Kommentar
10:25 Uhr, 05.05.2016

Wie viel Risiko steckt in den Aktienmärkten?

„Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus…“. Diese Frühlingsgefühle zeigen die Aktienmärkte jedoch noch nicht. Den zahlreichen potenziellen Krisen scheint im vermeintlichen Aktien-Schicksalsmonat Mai eine hohe Bedeutung zuzukommen. Aber ist die aktuelle Risikoaversion gerechtfertigt? Nachfolgend werden die einzelnen Risikoparameter auf ihre Stichhaltigkeit untersucht.

Chinas Konjunktur - Die neue Sachlichkeit

Die Daten des offiziellen wie auch des vom privaten Finanzdatenanbieter Caixin veröffentlichten Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe bleiben verhalten. Immerhin, die große Angst der Anleger vor unkontrollierbaren Konjunktureinbrüchen in China mit weltwirtschaftlichen Ausstrahleffekten scheint vorbei zu sein.

Diese planwirtschaftlich mühevoll herbeigeführte Beruhigung wird die KP in China nicht leichtsinnig verspielen. Vor allem hat Peking verstanden, dass ein zumindest seitwärts laufender Aktienmarkt auch eine weniger negative Einschätzung der Konjunktur nach sich zieht. In diesem Zusammenhang ist die Aktienstützung durch die People’s Bank of China eine klare „Heilsbotschaft“. Leitbild dieser Geldpolitik ist die japanische Notenbank, die mittlerweile zu den größten Anteilseignern der im Nikkei 225 gelsteten Unternehmen gehört. In beiden Ländern hebt man damit auch den Vermögenseffekt stärker hervor: Eine allgemeine Verbesserung der Vermögenspositionen stützt über eine aufgehellte Konsumstimmung die Binnen- und schließlich auch die Weltkonjunktur.

US-Zinswende - Wer hat noch Angst vor Janet Yellen?

Die US-Wirtschaft zeigte sich im I. Quartal mit 0,5 Prozent ungewohnt wachstumsarm. Zumindest im Verarbeitenden Gewerbe sieht es auch perspektivisch nicht nach einer Aufhellung aus. Vielmehr hat hier die Stimmung gemäß ISM Index - insbesondere im Subindex Neuaufträge - zuletzt klar nachgegeben.

Für die „datenabhängige“ Fed gibt es insofern auf ihrer nächsten Sitzung am 15. Juni 2016 keinen Grund für eine Zinserhöhung. Die eine Woche später stattfindende Abstimmung über den Verbleib der Briten in der EU ist für die Fed ohnehin ein „gefundenes Fressen“, um mit Verweis auf daraus folgende Irritationen an den Finanz- und Währungsmärkten nicht noch mehr Öl in das Feuer zu gießen. Und nach der Sommerpause ist der in die heiße Phase gehende US-Präsidentschaftswahlkampf ohnehin ein historisch immer gern genutztes Alibi für zinspolitische Enthaltsamkeit. Insgesamt wäre der früheste Zinserhöhungstermin - wenn überhaupt - der Dezember 2016. Mit Blick auf die nicht rund laufende US-Volkswirtschaft ist sogar ein neuerliches Anleiheaufkaufprogramm - dann QE 4 - möglich. Zinspolitisches Ungemach droht für die Aktienmärkte insofern nicht.

Euro-Aufwertung - Es kreiste der Berg und gebar eine Maus

Angesichts der zurückhaltenden Zinsrhetorik der Fed hat der Euro seit Jahresbeginn gegenüber dem US-Dollar um knapp sechs Prozent auf zwischenzeitlich bis zu 1,16 zugelegt. Unterstützung findet diese Aufwärtsbewegung nicht zuletzt am Devisen-Terminmarkt.

Auf einer breiteren, handelsgewichteten Basis ist die Aufwärtsbewegung der Gemeinschaftswährung jedoch weit weniger stark ausgeprägt. Insbesondere gegenüber einem äußerst robusten japanischen Yen, jedoch auch im Vergleich zu Schweizer Franken und Schweden-Krone - also wichtigen Exportkonkurrenzwährungen - zeigt sich der Euro verhalten.

