Kommentar
13:29 Uhr, 20.06.2019

Wie viele Zinssenkungen wird es geben?

Die Erwartungen des Marktes und die der US-Notenbank klaffen nach dem gestrigen Zinsentscheid weit auseinander.

Mit ihrem gestrigen Zinsentscheid hat die US-Notenbank die Möglichkeit für Leitzinssenkungen im laufenden Jahr angedeutet. Doch das bedeutet noch lange nicht, dass wirklich klar ist, was bis Jahresende passieren wird.

Die Erwartungen des Marktes, dass die Fed die Zinsen senken wird, haben sich nach dem gestrigen Zinsentscheid noch einmal deutlich verstärkt. Wie das CME FedWatch Tool zeigt, wird am Terminmarkt inzwischen eine Wahrscheinlichkeit von 100 Prozent eingepreist, dass im Juli der Leitzins gesenkt wird. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 67,7 Prozent wird eine Zinssenkung um 25 Basispunkte (= 0,25 Prozentpunkte) und mit einer Wahrscheinlichkeit von 32,3 Prozent sogar eine Zinssenkung um 50 Basispunkte eingepreist.

Bis Jahresende erwartet der Markt nun im Mittel sogar Zinssenkungen um insgesamt 75 Basispunkte, wie die folgende Grafik zeigt. Dies würde zum Beispiel drei einzelnen Zinsschritten im Jahresverlauf um jeweils 25 Basispunkte entsprechen. Das Szenario, dass die Fed den Leitzins bis Jahresende nur einmal um 25 Basispunkte senkt, wird nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 5,4 Prozent eingepreist. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsen bis Jahresende gar nicht sinken werden, beträgt nach Einschätzung des Marktes sogar null Prozent.

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Doch während der Markt im Mittel drei Zinssenkungen bis Jahresende erwartet, stellt die US-Notenbank tatsächlich einen ganz anderen Zinspfad in Aussicht. Dies zeigt der berühmte "Dot Plot", der die individuellen Erwartungen der Mitglieder des Offenmarktausschusses für den Leitzins zum Ende des jeweils angegebenen Jahres abbildet.

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Wie die Grafik zeigt, erwarten bis Jahresende acht der siebzehn FOMC-Mitglieder, dass sich der Leitzins überhaupt nicht verändert. Ein weiteres Mitglied erwartet sogar, dass der Leitzins angehoben wird. Ebenfalls acht Mitglieder erwarten, dass der Zins sinkt. Von diesen acht rechnen sieben mit Zinssenkungen um insgesamt 50 Basispunkte (zwei Zinsschritte) und ein Mitglied mit einer Zinssenkung um 25 Basispunkte (ein Zinsschritt).

Auch wenn im Median aller Mitglieder eine Zinssenkung um 25 Basispunkte in Aussicht gestellt wird, ist die "Zinssenkungsfraktion" derzeit sogar weiter ganz knapp in der Minderheit. Neun FOMC-Mitglieder rechnen bis Jahresende mit einem konstanten oder gar steigenden Leitzins, acht Mitglieder mit einer Senkung. Der Markt erwartet hingegen im wahrscheinlichsten Szenario schon bis Jahresende Zinssenkungen um insgesamt 75 Basispunkte, was drei einzelnen Zinsschritten um jeweils 25 Basispunkte entsprechen würde.

Auch bis zum Ende des kommenden und des übernächsten Jahres können sich die FOMC-Mitglieder allenfalls moderate Zinssenkungen um insgesamt nur 50 Basispunkte vorstellen. Nicht wenige FOMC-Mitglieder signalisieren für 2020 und 2021 weiterhin steigende Zinsen.


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Dass die Erwartungen des Marktes und die der US-Notenbank auseinanderklaffen, ist nicht ungewöhnlich. Häufig werden diese Diskrepanzen auch dadurch aus dem Weg geräumt, dass sich die Fed den Erwartungen des Marktes annähert (und nicht umgekehrt). Trotzdem gibt es keine Garantie dafür, dass es so kommen wird. Deshalb besteht durchaus die realistische Möglichkeit, dass der Markt die Intentionen der US-Notenbank aktuell völlig missversteht.

Die "beste aller möglichen Welten" wäre für den Markt ganz sicherlich, wenn die US-Notenbank trotz weiterhin relativ stabil bleibender Konjunktur die Zinsen senken würde. Dies liegt nach dem gestrigen Zinsentscheid auch durchaus im Bereich des Möglichen.

Möglich bleiben aber auch andere Szenarien, die für den Markt weitaus negativer wären. Zum Beispiel, dass die US-Notenbank auf einen Konjunktureinbruch nur sehr zögerlich reagiert (und weitaus zögerlicher, als der Markt erwartet). Auch das ist nach dem gestrigen Zinsentscheid keineswegs ausgeschlossen. Es bleibt also spannend.


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7 Kommentare

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  • hochdietassen
    hochdietassen

    Haha, ist doch ohnehin "egal" - bis eine Senkung wirkt, dauert es. Schon interessant, wie die Börsen sich "im Kopfkino" die Welt schön oder schlecht reden und dann derart hektisch in die eine oder andere Richtung auf die Zinsentscheide reagieren... fundamentale Faktoren rücken da wiederholt ganz weit nach hinten...bis es eben nicht mehr anders geht.

    21:41 Uhr, 20.06.2019
  • Kasnapoff
    Kasnapoff
    15:05 Uhr, 20.06.2019
  • Poul
    Poul

    Ich glaube den Stimmen, die max. eine Zinssenkung dieses Jahr sehen. Aus ökonomischer Sicht ist das eh nicht nötig. Mit einer Zinssenkung wird die Administration in Weissen Haus ruhig gestellt. Das wars.

    13:56 Uhr, 20.06.2019
    1 Antwort anzeigen

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Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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