Kommentar
13:04 Uhr, 05.04.2017

Wie die EU den kommenden Crash verhindern will

Wenn die Zinsen in der Eurozone wieder nachhaltig steigen, stehen viele Staaten und Banken vor dem Kollaps. Doch die EU hat jetzt Pläne erarbeitet, wie der Crash verhindert werden soll. Werden die deutschen Steuerzahler durch die Hintertür für die Schulden südeuropäischer Banken und Staaten haften müssen?

Obwohl die europäische Wirtschaft aktuell deutlich anzieht und sich Stimmungsindizes wie die Einkaufsmanagerindizes und der ifo-Index auf dem höchsten Stand seit mehreren Jahren befinden, hat Europa weiter ein riesiges Problem: Viele Staaten und zahlreiche Banken sind überschuldet. Die Schuldenlast ist aktuell zwar tragbar, dies liegt aber vor allem an dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) durch ihre Rettungsmaßnahmen künstlich niedrig gehaltenen Zinsniveau. Die Eurokrise ist deshalb auch fast vollkommen aus den Schlagzeilen verschwunden: Beim aktuellen Zinsniveau gibt es schlicht keine Krise. Doch steigen irgendwann die Zinsen wieder nachhaltig, laufen viele Staaten und Banken in Europa Gefahr, ihre Schulden nicht mehr refinanzieren zu können.

Das Problem ist auch deshalb so groß, weil Staaten und Banken sich in einer gegenseitigen Abhängigkeit befinden. Die Banken haben als "sichere" Vermögenswerte in erster Linie die Staatsanleihen ihres Heimatlandes in der Bilanz. Italienische Banken besitzen vor allem italienische Staatsanleihen, spanische Banken spanische. Steigt der Marktzins wieder, verlieren diese Anleihen aber automatisch an Wert. Denn die Zinszahlungen einer normalen Staatsanleihe werden zum Ausgabezeitpunkt fixiert. Steigt der Marktzins, so sind die zuvor ausgegebenen Anleihen wegen der niedrigeren Zinsen weniger attraktiv. Ihr Marktwert fällt so stark, bis die Rendite (Zinsen geteilt durch Kurswert) wieder dem Marktzins entspricht. Steigen die Zinsen also, was in den vergangenen Wochen und Monaten zu beobachten war, verlieren die Staatsanleihen in den Bankbilanzen an Wert. Umgekehrt sind aber auch die Staaten von den Banken abhängig, denn stehen die Banken vor dem Kollaps, müssen diese im Zweifel durch Steuergeld gerettet werden. Diese gegenseitige Abhängigkeit von Banken und Staaten gilt als ein Mitauslöser der Eurokrise.

Wie die Rettung funktionieren könnte

Auf dem Höhepunkt der Eurokrise sollten sogenannte Eurobonds die Rettung herbeiführen. Die Idee: Statt sich einzeln über die Ausgabe von Staatsanleihen am Kapitalmarkt zu finanzieren, sollten die Eurostaaten gemeinsame Anleihen, sogenannte Eurobonds, begeben. Die überschuldeten Staaten vor allem in Südeuropa sollten so in den Genuss der hohen Bonität und damit niedrigen Zinsen der nordeuropäischen Staaten wie Deutschland kommen. Denn von den Krisensstaaten wie Italien wurden vor den zahlreichen Rettungsmaßnahmen durch die Europäische Zentralbank (EZB) bei zehnjährigen Anleihen Zinsen von teilweise sieben Prozent und mehr verlangt. Die Investoren hatten zunehmend Zweifel, dass die Staaten die Anleihen bei Fälligkeit auch zurückzahlen konnten, und verlangten entsprechend einen Risikoaufschlag bei den Zinsen. Auch den Banken wäre geholfen gewesen, denn sie hätten die unsicheren Staatsanleihen ihres Heimatlandes in der Bilanz durch sichere, von allen Euro-Staaten gemeinsam begebene Anleihen austauschen können.