Insgesamt ist die Euro-Aufwertung gegenüber US-Dollar eher ein psychologischer Belastungsfaktor in den Kopfkinos der Anleger als ein fundamentales Handicap für Exportunternehmen. Überhaupt, die deutsche Industrie hat in der Vergangenheit auch mit noch viel höheren Euro-US-Dollar-Notierungen gut leben können. Wirklich entscheidend für die Exportindustrie ist das weltkonjunkturelle Umfeld.

Eurosklerose - Akut, aber…

Ohne Zweifel ist Europa weder politisch noch wirtschaftlich in guter Verfassung. Doch ist der Kelch einer Abstufung Portugals auf Junk-Status durch die kanadische Rating-Agentur DBRS an den Finanzmärkten vorübergegangen. Das BBB(low)-Rating Portugals wurde bestätigt, so dass portugiesische Staatstitel weiterhin die Voraussetzungen für Anleiheaufkäufe seitens der EZB erfüllen.

Sicherlich ist Griechenland völlig unfähig, seine Schulden zu tragen. Dennoch wird durch eine typisch europäische Schuldenkompromisslösung einerseits die Auszahlung der nächsten Kredittranche an Griechenland gesichert und andererseits die Zurückzahlung der Schulden auf unbestimmte Zeit in die Zukunft verschoben. Die große Politik dominiert die Fiskal- bzw. Stabilitätspolitik. Denn die Eindämmung der Flüchtlingskrise mit Hilfe des hierbei bedeutenden EU-Außenpostens Griechenland soll nicht durch eine Staatskrise des Landes vereitelt werden. Zudem würde eine ähnlich starke mediale Präsenz der Griechenland-Krise wie 2015 das Risiko eines Austritts der Briten aus der EU erhöhen.

Ein Gradmesser in puncto Euro-Krise ist die Entwicklung 10-jähriger Renditen von Staatsanleihen der Eurozone. Im Trend verhalten sie sich unkritisch und haben sogar zuletzt wieder nachgegeben.

Käme es zum „Brexit“ würden EZB und Bank of England in einem konzertierten Vorgehen mit noch mehr Liquidität und Währungsstützungen jedem Risiko an den Finanzmärkten entgegentreten. Ohnehin dürften sich auch die unmittelbaren wirtschaftlichen Schäden in engen Grenzen halten. Denn bis zum kompletten Vollzug des Austritts ist laut EU-Verträgen ein Zeitraum von zwei Jahren vorgesehen. Solange bliebe Großbritannien Mitglied der EU und des gemeinsamen Binnenmarkts. Ohnehin würde beim Brexit die britische Regierung ein Assoziierungsabkommen mit der EU ähnlich wie im Falle der Schweiz anstreben. So behielte Großbritannien dennoch wirtschaftlichen Zugang zum großen EU-Binnenmarkt.

Dennoch dürfen die langfristigen politischen Folgen nicht unterschätzt werden. Assoziiert heißt eben nicht Familienmitglied. Tritt ein wichtiger Partner wie Großbritannien aus, verlöre das EU-Gemeinschaftswerk an geopolitischer Bedeutung. Amerika würde versuchen, über Großbritannien noch mehr wirtschaftlichen Einfluss auf Europa auszuüben, z.B. in Fragen des Freihandelsabkommens TTIP. Auch könnte Großbritannien seinen Finanzmarkt erneut deregulieren und damit den Finanzmärkten in der „Rest-EU“ eine attraktive Alternative entgegenstellen. Mit dem Brexit verlöre auch die Marktwirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit in der EU einen starken Befürworter. Stattdessen gewänne in Europa die Staatswirtschaft mit ihrer Schuldengläubigkeit und Finanzierung durch die Geldpolitik noch mehr an Einfluss.

Nicht zuletzt könnten die Zerfallserscheinungen in Europa weiter zunehmen. Der Brexit wäre dann der erste fallende Dominostein. In vielen EU-Staaten ist die Skepsis Europa gegenüber ohnehin auf historischen Höchstständen. Und schließlich wären über politische und auch finanz- und wirtschaftspolitische Kollateralschäden früher oder später auch die Aktienmärkte Europas negativ betroffen.

