Kommentar
08:00 Uhr, 30.08.2024

Wie die ESMA ausländische Krypto-Börsen benachteiligen will

Die europäische Wertpapieraufsicht ESMA fordert eine harte Gangart gegenüber ausländischen Krypto-Börsen und Brokern. Warum sie damit vor allem den EU-Verbrauchern schaden könnte. BTC-ECHO

Protektionismus kommt in fast jedem Wirtschaftszweig, in fast jedem Staat, vor. Strafzölle auf ausländische Autos, Verbot bestimmter Social-Media-Plattformen oder besonders hohe Auflagen für Hersteller bestimmter Wirtschaftsgüter. Es gibt viele Möglichkeiten, die heimische Wirtschaft vor ausländischen Anbietern zu schützen und die nationale Souveränität zu wahren. Leider geschieht dies nicht immer nur zum Vorteil der Verbraucher. So soll es nun auch den Krypto-Sektor in der Europäischen Union treffen. Die europäische Wertpapieraufsicht ESMA (European Securities and Market Authority) fordert mit ihrem neuen Vorschlag eine härtere Gangart gegenüber ausländischen Krypto-Börsen und Brokern.

ESMA fordert heimische Handelsabwicklung

Für in der EU beheimatete Krypto-Börsen und Broker mag der Vorstoß der ESMA erfreulich sein. Schließlich könnte er den Anbietern, die ihre Muttergesellschaft in der EU haben, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Playern aus dem Ausland sichern. Konkret möchte die ESMA, dass in der EU operierende Krypto-Marktplätze aus Drittstaaten auch die Abwicklung der Trades in der EU vornehmen, anstatt, wie bislang üblich, die Handelsausführung über ihre im Ausland befindliche Muttergesellschaft abzuwickeln.

Demnach würde es nicht ausreichen, eine MiCA-Lizenz in der EU zu haben, wenn die Abwicklung des Trades außerhalb der EU, bei der Muttergesellschaft, stattfindet. Stattdessen müsste der Krypto-Anbieter einen eigenen Handelsplatz in der EU aufsetzen oder andere in der EU befindliche Handelsplätze nutzen. Als Begründung führt die ESMA auf, dass sie die Gefahr einer regulatorischen Arbitrage sieht, wenn die Orderabwicklungen nicht der EU-Aufsicht unterliegen.

Haben Krypto-Trader in der EU das Nachsehen?

Die Motivation hinter dieser Forderung ist einleuchtend. Heimische Anbieter werden von der ausländischen Konkurrenz geschützt und man zwingt Anbieter aus Drittstaaten, die dennoch in der EU operieren wollen, dazu, zusätzliche Ressourcen in die EU zu verlegen. Die ESMA argumentiert damit nach dem Grundsatz: In der EU angebotene Dienstleistungen, sollen auch innerhalb der EU erbracht werden.

Die Frage ist allerdings, ob ausländische Krypto-Handelsplattformen dazu bereit sein werden, diese hohen zusätzlichen Kosten in Kauf zu nehmen. Vor allem aber könnten europäische Verbraucher und Unternehmen das Nachsehen haben. Das größte Handelsvolumen, die größte Liquidität, liegt schließlich bei Krypto-Börsen und Brokern außerhalb der EU.

Es ist bekannt, dass einige internationale Krypto-Player mit vollständigem Inkrafttreten der MiCA-Verordnung am 1. Januar 2025 auch in den EU-Markt expandieren möchten. Mit diesem Vorstoß wirft die ESMA diesen Playern ziemlich große Steine in den Weg.

Anstatt die Verbraucher zu schützen, könnte genau das Gegenteil eintreten. Aufgrund mangelnder Infrastrukturen und Anbieter in einer ausreichenden Größenordnung innerhalb der EU wären sie mit schlechteren Handelskonditionen konfrontiert. Zumal es deutlich weniger Wettbewerb in der EU gäbe, was sich prinzipiell zum Nachteil der Verbraucher entwickeln dürfte. Als Konsequenz der Überregulierung könnten nicht in der EU regulierte Angebote für Verbraucher an Attraktivität gewinnen.

ESMA kollidiert mit MiCA-Verordnung

Kompliziert wird das Unterfangen der ESMA mit Blick auf die MiCA-Verordnung. Gemäß Artikel 61 der MiCA sieht die Verordnung eine Ausnahmeregelung für Anbieter aus Drittstaaten vor. So sollen in der EU ansässige Personen die Möglichkeit haben, Krypto-Vermögensdienstleistungen von einer Drittlandfirma auf ihre eigene Initiative hin anzufordern und zu erhalten. Allerdings dürfen diese Anbieter dann nicht aktiv um den Kryptoanleger werben.

Die ESMA-Forderung kollidiert daher in gewisser Weise mit der MiCA-Verordnung. Schließlich kann jeder Bürger auf einer Krypto-Börse wie beispielsweise Binance handeln, auch wenn diese keine Lizenzierungen wie die Kryptoverwahrlizenz in Deutschland beziehungsweise dann die MiCA in der EU besitzt. Doch auch Anbieter mit Lizenz in der EU, wie beispielsweise Coinbase, könnten bei Umsetzung der ESMA-Forderung ein Problem bekommen, wenn sie keine eigene Entität zur Handelsabwicklung in der EU schaffen.

Krypto-Regulierung in der EU: Viel Interpretationsspielraum

Während eine gelegentliche Weiterleitung von Handelsaufträgen an Anbieter aus Drittländern prinzipiell unter MiCA gestattet ist, darf keine systemische Weiterleitung stattfinden. Auch sind die in der EU operierenden Broker dazu angehalten, nach Alternativen zur Handelsausführung innerhalb der EU zu suchen. Darüber hinaus soll der in der EU operierende Broker nicht von den Werbemaßnahmen der im Ausland befindlichen Muttergesellschaft abhängig sein.

Allein diese Vorgaben zeigen, dass die Krypto-Regulierung viel mit subjektiver Auslegung zu tun hat. Dies dürfte für ausländische Player nicht gerade ein einladendes regulatorisches Umfeld sein, da Konflikte mit den nationalen und europäischen Aufsichtsbehörden fast schon vorprogrammiert sein dürften.

Darüber hinaus müssen EU-Broker, wie auch im traditionellen Finanzsektor, dafür Sorge tragen, dass sie die bestmögliche Handelsausführung für ihre Kunden hinsichtlich Preis, Geschwindigkeit etc. anbieten können. Durch das Anbinden mehrerer Handelsplätze zur Ausführung der Order können durch die vorgehaltene Liquidität aber gerade im Krypto-Sektor hohe Kosten entstehen. So sinnvoll derartige Vorgaben zum Verbraucherschutz sein können, können sie bei zu hoch gesetzten Hürden zu einer hohen Kostenbelastung führen.

Fazit

Gut gemeint, ist nicht gleich gut gemacht. Bekanntlich hat die EU das Image, zur Überregulierung zu neigen und Geschäftsaktivitäten insbesondere bei digitalen Dienstleistungen eher abzuwürgen als zu fördern. Das Opinion Paper der ESMA zur MiCA-Umsetzung ist so ein typisches Beispiel, viel zu früh in einen noch jungen Sektor einzugreifen, bevor dieser überhaupt richtig aufblühen kann. Starke heimische Unternehmen schafft man nicht automatisch, indem man die ausländische Konkurrenz fernhält. Bislang handelt es sich nur um Vorschläge der ESMA. Ob und wie es zur Umsetzung kommt, ist also noch vollkommen offen.

Source: BTC-ECHO

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