Kommentar
13:57 Uhr, 14.11.2014

Wie verhindert man ein verlorenes europäisches Jahrzehnt?

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Das weltwirtschaftliche Bild zeigt sich insgesamt freundlich. Setzt man die vom ifo Institut ermittelte Einschätzung der Geschäftslage und der -erwartungen des weltweiten Verarbeitenden Gewerbes für das IV. Quartal 2014 zueinander in Bezug, so befindet sich die Weltwirtschaft auf Stimmungsebene immerhin noch knapp in der Boomphase. Der Rückgang der Geschäftserwartungen ist vor allem auf die eingetrübte Stimmung in den vom Ukraine-Konflikt unmittelbar betroffenen GUS-Staaten zurückzuführen, deren Negativeffekte auch auf Europa ausstrahlen.

Dagegen zeigen sich die Konjunkturperspektiven in den USA und in Asien stabil. Zwar bringt in China der Übergangsprozess von Investitions- und Exportdominanz hin zu einer deutlich stärker binnenkonjunkturell ausgerichteten Wirtschaftspolitik vorübergehend konjunkturelle Reibungsverluste mit sich. Am Ende steht jedoch ein nachhaltiger, wenn auch weniger dynamischer Wachstumspfad.

Dagegen fordert die reformrenitente Wirtschaftspolitik in der Mehrzahl der Euro-Länder ihren Tribut: Mit einem Minimalwachstum von 0,2 Prozent im III. Quartal bleibt die Eurozone ein wirtschaftliches Sorgenkind. Auch Deutschland konnte soeben eine technische Rezession verhindern. Setzt man die vom ifo Institut ermittelte Einschätzung der Geschäftslage und der -erwartungen des weltweiten Verarbeitenden Gewerbes der Eurozone für das IV. Quartal 2014 zueinander in Beziehung, ist die Volkswirtschaft der Eurozone deutlich von der Boom- in die Aufschwungszone zurückgefallen. Bei Fortsetzung dieser Abschwächungsdynamik ist der Rückfall in den rezessiven Bereich nicht ausgeschlossen.

GRAFIK DER WOCHE

ifo Konjunkturmatrix für die Eurozone

Als Gegenmaßnahme zeichnet sich in der Eurozone bereits eine erhöhte Schuldenaufnahme ab. Die Angst, dass nach den konjunkturellen die sozialen Probleme und Sezessionsbestrebungen wie in Katalonien überhand nehmen könnten, ist groß. Auch der IWF verleiht dieser grundsätzlich instabilen Politik die höheren Weihen, indem er in der Eurozone höhere Staatsschuldenquoten zur Wirtschaftsleistung gut heißt.

Unter der Bedingung, dass die Bilanzsumme der EZB nicht auf das gewünschte Niveau steigt und/oder die Inflationserwartungen erneut fallen, wird die Notenbank sich nicht scheuen, im Frühjahr mit Aufkäufen von Staatspapieren zu beginnen. Über eine großzügige Liquiditätsausweitung und zugleich günstige Staatsanleihenrenditen ist die Basis für eine erhöhte Staatsneuverschuldung gelegt.

