Kommentar
08:11 Uhr, 21.10.2014

Wer hat Angst vor Deflation?

Hört man Zentralbankern zu, dann bekommt man selbst auch fast Angst. Es scheint so als befände sich die Welt nicht nur am deflationären Abgrund, sondern schon mitten im Fall. Was ist da dran und ist es wirklich so schlimm?

Deflation gilt momentan als Schreckgespenst Nummer 1. Es hat die zahlreichen anderen globalen Krisen auf die hinteren Plätze verdrängt. Um die Ukraine ist es etwas ruhiger geworden. Ebola hält sich in den Medien weit oben, ist aber von der Angst um Deflation mindestens auf Platz 2 gerückt. Die Angst vor Deflation ist vielleicht nicht ganz unbegründet. Die Inflation ist sehr niedrig. Der Weg zu sinkenden Preisen ist nur mehr sehr kurz. Die Kernfrage ist wahrscheinlich nicht so sehr, ob es zu sinkenden Preisen kommen wird, sondern vielmehr, ob man davor Angst haben muss.

Es wird in den Medien so getan, als sei Deflation der Auslöser für eine Abwärtsspirale. Das ist falsch. Deflation ist nicht die Ursache für den Abschwung, sondern eine Folge davon. Deflationäre Tendenzen sind ein Warnsignal in Bezug auf wirtschaftliches Wachstum. Bleibt die Nachfrage weg, dann sinken die Preise (einfachste Angebots-Nachfrage Ökonomie). Das ist de facto die Definition von Abschwung.

Derzeit wird versucht Inflation zu erzwingen. Die Überlegung dahinter: kann genug Inflation erzeugt werden, dann gibt es keinen Abschwung bzw. wenn die Zentralbanken die Nachfrage irgendwie in Gang bringen können, dann entsteht Inflation als Folge des Aufschwungs. Die Rechnung ist einfach – zu einfach. Die wirtschaftlichen Zusammenhänge sind doch ein klein wenig komplizierter. Das zeigt der Blick auf die Wachstums- und Inflationshistorie in Deutschland und den USA. Die Gleichung Inflation=Wachstum und Deflation=Abschwung geht selten so auf wie man sich das vielleicht vorstellt.

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In Deutschland stieg die Inflation (pro Quartal) nach der Finanzkrise erst wieder als sich das Wachstum schon wieder abkühlte. Von 2001 bis 2005 lag die Inflation in Deutschland im langjährigen Durchschnitt, das Wachstum lag allerdings deutlich unter dem Durchschnitt. Anfang der 90er Jahre kam es zu hoher Inflation, gleichzeitig rutschte die Wirtschaft in eine Rezession.

In den USA ist das Bild ähnlich. Die besonders hohe Inflation Ende der 80er Jahre ging mit besonders niedrigem Wachstum einher. Die Zinsen waren sehr hoch, um die Inflation zu bekämpfen, was das Wachstum drückte. Auffällig ist die Periode von 1954 bis 1966. Das Wachstum war überdurchschnittlich, die Inflation allerdings unterdurchschnittlich.

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So schlimm ist niedrige Inflation wirklich nicht. Die Wirtschaft kann auch unter fallenden Preisen wachsen. Das war z.B. 1986, 1958, 1954, 2003 und 2006 der Fall. Die Angst, die Wirtschaft sei akut vom endgültigen Zusammenbruch bedroht, ist überzogen. Sinkende Preise sind Ausdruck geringer Aktivität oder Ausdruck eines Überangebots. Letzteres ist gerade bei Öl der Fall. Die globale Nachfrage steigt nach wie vor. Das globale Angebot ist aber einfach stärker gestiegen als die Nachfrage.

Ebenso ist die Angst unbegründet, dass Deflation von 1 oder 2% Menschen vom Konsum abhält. Den meisten Menschen ist es vollkommen egal, ob das Smartphone heute 400 Euro kostet oder in einem Jahr 396 Euro. Wer ein Smartphone haben möchte, der kauft es sich heute. 4 Euro Preisunterschied auf ein Jahr gerechnet hält niemanden vom Kauf ab. Ginge es um eine Halbierung des Preises, dann mag es anders aussehen. Davon ist die Welt aber nun wirklich noch sehr weit entfernt.