Doch die Bundesregierung sträubte sich erfolgreich gegen die Einführung von Eurobonds. Die Eurobonds hätten im Prinzip eine gesamtschuldnerische Haftung aller Eurostaaten bedeutet. Hätten Staaten wie Griechenland oder Portugal irgendwann ihren Teil der Schuldenlast nicht mehr tragen können, hätten automatisch die verbliebenen Staaten deren Schulden mit übernehmen müssen. Die Idee der Eurobonds verschwand, vor allem wegen des Widerstands der Bundesregierung, wieder in der Mottenkiste. Stattdessen sorgte die Europäische Zentralbank (EZB) durch Null- und Negativzinsen sowie durch ihre Anleihekaufprogramme dafür, dass die Zinsen in der Eurozone künstlich so niedrig gehalten wurden, dass die Staaten in Südeuropa sich günstig refinanzieren konnten.

Doch früher oder später werden die Zinsen wieder steigen. Spätestens, wenn die Inflation in der Eurozone merklich und dauerhaft anzieht, wird die EZB ernsthaft über einen Ausstieg aus ihrer ultralockeren Geldpolitik nachdenken müssen. Dann könnten die ehemaligen Krisenstaaten und -banken erneut Probleme bekommen. Denn die Schuldenlast hat sich in den den vergangenen Jahren in einigen Staaten nicht verringert, sondern ist weiter gewachsen. Die niedrigen Zinsen haben bisher vor allem die negativen Konsequenzen überdeckt.

European Safe Bonds: Eurobonds durch die Hintertür?

Da die Idee der Eurobonds gegen den Widerstand Deutschlands in Europa nicht durchgesetzt werden kann, hat die EU-Kommission nun, offenbar unter Mithilfe der EZB, eine alternative Idee entwickelt. Sogenannte European Safe Bonds (ESBs) sollen die Vorteile der Eurobonds auch ohne die gemeinsame Haftung der Euro-Staaten herbeiführen. Das Konzept funktioniert so: Statt gemeinsame Anleihen auszugeben, verschulden sich die Euro-Staaten weiter individuell am Kapitalmarkt. Doch ein Teil dieser Staatsanleihen wird von einer europäischen Institution aufgekauft. Diese europäische Institution, die von allen Euro-Staaten getragen wird, begibt ihrerseits neue Anleihen, die European Safe Bonds (ESBs), die von der EU in ihrem Vorschlag nun offenbar als "Sovereign bond backed Securities" bezeichnet werden.

Lesetipp: ESBies - ein Ansatz zur Bewältigung der Schuldenkrise?

Mögliche Vorteile: Die ESBs wären ein europaweit sicherer Vermögenswert, den die Banken anstatt der Staatsanleihen ihres Heimatlandes kaufen und in ihren Bilanzen halten könnten. Bei finanziellen Problemen eines Eurolandes wären die Banken des jeweiligen Staates nicht mehr in dem Ausmaße bedroht wie bisher, da sie nicht in erster Linie Staatsanleihen ihres Heimatlandes, sondern die ESBs in ihrer Bilanz hätten. Das funktioniert allerdings nur, wenn ein großer Teil der Staatsanleihen durch die gemeinsame europäische Institution aufgekauft wird und im selben Maße durch diese Institution gemeinsame neue Anleihen begeben werden. Dies allerdings würde zu ähnlichen Problemen wie bei Eurobonds führen: Da klar ist, dass die gemeinsame europäische Institution einen Großteil der Staatsanleihen der Euroländer aufkauft und in ihre Bilanz nimmt, würden sich die Refinanzierungskosten innerhalb Europas angleichen. Das funktioniert allerdings nur, wenn es eine gemeinsame Haftung durch die Hintertür gibt, alle Euro-Staaten also gesamtschuldnerisch für die Papiere der europäischen Institution geradestehen müssen.