Immerhin hat sich die Wahrscheinlichkeit für einen Brexit zuletzt verringert. Aktuellen offiziellen Umfragen zufolge stimmen die Briten am 23. Juni mit knapper Mehrheit gegen den Brexit. Laut den Quoten britischer Wettbüros, die schon 2014 den Ausgang des schottischen Referendums über die Abspaltung von Großbritannien richtig vorhergesagt haben, liegt die Wahrscheinlichkeit für ein „Bremain“ sogar bei rund 70 Prozent. Doch könnten angesichts des hohen Anteils unentschiedener Wähler selbst kleine politische Störfaktoren eine Trendwende im Wahlverhalten bewirken.

Aktuelle Anlegerstimmung - Krise theoretisch ja, praktisch nein

Im Vergleich zu anderen europäischen Leitindizes ist der DAX aktuell nicht teuer. Denn institutionelle Anleger haben sich zu Jahresanfang, getrieben von der Sorge um eine konjunkturelle Abkühlung in Absatzmärkten wie China, vor allem aus zyklischen Branchen zurückgezogen, wie sie in deutschen Aktienindices stark repräsentiert sind. Das große Geld ist bislang noch nicht zurückgekommen.

Unsicherheitsfaktoren wie ein möglicher Brexit können zwar bis Jahresmitte die Märkte belasten. Stabilisiert sich jedoch die Weltwirtschaft über das billige Geld weiter, bleiben Konjunkturschocks in Asien aus und können die Ölpreise ihr Niveau einigermaßen verteidigen, werden im zweiten Tertial die Gewinnrevisionen nach unten zu einem Halt kommen und allmählich nach oben drehen. Dynamik könnte hier insbesondere vor dem Hintergrund aufkommen, dass zahlreiche Unternehmen angesichts des unsicheren Marktumfelds bei ihren Prognosen zuletzt überaus vorsichtig agiert haben.

Grundsätzlich bleiben die Krisenfaktoren zwar Handicaps, die zu volatilen Aktienmärkten führen können. Historisch hohen Kursschwankungen wirkt die üppige internationale Geldpolitik jedoch als Beruhigungsmittel offenbar kräftig entgegen. Die Volatilität bleibt angesichts der im historischen Vergleich ausgeprägten Krisenfaktoren dennoch verhalten. Gemessen am aktuellen Volatilitätsniveau wäre gemäß VDAX-Volatilitätsindex für die nächsten 30 Tage mit einer Schwankungsbreite im DAX zwischen etwa 9.124 und 10.585 Punkten zu rechnen.

GRAFIK DER WOCHE

Kursschwankungen im DAX - invers dargestellt - für die nächsten 30 Handelstage gemäß VDAX Volatilitätsindex



Charttechnik DAX und Euro Stoxx 50 - Im Konsolidierungsmodus

Die charttechnische Lage hellt sich auf, wenn der DAX die Widerstände bei zunächst 9.905 und darüber bei 10.123 und 10.255 Punkten zurückerobert. Darüber wartet die nächste nennenswerte Hürde bei 10.485. Auf der Unterseite muss mit einer Ausweitung der Korrektur gerechnet werden, wenn die Unterstützung bei 9.878 Punkten durchbrochen wird. Weitere Haltelinien liegen darunter bei 9.753 und 9.498.

Im Euro Stoxx 50 liegen im Falle einer Gegenbewegung die ersten Widerstände bei 3.063 und 3.090, gefolgt von einer starken Widerstandszone zwischen 3.137 und 3.200 Punkten. Auf der Unterseite verläuft die erste Unterstützung zwischen 3.000 und 2.990 Punkten. Ein solider Auffangbereich folgt bei 2.950. Darunter werden die Unterstützungen bei 2.930 und schließlich 2.860 Punkten angesteuert.

Der Wochenausblick für die KW 19 - Die deutsche Konjunktur stabilisiert sich

In den USA haben sich die Einzelhandelsumsätze im April mit plus 0,6 Prozent nach minus 0,3 zwar stabilisiert und die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe verharren auf niedrigem Niveau. Insgesamt bleibt aber die von der University of Michigan veröffentlichte Konsumentenstimmung angeschlagen.

In der Eurozone zeigt sich das vom Finanzdatenanbieter Sentix ermittelte Investorenvertrauen erneut etwas freundlicher. In Deutschland deuten erneut freundlichere März-Zahlen zu Auftragseingängen in der Industrie, zur Industrieproduktion sowie zum Export auf eine sich stabilisierende Konjunkturentwicklung hin.