Deutschland hat eine tragende Rolle für die Euro-Wirtschaft

Vor dem Hintergrund des konjunkturellen Siechtums in der Eurozone hat die Bundesregierung jetzt eine wunderbare Gelegenheit des Entgegensteuerns. Würde sie ihre öffentlichen Investitionen drastisch erhöhen, schlüge sie zwei Fliegen mit einer Klappe. Einerseits profitierten über Industrie- und Bauaufträge auch die anderen Euro-Länder. Andererseits kämen diese Investitionen der deutschen Infrastruktur zugute, die ihren untadeligen Status längst verloren hat. Die Infrastruktur mit Brücken, Straßen, Stromtrassen, aber ebenso Forschung und Entwicklung und Bildung sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Bundesfinanzminister Schäuble hat zwar ein Investitionsprogramm über 10 Mrd. Euro zwischen 2016 und 2018 angekündigt. Doch mit einem Anteil an der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung von 0,5 Prozent ist dies nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Zu den aktuell günstigsten Verschuldungszinsen aller Zeiten könnten mühelos Investitionsprogramme im dreistelligen Milliardenbereich finanziert werden, die den deutschen Wirtschaftsstandort zurück an die Weltspitze bringen. Und mit nichts weniger kann sich Deutschland als eine der weltweit führenden Export- und Industrienationen zufrieden geben. Das sture, kleinkarierte Beharren auf einer schwarzen Null im Fiskaljahr 2015 nimmt der deutschen Volkswirtschaft viel Wachstumspotenzial ab, das es erst ermöglicht, eine nachhaltig solide Haushaltsführung zu betreiben. Sich um jeden Preis kaputtsparen zu wollen, schadet dem deutschen Wirtschaftsstandort.

Euro - Abschwächung als Export-Katalysator

Neben der stabilen Weltwirtschaft kommt die Exportwirtschaft der Eurozone immerhin in den Genuss eines sich abschwächenden Euros. Aufgrund der Gegenläufigkeit der Geldpolitik in den USA und der Eurozone - erwartete Leitzinserhöhungen der Fed ab 2015 und keine weitere Liquiditätszuführung in den USA gegenüber den in der nächsten Woche beginnenden Aufkäufen kreditbesicherter Wertpapiere der EZB - befindet sich der Euro in einer anhaltenden Abwertungsphase. Dies macht den Euro zu einer attraktiven Carry Trade-Währung: Internationale Finanzanleger verschulden sich zinsgünstig in einem sich gleichzeitig verbilligenden Euro und legen diese Finanzmittel dann weltweit in höher rentierlichen Währungen an, was den Abwertungsprozess des Euros wiederum beschleunigt.

Mit deutlich negativen Netto-Long-Positionen wird am Devisenterminmarkt aktuell so stark auf eine Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar spekuliert wie zuletzt im Juli 2012. Von einem Jahreshoch des Wechselkurses von 1,38 hat der Euro auf aktuell 1,24 nachgegeben. Das Nebenprodukt der freizügigen Geldpolitik Mario Draghis verfehlt seine Wirkung offensichtlich nicht.

Es gibt keine Energiekrisen mehr

Massive Entspannungsmomente für die Wirtschaft kommen von den Rohstoffmärkten. Zwar führt die aktuelle Euro-Abschwächung zu einer Verteuerung der in US-Dollar notierten Rohstoffe. Doch dieser Effekt wird von den zuletzt grundsätzlich schwachen Preisentwicklungen überkompensiert. Sicherlich zeigen sich konjunktursensitive Industriemetalle von ihrer Schwäche zu Jahresbeginn deutlich erholt. Jedoch sind die Preise bei Energierohstoffen - insbesondere Rohöl - im Trend seit September abwärtsgerichtet. Insgesamt fehlen die Zutaten für eine Energie-Krise: Russland liefert zur Stützung seines Staatshaushalts und seiner rezessiven Wirtschaft weiterhin Gas nach Europa. Ebenso ist die internationale Ölversorgung nicht in Gefahr. So sorgt ein Überangebot u.a. aufgrund der (Schiefer-) Ölproduktion in den USA für fallende Rohölpreise. Aber auch die OPEC-Staaten signalisieren im Vorfeld ihrer Sitzung in zwei Wochen noch keine Produktionsverknappung. Die Wahrung ihrer Marktanteile und ihrer Staatseinnahmen zwingt sie zur Aufrechterhaltung einer hohen Förderquote. Rohöl der Sorte Brent ist seit Jahresbeginn trotz Euro-Abwertung um 20 Prozent gefallen.

Fallende Rohölpreise treffen dabei auf unverändert hohe Explorations- und Förderkosten von Öl- und Gasunternehmen, was sich in einer schlechten Performance europäischer Rohölaktien zum Gesamtmarkt - auf Basis MSCI Europe - niederschlägt. Diese Branche ist aktuell nicht zu empfehlen.