Neben diesem "Pooling" der Staatsanleihen könnten die ESBs einem früheren Konzept zufolge noch über ein zweites Feature verfügen. ESBs könnten in zwei unterschiedlichen Tranchen begeben werden. Die obere Tranche wäre auch beim Zahlungsausfall einzelner Staaten sicher. Zusätzlich gäbe es aber noch nachrangige Anleihen mit höheren Zinsen, die bei einem Zahlungsaufall zuerst ausfallen würden. Diese Papiere könnten wegen der höheren Verzinsung zum Beispiel für Hedgefonds geeignet sein.

Fazit: European Safe Bonds sind letztlich nicht mehr als ein Taschenspielertrick: Die gemeinsame Haftung der Euro-Staaten soll auf eine Metaebene verlagert werden, wo sie niemandem auffällt. Die Euro-Staaten verschulden sich wie bisher individuell am Kapitalmarkt. Eine europäische Institution kauft diese Papiere aber in erheblichem Ausmaß auf und begibt neue, gemeinsame Papiere, die ESBs. Die gemeinsame Haftung ist damit nicht aus der Welt, sondern nur auf eine andere Ebene verlagert. Kein Wunder, dass die Bundesregierung offenbar auch das Konzept der European Safe Bonds ablehnt.

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24 Kommentare

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  • TomCat
    TomCat

    Egal wie sie es machen, am Ende ist der Steuerzahler dran. Aber zuerst müssen wir ihm mal das Bargeld abnehmen, sonst haut der damit womöglich vorher ab.

    13:49 Uhr, 06.04. 2017
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Mir alles egal. Mein Gesammtvermoegen steckt in ein paar Haeusern in Thailand , Surinam und im physischem Gold seit 2001. Damit habe ich JEDE Anlage bisher geschlagen.

    06:42 Uhr, 06.04. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • geht_wen_an
    geht_wen_an

    Börsen Crash voraus

    Mittwoch, 05.04.2017 - 20:45 Uhr
    Fed macht ernst und will noch 2017 ihre Bilanz angehen

    wie von mir angekündigt, FED gegen Trump
    Trump könnte die FED abschaffen oder sie zu einem "politischen" Instrument machen
    Wie es einst Kennedy versuchte
    .

    Präsident Woodrow Wilson:



    " Ich hab unbeabsichtigt mein Land ruiniert. Eine
    große Nation wird nun durch das Kreditsystem kontrolliert, in den Händen
    weniger. Wir sind keine Regierung der freien Meinung, der
    Wahlmehrheiten, sondern eine , die von einer kleinen Gruppe mächtiger
    Männer kontrolliert wird".

    .

    Quote

    unsigniert Spezial:Beiträge/85.177.69.103 11:23, 17. August 2010
    Dieses Zitat sollte hier aufgenommen werden, ich habe sogar eine Quelle: http://www.focus.de/finanzen/boerse/das-kartell-perfider-plan-der-hochfinanz_id_3995927.html (siehe unter dem Abschnitt "Der machtlose Staat"). 93.211.56.133 19:26, 4. Aug. 2014 (CEST)

    https://de.wikiquote.org/wiki/Diskussion:Woodrow_Wilson

    "Gib mir die Kontrolle über die Währung eines Landes und es ist mir egal, wer die Gesetze macht."
    ~ sagte der Herr Baron M.A. Rothschild ~

    Quote

    "Der Dow Jones sieht aus, als hätte er ne 24 Stunden Schlankheitskur gemacht :-) Geilomat!"

    https://www.godmode-trader.de/artikel/us-notenbank-will-bilanzsumme-reduzieren,5246540

    EZB macht bis 2018 weiter
    https://www.godmode-trader.de/artikel/us-geldpolitik-so-geht-es-weiter,5244485

    Ich fasse das mal zusammen...
    Euro wird es mehr geben, um die Banken in Italien zu retten, Dollar weniger
    Punkt: Dollar Pump läuft an! Euro crash!