HALVERS WOCHE

Wie geht man als Anleger eigentlich mit Gold um?

Der Hund ist der beste Freund des Menschen und die Krise der beste Freund von Gold. Und Krisen gibt es genug. Der politische Konflikt des Westens mit Russland schwelt weiter. Hinzu kommt die Terrorgefahr. Daneben ist die EU in einer Beziehungskrise, die sich nur noch durch Konfliktvermeidung und Lösungsunfähigkeit auszeichnet. Was für ein Armutszeugnis für den größten Binnenmarkt der Welt, der übrigens auch arm an Mitgliedern werden könnte. Wenn Onkel David Cameron Ende Juni Good Bye zur EU sagt, ist die europäische Familie noch geschwächter. Großbritannien könnte Europa sogar mit Amerika fremdgehen. Wie will man dann noch bei den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen „TTIP“ - die intransparenter als jede Papst-Wahl ablaufen - eine geschlossene europäische Phalanx gegenüber einem souverän verhandelnden Amerika bilden.

Stabilität in Europa ist kein brüllender Löwe mehr, sondern nur noch ein Bettvorleger im Schlafzimmer von Alexis Tsipras

Der stabilitätspolitische Totalschaden der EU sollte auch nicht vergessen werden. Griechenland ist 2016 genauso bankrott wie 2015. Um die europäischen Zersetzungserscheinungen jedoch nicht weiter wie Maiglöckchen sprießen zu lassen, setzt die Troika - böse Zungen sprechen vom Trio Infernale - aus EU, EZB und IWF auf ultimative Schadensbegrenzung: Für Griechenland wird es selbstverständlich einen zwar zum Himmel stinkenden Schuldenkompromiss geben, der aber immerhin die Auszahlung des nächsten Hilfspakets sichert und die Kreditzurückzahlung auf eine Zukunft verschiebt, in der unsere EU-Politiker längst ihre Pensionen genießen. Mit dieser pragmatischen Lösungsblaupause lassen sich übrigens auch die Finanzprobleme anderer angeschlagener EU-Staaten wie Portugal, Spanien oder Italien lösen. Kein Stabilitätsproblem kann so groß sein, dass es ein Europa nicht auf seine liebenswert pragmatische Art lösen könnte.

Ab 2016 ist nicht mehr die vermeintlich stabilitätsorientierte Frau Merkel, sondern die der Verschuldung weniger orthodox gegenüberstehenden Herren Tsipras, Renzi und XXX (in Spanien wird neu gewählt) die Machtträger der Eurozone. Auch Monsieur Hollande, dem Madame Le Pen wahlpopulistisch im Nacken sitzt, wird sich - trotz der vielen netten Wangenküsschen - nicht auf die Seite der Bundeskanzlerin stellen, sondern sich für die Herrenriege entscheiden. In La Grande Nation sind Reformpolitik, staatliche Ausgabendisziplin, generell Stabilität nur dann erwünscht, wenn sie nicht wehtut. Doch da sie immer wehtun, sind sie auch nicht erwünscht.

In Europa bleibt damit eins im Gegensatz zur Rente sicher: Eine hohe Staatsverschuldung. Denn wenn die Privatwirtschaft wegen wirtschaftspolitischer Reformunfähigkeit kastriert wird, muss der Staat mit Schulden den Ersatzliebhaber spielen.

Wo keine Schuldzinsen, da auch keine Anlagezinsen

Und jetzt kommt die Geldpolitik ins Spiel. Die Staatsverschuldung wird im Wollwaschgang der EZB schön flauschig gewaschen. Mit viel Weichspüler der Marke „Liquidität“ werden die Staatsanleiherenditen solange gedrückt, bis sie keinen Finanzpolitiker mehr kratzen.

Zinsbesserung können die Notenbanken nicht mehr zulassen. Steigende Renditen machten die Finanzierung neuer Staatsschulden zum unbezahlbaren Luxus. Im Extremfall kollabiert unser auf Pump aufgebautes Finanzsystem.