Deutsche Berichtsaison überzeugt mit freundlichen Ausblicken

Im Rahmen der endenden deutschen Berichtsaison für das III. Quartal 2014 konnten laut einer Bloomberg-Umfrage 53 Prozent der berichtenden DAX-Konzerne in punkto Gewinn überraschen. Überraschend stimmen die Ausblicke positiv.

Henkel hebt aufgrund solider Geschäfte in Europa sowie den Schwellenländern seinen Ausblick an. Auch für das Geschäft in Russland und dem Nahen Osten zeigt man sich vorsichtig optimistisch. Merck hält an seinem positiven Jahresausblick fest. K+S profitiert von einer robusten Nachfrage und der Erholung der Durchschnittspreise im Geschäft mit Kali- und Magnesiumprodukten und hebt ebenfalls seine Jahresgewinnprognose um 12 Prozent an. Die Deutsche Post zeigt sich hinsichtlich eines erwartet starken Paket- und Expressgeschäfts im Weihnachtsquartal zuversichtlich. Im Gegensatz dazu leiden die Energieversorger E.ON und RWE weiterhin unter sinkenden Großhandelspreisen in Folge der deutschen Energiewende. Zudem bekommt das Unternehmen die Rubel-Schwäche im wichtigen Russland-Geschäft zu spüren. Der Ausblick verspricht vorerst keine Besserung.

Aktuelle Marktlage und Anlegerstimmung

Der Live-Ticker in punkto Ebola, IS-Terror und Ukraine-Krise bestimmt nicht mehr schwerpunktmäßig die Stimmung an den Finanzmärkten. Darauf gegründete Zwischenkonsolidierungen der Aktienmärkte sind jedoch einzukalkulieren. Im grundsätzlichen Mittelpunkt des Anlegerinteresses steht die weitere Entwicklung der Konjunktur. Diese ist zwar angeschlagen, doch wird aufgrund der wirtschaftsstützenden Schuldenpolitik mit einer Stabilisierung gerechnet.

Nicht zuletzt bleibt das geldpolitische Umfeld aktienfreundlich. Das liegt auch an der Bank of England, die aufgrund ihrer zuletzt gesenkten Inflationsprojektionen vorerst keine Zinswende plant. Und während die Bank of Japan ihre Liquiditätsausweitung bereits betreibt, wird die EZB in der nächsten Woche damit beginnen. In den USA hatte bereits die Liquiditätsausweitung der letzten Jahre eine Aktienbefestigung nach sich gezogen.

Auch die geplante Liquiditätsoffensive der EZB wird für den europäischen bzw. den deutschen Aktienindex mindestens einen Aktieneinbruch verhindern.

Dabei ist üppige Geldpolitik an sich nicht mehr der eigentliche Treiber der Aktienmärkte. Geldpolitik wird mehr und mehr als Instrument zur zinsgünstigen Konjunkturbefestigung betrachtet, die die Aktienmärkte fundamental stützt. Die (Geld-)Politik arbeitet daran, ein verlorenes europäisches Jahrzehnt zu verhindern. Die dazu ergriffenen Mittel haben zwar oft genug mit Stabilität nichts zu tun, aber den Aktienmärkten ist damit geholfen. Insgesamt sind die Aktienchancen größer als die -risiken.

Charttechnik

Auch die Kursschwankungen am deutschen Aktienmarkt - gemessen am VDAX New Index - zeigen sich vergleichsweise entspannt. Gemessen an ihrem niedrigen, aktuellen Volatilitätsniveau wäre für die nächsten 30 Tage mit einer Schwankungsbreite im DAX zwischen etwa 8.722 und 9.706 zu rechnen.