    05:06 Uhr, 06.04. 2017
  • geht_wen_an
    geht_wen_an

    Litecoin
    Segwit bei Litecoin bei 70,83%...
    In der Geschwindigkeit könnte es heute Nacht bzw. morgen bereits zur Aktivierung kommen.
    litecoinblockhalf.com/segwit.php

    Quote

    Berlin’s Pub Room77: First Beer in the World Paid with a Lightning Transaction
    http://www.cryptomines.xyz/news/altcoins/berlins-pub-room77-first-beer-in-the-world-paid-with-a-lightning-transaction/

    20:53 Uhr, 05.04. 2017
  • geht_wen_an
    geht_wen_an

    Einfuhrpreise (Konsumgüter) in DE steigen im März um ca. 7% / offizielle Inflationsrate bei 2,1% wo liegt der Fehler? 7%≠2,1%

    (≠ dieses Zeichen, findet ihr auf keiner Tastatur, komisch oder? Denn es gibt es in der Mathematik)

    20:47 Uhr, 05.04. 2017
  • geht_wen_an
    geht_wen_an

    zitat:

    Heute Morgen im Morgenmagazin [sic] hat der Bundesbankvorstand den neuen 50€ Schein erklärt. Die Frage, ob er schonmal per Handy bezahlt habe, hat er verneint aber gleich im nächsten Satz erwähnt, dass er sich schon mal Bitcoins von Handy zu Handy zugeschickt hat, "was auch wirklich funktioniert" [nochmal sic
    ]
    Die junge Generation wolle so bezahlen und vermutlich im November kommt da seitens der Bundesbank auch was.

    Leider habe ich den Teil des Interviews nicht in der Mediathek gefunden, um es mir noch mal anzusehen. Hat das noch jemand gesehen und kann mir helfen einzuordnen, was damit gemeint war?

    .

    .

    rausgeschnitten?? Aber trotzdem interessant!
    hören sie mal rein was er zu griechenland sagt!!!!!!!!!!!!

    Wenn der Staat, den Zugriff auf euer Geld verhindert! Ob das Ärger gab?

    .

    04.04.17 Staatsfernsehen!
    http://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/morgenmagazin/videos/ThieleZuFuenfziger_1104nl_8000-100.html

    20:23 Uhr, 05.04. 2017
  • geht_wen_an
    geht_wen_an

    Zitat: Krebskurve . die Schulden wachsen expontiell, nicht die aktive Seite, die 0 Nullzinsen führen zu einer höhren gesamt Verschuldung ALLER, denn fallen Teilbereiche aus, wird es jeder Bürger tragen, über die Produkte die er täglich konsumiert. Einfuhrpreis um 7% gestiegen,warten wir doch mal wenn sich das auf die Verbraucherpreise umschlägt.

    .

    für die Ignoranten!

    Niedrig gemessen und gefühlt doch viel höher
    Wie wird eigentlich die Inflationsrate berechnet?

    Geschrieben von Mischa Berg. Letzte Aktualisierung des Artikels am 31. März 2017.

    Inflation bezeichnet die Teuerungsrate von

    (Konsum-)Gütern. - Mit der Erhöhung der Preise wird gleichzeitig die

    Kaufkraft des Geldes reduziert. -

    Neben Wirtschaftsdaten wie der Arbeitslosenquote und dem Brutto-Inlandsprodukt gibt die Inflationsrate Auskunft über die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines

    Landes. Aber wie wird diese wichtige volkswirtschaftliche Rate

    eigentlich berechnet?

    Eine hohe Inflation schränkt das Konsumverhalten der Verbraucher ein, deren Einkommen zunehmend wertloser wird.

    - Die Folgen hoher Inflation sind politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Instabilität. -

    Aus diesem Grund sind die Notenbanken der Länder bemüht, die Preise stabil und die Inflation in Zaum zu halten.

    .

    Sind sie das wirklich? Oder wollen sie Manager retten und Banken????????

    20:03 Uhr, 05.04. 2017
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Über den Experten

Oliver Baron
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Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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