Vor diesem Hintergrund ist die EZB auch gezwungen, Inflation - wenn sie irgendwann wieder kommt - nicht so zu bekämpfen, wie es eigentlich ihr Auftrag wäre. Zur Not wird man sich einen Inflationsindex zimmern, dessen Warenkorb sich aus Produkten wie Schwarz-Weiß-Fernsehern zusammensetzt, um die Illusion der Preisstabilität aufrechtzuerhalten.

Schulden machen, deren Deckel die EZB zahlt - in unserer Romanischen Schuldenunion ist Zinssparen zum Masochismus geworden. Grundsätzlich haben Zinspapiere ihren früheren Zinsvorteil gegenüber physischem Gold - das keine Jungen bekommt - verloren. Für Gold spricht nicht zuletzt das Knappheits-Argument. Während die mit Zentralbankgeld finanzierten Staatsschulden ein Weltmeer füllen könnten, passt Gold in einen Putzeimer. Und Finanz- und Geldpolitiker denken - ähnlich wie Frösche - gar nicht an die Trockenlegung der Schuldensümpfe.

Warum Gold nicht steigen darf, obwohl es fundamental steigen müsste

Grundsätzlich verfügt keine andere Anlageklasse über mehr Argumente für steigende Preise als Gold. Ohnehin weiß ich, dass so mancher offizielle „Goldhasser“ zu Hause die Fenster schließt, um das schöne deutsche Volkslied „Gold und Silber lieb ich sehr“ zu trällern. Und tatsächlich hat der Goldpreis seit Jahresanfang auf US-Dollar- und auf Euro-Basis deutlich zugenommen.

Eine weitere fundamental vollkommen gerechtfertigte, dramatische Aufwärtsbewegung von Gold, die auch die Höchstständen von 2011 mühelos hinter sich lässt, ist aber nicht zu erwarten.

Denn da steht jemand auf der Bremse. Und dieser „Jemand“ ist die Geldpolitik mit ihrem großen Plattfuß. Notenbanken sind nicht nur gute Zins-, sondern auch Meister in der Disziplin „Goldpreisdrückerei“. Das machen sie allerdings nicht selbst. Diese „Drecksarbeit“ überlassen sie „befreundeten“ Geschäftsbanken, die jedoch mit viel Zentralbankgeld den Goldpreis über die Terminmärkte möglichst in Mollstimmung versetzen. Erfolgreich ist diese Strategie allerdings nur, wenn niemand der beteiligten Banken auf physische Lieferung besteht, wenn sie bei der derivaten Wette gewonnen haben. Denn dann ginge Gold durch die Decke. Doch zur Wahrung der Illusion des billigen Goldes haben die Geschäftsbanken untereinander Geldausgleich vereinbart. Und wo kommt das Geld wohl her?

Aus Sicht der Notenbanken macht die Goldpreismanipulation viel Sinn. Denn bei ihrer Rettung des Weltfinanzsystems seit 2008 mit „Geld“ kann man keine Konkurrenzwährung „Gold“ gebrauchen, die die Wirkung der Geld-Mission ähnlich behindern würde wie alkoholfreies Bier die Stimmung auf einem Junggesellenabschied. Denn ein massiv ansteigender Goldpreis könnte dem schnöden Mammon Geld das Vertrauen entziehen und Gold als Geldscheinersatz bzw. Silber als Hartgeldersatz im Rahmen einer Tauschwirtschaft hoffähig machen. Die Notenbank als Geld-Casanova wird alles dafür tun, um leistungsstark zu bleiben.

Bei Gold zählt vor allem der langfristige Besitz, nicht die kurzfristige Rendite

Vor diesem Hintergrund wird Gold trotz zuletzt unverkennbarer Stabilisierung keine weitere massive Kursbefestigung erleben können, obwohl fundamental alles, wirklich alles dafür spricht. Dem Goldpreis sind oberhalb von 1.300 US-Dollar je Unze enge Grenzen gesetzt.

Na und? Ich bleibe ein großer Freund des physischen Goldes. Bei Fortsetzung der Romanischen Schuldenunion werden wir noch dankbar sein, neben Aktien und Immobilien auch das Sachkapital Gold zu besitzen. Dieses Edelmetall ist eine grundsätzlich solide Vermögensversicherung gegen finanz- und geopolitische Risiken, die gerade im systemischen Schadensfall nicht ausfällt. Gold hat alle Krisen überlebt. Es wird nie schlecht und es braucht sich vor keiner Währungsreform zu fürchten. Das halbe Schwein beim Metzger, den Sack Äpfel beim Obstbauern oder 100 Eier beim Hühnerhof wird man gegen Gold am Tag X immer noch bekommen. Gold steht über den geldwirtschaftlichen Dingen.

