöglichkeiten (rasante Urbanisierung, Öffnung des Westens, Restrukturierung und Senkung der Kohlenstoffemission in der Schwerindustrie, der Bau erschwinglicher Immobilien) und umfangreiche Spareinlagen stehen dem staatlich kontrollierten Bankensektor zur Verfügung.

Lethargische US-Politik

Im Vergleich dazu wirkt das Ergebnis der Bemühungen der US-Regierung eher mager. Präsident Obama hat mit seinen Konjunkturmaßnahmen nicht die geplante Verbesserung der Beschäftigungszahlen erreicht. Die scheinbare Resignation der Regierung angesichts der Rekordarbeitslosenzahlen dürfte dazu führen, dass die Argumente der Republikaner, die staatliche Eingriffe in die Privatwirtschaft ablehnen, auf fruchtbaren Boden fallen. Es wird schon damit gerechnet, dass bei den Zwischenwahlen im kommenden November die Republikaner die Mehrheit der Sitze im Repräsentantenhaus gewinnen. Für den Rest der bis 2012 dauernden Legislaturperiode wären die regierenden Demokraten damit auf eine Zusammenarbeit angewiesen.

Sind die Wahlen im November erst einmal vorüber, dürften die Republikaner allerdings einen pragmatischeren Ansatz verfolgen. Wir gehen daher für das kommende Jahr auch weiterhin von einer Haushaltskonsolidierung in Höhe von nur 1,2 % des BIP aus, wovon der Großteil durch die erzwungenen Sparmaßnahmen der Bundesstaaten realisiert wird. Die Auswirkungen der restriktiven Haushaltspolitik werden wahrscheinlich durch den starken Export und Produktivinvestitionen mehr als ausgeglichen, sodass die US-Wirtschaft nach einem enttäuschenden zweiten Halbjahr 2010 im Verlauf von 2011 wieder an Fahrt gewinnen und ein Wachstum von rund 2,5 % erzielen kann. Neu ist allerdings die Tatsache, dass die US-Verbraucher sich schwerpunktmäßig um die Rückzahlung ihrer Schulden kümmern werden, mit negativen Folgen für das Gesamtwachstum.

Neue Liquiditätswelle

Ein Wachstum in dieser Höhe wird für eine nachhaltige Verbesserung der Arbeitsmarktlage jedoch nicht ausreichen. Von der derzeitigen Arbeitslosenquote geht nach Ansicht der Fed ein unvertretbar hohes Deflationsrisiko aus. Trotz interner Meinungsverschiedenheiten scheint die US-Notenbank daher zu zusätzlichen Maßnahmen gegen dieses Risiko bereit. Wir gehen davon aus, dass sie im November ein neues Programm der quantitativen Lockerung ankündigen wird, das sich im Wesentlichen auf den Ankauf öffentlicher Anleihen konzentriert und monatlich entsprechend der Wirtschaftsentwicklung angepasst wird. Eine Ausdehnung dieses Programms auf weitere Assets (ABS, Kommunalobligationen) ist denkbar. Dieser neue geldpolitische Ansatz wird weltweite Auswirkungen haben. Die resultierende Abwertung des US-Dollar wird sich zwar hilfreich auf die US-Exporte und USUnternehmensgewinne auswirken, von den Handelspartnern der USA aber alles andere als begrüßt werden. Sie könnte eine reale Abwertung des chinesischen Yuan und damit auch anderer asiatischer Währungen in einer Quasi-Dollarzone zur Folge haben. Die Bank of Japan hat bereits vorbeugend Gegenmaßnahmen beschlossen und am 5. Oktober ein eigenes quantitatives Lockerungsprogramm angekündigt, ohne den Yen hierdurch erkennbar geschwächt zu haben. Angesichts der vorsichtigen Abwartehaltung der EZB könnte der Euro im Gegenzug automatisch an Wert gewinnen, was angesichts der in den Randländern der Eurozone herrschenden Krise und notwendigen Haushaltsanpassungen nicht hilfreich wäre. Zudem würde der von den Zentralbanken der Industrieländer weltweit erzeugte Liquiditätsüberschuss vor dem Hintergrund des überdurchschnittlichen Wachstums in den Schwellenländern (allen voran Asien und Brasilien) erneut in Assets und Rohstoffe der Emerging Markets fließen. Die Zentralbanken der Schwellenländer werden sich gegen die hierdurch verursachte Aufwertung ihrer Währungen durch Bildung von Fremdwährungsreserven zur Wehr setzen und diese unter Nutzung der Renditekurven in US-Dollar und Euro reinvestieren. Damit wäre der Kreis geschlossen und die weltweite Liquiditätsmaschine käme erneut in Gang. Von dieser Entwicklung könnten zwar etliche der heute unterbewerteten Assets profitieren, das Ergebnis kann aber auch ein Überschießen und die Entstehung neuer Blasen sein.

Quelle: AXA Investment Managers

AXA Investment Managers (AXA IM) ist ein Multi-Experten-Investmentmanager mit Niederlassungen in 22 Ländern, der institutionelle Investoren, Distributoren und die Versicherungsgesellschaften der AXA Group betreut. Derzeit verwaltet die Gesellschaft ein Vermögen von 524 Mrd. Euro (Stand: 30. Juni 2010).

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