Aus charttechnischer Sicht liegt im DAX auf dem Weg nach oben die erste Hürde im Bereich um die 9.400 Punkte. Wird diese Marke überwunden, besteht die nächste Barriere an der 200-Tage-Linie bei derzeit 9.502 Punkten. Darüber warten starke Widerstände bei 9.600 und 9.800 Punkten.

Im Falle einer erneuten Korrektur im DAX verläuft die erste Unterstützung bereits bei 9.200 Punkten. Knapp darunter wartet eine weitere Auffanglinie bei 9.150 Punkten. Kommt es zu einer heftigeren Korrektur, sollte die Unterstützung bei 8.900 Punkten jedoch Halt geben.

Und was passiert in der KW 47?

In den USA zeugt eine solide Industrieproduktion im Oktober von der fundamentalen Stärke der US-Wirtschaft. Hierzu trägt nicht zuletzt auch die sich weiter verbessernde Situation auf dem US-Immobiliensektor u.a. gemäß starker Baubeginne und -genehmigungen bei. Der Einkaufsmanagerindex der Philadelphia Fed - ein valider Indikator für die Entwicklung der US-Industrie - deutet auf eine fortschreitende Konjunkturerholung hin. Entsprechend genau wird das Protokoll der Zinssitzung der Fed von Finanzanlegern auf mögliche Anhaltspunkte zum Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung abgeklopft.

In der Eurozone dürfte sich der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe nur knapp in expansivem Terrain stabilisieren. Während die Konjunkturstimmung in Frankreich weiterhin Sorgen bereitet, hat sich die deutsche Industrie von ihrem Ausrutscher im September erholt. Das dürfte eine Stabilisierung der vom ZEW veröffentlichten Konjunkturerwartungen bestätigen.

HALVERS WOCHE: Aktien-Crash oder Jahresend-Rallye...

…scheint im Augenblick eine der meist gestellten Fragen der Anleger zu sein. Schauen wir zuerst auf die Crash-Argumente, gerne auch als Tribut an die apokalyptischen Reiter, die in den dunklen Jahresendmonaten ja immer besonders aktiv sind. Diese Crash-Propheten wissen natürlich, dass sich gerade in dieser lesereichen Zeit ihre mit viel Dramatik gewürzte Untergangsliteratur gut verkaufen lässt, nicht zuletzt als Geschenk für unter den Tannenbaum. Pecunia non olet.

Krisen, wohin der Anleger schaut

Ja, Krisen haben wir genug. Immerhin haben Ebola und der islamistische Terror zwar aktuell an Bedeutung verloren. Aber wer will hier ernsthafte Prognosen wagen. In der diplomatischen Handhabung des geopolitischen Konflikts des Westens mit Russland erkennt man auf beiden Seiten leider immer noch die Handschrift von Neandertalern. Nach Tauwetter in den Ost-West-Beziehungen sieht das nicht aus, eher nach einem langen sibirischen Winter. Und die Sanktionen beeinträchtigen nicht nur die russische, sondern auch die deutsche Wirtschaft. Sie ist nicht teflonbeschichtet, Krisensymptome bleiben durchaus an ihr haften. Besonders irritiert reagieren deutsche Aktien auf die weniger dynamischen Wachstumsimpulse aus China. Hat Deutschland es zu lange als Selbstverständlichkeit betrachtet, dass das Land der Mitte der ewige Jungbrunnen für unsere Exportindustrie ist?

Für Aktien kritisch wird ebenso die anstehende Zinswende in den USA gesehen. Bei Anlegern herrscht Angst vor einem besonders dramatischen Zinserhöhungszyklus. Deutlich steigende Leitzinsen der bedeutendsten Notenbank der Welt haben in der Vergangenheit auf Aktien eine ebenso fatale Wirkung gehabt wie eine Kaninchenplage auf Löwenzahn.

