Kommentar
06:00 Uhr, 25.04.2016

Werden bald die Dividenden gekürzt?

Derzeit gilt: Dividenden sind die neuen Zinsen. Die Gewinne vieler Unternehmen, vor allem in den USA, sind rückläufig. Wie lange kann diese Formel da noch gelten?

Anfang 2016 ist etwas Merkwürdiges passiert. Die Dividendenrendite des S&P 500 stieg über die Rendite von 10-jährigen US Staatsanleihen. Keiner weiß wie lange sich dieser Zustand halten wird, doch es ist historisch gesehen ein seltenes Ereignis. Grafik 1 zeigt die Dividendenrendite, die Rendite von Staatsanleihen und den Gewinn je Aktie der S&P 500 Unternehmen.

Zuletzt lag die Dividendenrendite vor 1956 oberhalb der Rendite von Staatsanleihen. Vor 1956 war das ein ganz natürliches Phänomen. Nach 1956 kam das einfach nicht mehr vor. Die Umkehrung des Verhältnisses bzw. die Rückkehr in die Zeit vor 1956 ist ein Ereignis, das eine gewisse Bedeutung hat. Doch worin liegt diese Bedeutung?

Laut heutiger Meinung sollte die Dividendenrendite unterhalb der Rendite von Staatsanleihen liegen. Der Grund dafür ist einfach. Dividenden geben Anlegern einen gewissen Inflationsschutz. Anleihen tun das nicht. Anleihen zahlen einen bestimmten Kupon. Kauft man heute Staatsanleihen mit einer Rendite von 2 % und steigt die Inflation auf 3 %, dann hat man Pech gehabt. Nach Inflation verliert der Anleger Geld.

Bei Dividenden sollte das anders sein. Steigt die Inflation, dann sollten auch früher oder später die Gewinne der Unternehmen steigen. Höhere Gewinne aufgrund eines allgemein höheren Preisniveaus ermöglichen es Unternehmen auch die gestiegene Inflation durch Anhebung der Dividenden auszugleichen. Liegt die Dividendenrendite heute bei 2 % und steigt die Inflation auf 3 %, dann sollte es Unternehmen möglich sein auch die Dividenden anzuheben – so die Theorie.

Da Dividenden einen Inflationsschutz bieten, Anleihen aber nicht, sollten Anleihen auch mehr Rendite abwerfen als Dividenden. Das klingt nachvollziehbar, doch praktisch lässt sich das kaum bestätigen. In den 70er Jahren stieg die Inflation von 2 % auf knapp 15 %. Die Dividendenrendite stieg lediglich von 3 % auf 6 %. Anleiherenditen stiegen im Gegensatz dazu von 4 % auf 15 % und boten einen sehr viel besseren Inflationsschutz, wenn man als Anleger von Aktien auf Anleihen umschichtete.
Eine zweite Beobachtung, die Anleger an den derzeitigen Dividenden zweifeln lässt, ist die Ertragskraft der Unternehmen. Grafik 2 zeigt die Gewinnrendite, die Dividendenrendite und die Ausschüttungsquote der S&P 500 Unternehmen. Derzeit schütten Unternehmen 40 % ihrer Gewinne in Form von Dividenden aus. Das ist im Vergleich zu den letzten Jahren viel, doch im Vergleich zu den 60er bis 90er Jahren ist es wenig.

Die Gewinne vieler Unternehmen sinken derzeit. Das muss nicht das Ende der Dividenden bedeuten. Die Ausschüttungsquote hat noch viel Luft nach oben. Die Gewinnrendite liegt aktuell bei 5,2 %. Die Gewinnrendite ist der Kehrwert des Kurs-Gewinn-Verhältnisses. Liegt der Kurs einer Aktie bei 100 und erwirtschaftet das Unternehmen einen Gewinn von 5, dann liegt das KGV bei 20. Man kann es auch anders ausdrücken: der Gewinn im Verhältnis zum Preis der Aktie liegt bei 5 %.

Würden Unternehmen 100 % ihrer Gewinne ausschütten, dann könnte die Dividendenrendite derzeit auf maximal 5,2 % steigen. Das wird sie nicht, da Unternehmen einen Teil der Gewinn einbehalten bzw. in Aktienrückkäufe stecken. Trotzdem haben Unternehmen Luft, um die Dividenden weiter zu steigern.

Einige Unternehmen müssten ihre Aktienrückkäufe zurückfahren, um die Dividendenrendite bei sinkenden Gewinnen konstant zu halten. Das ist höchstwahrscheinlich der Weg, den die meisten Unternehmen gehen werden, sollte es soweit kommen. Aktienrückkaufprogramme haben oft eine vorgegebene Dauer und ein vordefiniertes Volumen. Sie laufen automatisch aus. Von Dividenden wird erwartet, dass sie jedes Jahr und ohne Unterbrechung gezahlt werden. Es ist sehr viel schwieriger Dividenden zu streichen als keine eigenen Aktien mehr zurückzukaufen.

Persönlich sehe ich aufgrund sinkender Gewinne keine Gefahr für Dividenden. Auch ein Anstieg der Dividendenrendite über die Anleiherenditen empfinde ich nicht als bedrohliches Signal. Vielmehr wäre es eine Normalisierung des Zustands. Da Anleiherenditen stärker auf Inflation reagieren als Dividendenrenditen sollten Dividendenrenditen auch höher als Anleiherenditen sein.

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4 Kommentare

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  • Charlie Tuna
    Charlie Tuna

    Sehr guter Artikel!

    Scheint sic wohl ein Fehler eingeschlichen zu haben:"Da Anleiherenditen stärker auf Inflation reagieren als Dividendenrenditen sollten Dividendenrenditen auch höher als Anleiherenditen sein." Weiter oben, und nachvollzierbar, stand genau das Gegenteil?

    20:32 Uhr, 24.04. 2016
  • Fredo Escalade
    Fredo Escalade

    @Herrn Schmale :

    Guter Artikel mit interessanten Details auch zu Anleihen. Danke.

    09:46 Uhr, 23.04. 2016
  • Fredo Escalade
    Fredo Escalade

    Guter Artikel.

    09:44 Uhr, 23.04. 2016
  • Bullentango
    Bullentango

    Spannende Analyse. Danke!

    08:27 Uhr, 23.04. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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