Die großen Staatsschulden der Vergangenheit wurden noch nie zurückgezahlt. Staatspapiere waren am Ende tatsächlich immer nur Papier. Es spricht nichts dafür, dass diese Regel zukünftig gebrochen wird. Immerhin, am Tag X kann man sich zumindest an ihrem Brennwert erwärmen.

Gold in welcher Anlageform?

Zur Absicherung gegen längerfristige Systemrisiken macht es grundsätzlich Sinn, auch bei der konkreten Anlageform auf Nummer Sicher zu gehen, also die physische Form von Gold zu wählen. Physisches Gold heißt für mich, vor allem maximal die handliche 1-Unzen-Form zu wählen. Denn wie will man mit z.B. einem Kilo Gold Güter des alltäglichen Bedarfs bezahlen? Will man immer die Metallreibe bei sich tragen? Auch bei der Verwahrstätte geht es um Sicherheit. Dieser Ort sollte mit nicht allzu großen Anstrengungen erreichbar sein. Wenn es hart auf hart kommt, könnten Lagerstätten im Ausland politisch schwer zugänglich werden.

Physisches Gold ist m.E. auch gegenüber Goldminenaktien im Vorteil. Denn bei ihnen kommen die typischen Risiken einer Aktie hinzu: Arbeitet das Unternehmensmanagement effizient? Betreibt es eine vernünftige Förderpolitik? Zu welchen Goldpreisen hat es sich abgesichert? Gibt es standortpolitische Handicaps wie z.B. Streiks oder politische Unruhen?

Daneben kann man natürlich auf Trading-Ebene auf den kurzfristigen Preis von Gold spekulieren. Hierzu bietet die Finanzindustrie viele Produkte an, die die Wertentwicklung des Goldes 1 zu 1 nachbilden oder hebeln oder absichern, ohne die für physische Produkte höheren Aufschläge auf den Kaufpreis bezahlen zu müssen.

Was den Notenbanken recht ist, sollte uns billig sein

Und wenn man Gold gegenüber immer noch skeptisch ist, hilft vielleicht der Blick auf das Anlageverhalten der Notenbanken. Ähnlich wie Eichhörnchen Haselnüsse bunkern, bauen sie ihre Goldbestände seit 2008 wieder deutlich auf. Haben Sie selbst kein großes Vertrauen in ihre Rettungsmission? Haben sie Sorge vor den real existierenden Problemen unserer Finanzwelt?

Kopieren wir doch einfach die Anlagepolitik der Notenbanken und laben uns an den „deflationären“ Goldpreisen. Gegen einen Anteil in Gold von etwa 10 Prozent des liquiden Vermögens ist nichts einzuwenden.

Von den Notenbanken lernen, heißt für uns Anleger siegen lernen!

VOLKSWIRTSCHAFTLICHE PROGNOSEN AUF EINEN BLICK

KAPITALMARKT AUF EINEN BLICK

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

2 Kommentare

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  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Wieder ein super Beitrag ... - ich lese Ihre immer gerne ...

    07:53 Uhr, 06.05. 2016
  • Austrochris
    Austrochris

    Sehr guter Artikel Herr Halver ! Mann muss Gold und Silber nüchtern sehen und zugreifen wenn die Zentralbanken weiter den Preis unter halten . Bis 2020 wird's allerdings zu einer Explosion der Edelmetalle kommen die den Preis bis auf 10 000 Dollar treiben könnte !!

    Silber halte ich persönlich für noch besser da die Gold Silber Ratio lachhaft ist und Silber zusätzlich in den nächsten Jahren in der Solarindustrie eine Schlüsselrolle spielen wird .

    Kann nur jedem raten monatlich physisch als Ansparer zu kaufen und froh sein wenn der Preis noch unter 1300 Dollar bleibt bzw 20 Dollar beim Silber .

    18:15 Uhr, 05.05. 2016