Schließlich löst auch die eurozonale Verfassung wohl kaum Glücksgefühle bei Aktienanlegern aus. Das deflationäre Siechtum in Euro-Süd und die damit verbundenen sozialpolitischen Schieflagen setzen dem Zusammenhalt der Euro-Gemeinschaft offenbar stark zu. Das klare, wenn auch inoffizielle Votum der wirtschaftsstarken Katalanen für eine Abspaltung vom Armenhaus Spanien spricht hier Bände. Und von einer bestimmten französischen Politikerin und ihrem protektionistischen Euro-zersetzenden Kurs will ich erst gar nicht sprechen. Der europäische Einheitsgeist war vor der tatsächlichen Einheit wohl deutlich größer.

Liebe Anlegerinnen und Anleger, es hat schon weit weniger Gründe für eine massive Aktienkurskorrektur gegeben. Steht der Aktien-Crash also schon vor der Tür?

Der zweite Blick ist der entscheidende

Ich rede nicht davon, dass wir keine Krisen haben. Aber man sollte sie einer tieferen Überprüfung unterziehen. Ja, China wächst weniger dynamisch. Und das ist auch gut so. Ansonsten würde die chinesische Bubble Economy immer größer und drohte zu platzen. China ist bestrebt, über die Öffnung seiner Kapitalmärkte für ausländische Investitionen und eine fortgesetzte Stärkung der Konsumnachfrage eine nachhaltig stabile, wenn auch weniger dynamisch wachsende Volkswirtschaft auf die Beine zu stellen. Diese Strategie verfolgen im Übrigen auch andere Schwellenländer wie Indien und Thailand. So verhindern diese Weltkonjunkturlokomotiven, dass sie einen Schnupfen bekommen, der in der westlichen Welt zu einer Lungenentzündung führte. Der deutschen Außenwirtschaft ist mit stabilen Exportchancen eher gedient als mit einem zunächst märchenhaften Exportrausch ohne längerfristiges Happy End.

Die wohl im Frühjahr 2015 startenden US-Zinserhöhungen kann man auch positiv als Beweis für eine deutlich erholte US-Wirtschaft werten: Es wird fundamental für die Aktienseite geliefert. Ich bin überzeugt, dass die Fed nie wieder eine so massive Zinswende wie zwischen 2004 und 2006 betreiben wird. Diese hätte die Finanzwelt über das ab 2008 folgende Bersten der Immobilienblase fast eliminiert. Heute darf die Anleihenblase - und das ist die Mutter und Großmutter aller Anlageblasen - nicht platzen. Dann wäre die Finanzwelt tatsächlich nicht mehr zu retten. Diese Gefahr besteht aber auch deshalb nicht, weil die zwei anderen großen Notenbanken EZB und Bank of Japan so viel Liquidität produzieren werden, dass sie die gesamte Weltwirtschaft zur Not durchfüttern könnten.

Die atemberaubenden Befreiungsschläge der EZB, die seit Mitte 2012 für Aktienfurore gesorgt haben, haben mittlerweile wie abgefahrene Winterreifen zwar an Wirkung eingebüßt. Zentralbankgeld allein macht eben nicht glücklich. Dennoch bleibt die globale Notenbankpolitik ein eng geknüpftes Fallnetz, das das Schlimmste für die Aktienmärkte immer wieder verhindern wird.

Aber es wäre doch eine regelrechte geldpolitische Verschwendung, wenn sich Mario Draghi umsonst für ultraniedrige Staatsanleihenrenditen in der Eurozone ins Zeug gelegt hätte und diese nicht konjunkturell genutzt würden. Aber keine Sorge, sie finden für neue günstige Finanzierungen üppig Verwendung. Geld- und Finanzpolitik in Euroland arbeiten Hand in Hand. Mit diesem „Wachstumspakt“ päppeln wir die Euro-Wirtschaft schon wieder auf. Und dazu gibt Madame Lagarde, die Chefin vom Internationalen Währungsfonds, auch noch ihren finanz-moralischen Segen, indem sie vorschlägt, das einst strikte Maastricht-Stabilitätskriterium von 60 Prozent Staatsverschuldung zur Wirtschaftsleistung Richtung 100 Prozent zu „flexibilisieren“. Das Ganze hat zwar mit Stabilität so wenig zu tun wie Streuobstwiesen mit Zierrasen, jedoch werden sich die Aktienmärkte über diese künstliche Konjunkturbefruchtung freuen.

Für die deutsche Wirtschaft wäre es sehr zu empfehlen, wenn sich Herr Schäuble allmählich zu Herrn Spendäuble wandelte. Im Augenblick hat er die einmalige Chance, die alte, teilweise marode deutsche Infrastruktur mit den zinsgünstigsten Staatsschulden aller Zeiten großflächig auf Weltniveau zu heben. Andere Finanzminister anderer Euro-Länder würden sich die Finger danach lecken. Stattdessen träumt er davon, der erste Bundesfinanzminister seit 1969 zu sein, der keine neuen Schulden macht. Herr Schäuble, es geht nicht um Sie, sondern um die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft auf globaler Ebene. Der wirtschaftlich Einäugige unter den Blinden in der Eurozone zu sein ist global betrachtet nur ein Trostpreis. Also sparen Sie nicht am falschen Ende. Aber vielleicht denken Sie ja noch einmal darüber nach. Nichts würde deutsche Aktien mehr freuen.

Ein Abfallprodukt der zinslockeren Geldpolitik ist ein sich abschwächender Euro. Das ist Wasser auf die Mühlen der Euro- Exportwirtschaft. Wie eine Zinssenkung wirken übrigens auch die aktuell günstigen Preise für die Energierohstoffe Öl und Naturgas. Das ist gut für die Margen der Unternehmen. Das ist gut für die Kaufkraft der Konsumenten. Und das ist gut für Aktien.

Überhaupt, warum sollten Aktien abgestraft werden, deren Dividenden deutlich mehr Rendite einfahren als Staatspapiere oder Festgeld?

Und schließlich, schaut man sich die Anlegerstimmung an, so haben wir es im Vergleich zu früheren prekären Börsenzeiten - Euro-Schuldenkrise, Lehman-Pleite oder Asien-Krise – trotz all der gegenwärtigen Krisensymptome mit einer vergleichsweise geringen Kursschwankungsbreite zu tun. Gemessen am aktuellen Volatilitätsniveau ist für die nächsten 30 Tage mit einer theoretischen Schwankungsbreite im DAX zwischen etwa 8.700 und 9.700 Punkten zu rechnen.

Liebe Anlegerinnen und Anleger, es fehlen insgesamt die Zutaten für einen Aktien-Crash. Im direkten Vergleich sind die Chancen auf eine Jahresend-Rallye deutlich größer als die Risiken eines Einbruchs. Die Crash-Propheten, diese apokalyptischen Reiter werden vom Pferd fallen. Aua!

VOLKSWIRTSCHAFTLICHE PROGNOSEN AUF EINEN BLICK

KAPITALMARKT AUF EINEN BLICK

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

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  • pecheur
    pecheur

    ​Schulden sind stets auch eine Schuldenfalle, auch bei niedrigen Zinssätzen. Wer bezahlt diese Schulden? There is no such thing as a free lunch [M. Friedmann; frei übersetzt: Freibier für alle gibt es nicht, einer zahlt immer]. Der Staat kann nichts ausgeben, das er nicht irgendwie wieder über den Privatsektor hereinholt. D.h. wir alle bezahlen mit zukünftig niedrigerer Kaufkraft und höhere Steuerbelastung. - Genügt es nicht, dass Schäuble seine Schwarze Null mit der schleichenden Enteignung aller Sparer finanziert? - Wir brauchen 'echte' Investitionen durch reales (gespartes) Geld und keine schuldenfinanzierten durch fiat money. Diese Art Schuldenfinanzierungen treiben sonst auch Deutschland immer weiter in französische und italienische Verhältnisse. Aber vielleicht können wir ja dann auf Pump leben wie Gott in Frankreich?

    15:28 Uhr, 14.11.2014