Das aktuelle Phänomen niedriger Inflation ist sicherlich teilweise nachfragebedingt. Viel schwerer wirkt aber das Überangebot an Rohstoffen, insbesondere Öl. Der Zusammenhang von Inflation und Ölpreis ist für die USA so offensichtlich, dass man es gar nicht nicht erkennen kann. Momentan sinken die Ölpreise. In Deutschland macht Energie über 10% des Preisindex aus. In den meisten anderen Ländern schwankt der Wert um einen Anteil von 10%. Steigen nun alle Preise in allen Kategorien bis auf Energie um 1%, dann reicht ein 10% Rückgang der Preise bei Energie, um eine leichte Deflation von 0,1% auszulösen. Genau diese Dynamik sehen wir momentan. Was daran so falsch ist, erschließt sich mir nicht. Es wirkt fast so, als würden die Notenbanken das Argument der Deflation vorschieben um rechtfertigen zu können, wieso sie versuchen die Wirtschaft in eine Planwirtschaft umzuwandeln.

Langfristig sind gerade im Energiebereich sinkende Preise begrüßenswert. In den USA gilt die Faustregel, dass ein 1 Cent weniger Treibstoffkosten 1 Milliarde mehr frei verfügbares Einkommen bedeutet. Seit dem letzten Preishoch von knapp 3,70 USD pro Gallone ist der Preis um 0,55 USD zurückgegangen, sprich, die Bürger haben 55 Mrd. mehr in der Tasche für den Konsum, Schuldenabbau oder sonst was. Teure Energie bringt wenig. Für die wirtschaftliche Aktivität wird sie gebraucht, ob teuer oder billig. Ein höherer Preis trägt nicht zur Produktivität bei. Ganz im Gegenteil, hohe Energiekosten last auf der Aktivität.

Vielleicht sollte man beginnen nicht unnötig Angst zu schüren, sondern in der Deflation einen gewissen Segen zu sehen und anfangen zu behaupten, dass die rohstoffpreisbedingte Deflation für Aufschwung sorgen wird.

17 Kommentare

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  • Löwe30
    Löwe30

    Wer hat ​Angst vor Deflation?

    Der Staat (die Regierung) hat Angst vor Deflation, weil nämlich dann seine Schulden mehr Wert werden.

    In einer gesunden Marktwirtschaft im Kapitalismus gibt es einen gesunden Wechsel zwischen Konsum und Investitionen. Der Regelungsprozess in der Marktwirtschaft funktioniert nämlich sehr gut, wenn er nicht durch politische Interventionen oder die „Geldpolitik“ einer Zentralbank gestört wird: Ist Geld preiswert, weil die Bürger sparen, erhalten Unternehmer das Signal, dass die gegenwärtig verfügbaren Güter nicht mehr die gewünschte Nachfrage erhalten. Mit dem preiswerten Geld lohnen sich für Unternehmer Investitionen in kapitalintensive Bereiche. Damit sind sie in der Lage in Zukunft die Produktivität zu steigern oder neue innovative Produkte auf den Markt zu bringen. Die dann preiswerteren oder neuen Güter werden die Menschen zum kaufen animieren, sie sparen dann wieder weniger. Dieser komplexe Prozess führt über gesunde Konjunkturzyklen (es handelt sich bei diesen Zyklen nicht um eine Krise!) zu immer mehr Wohlstand und höherer Lebensqualität. Die Unternehmer erhalten vom Markt (nicht von einer Zentrale, wie der „Zentralbank“) immer genau die richtigen Preissignale, was sie veranlasst immer genau die richtige Entscheidung für ihren Mitteleinsatz zwischen Investition und Produktion zu treffen. Es ist ein sich selbst regelnder Prozess, eben „die unsichtbare Hand des Marktes“. Dazu bedarf es weder einer Geldpolitik noch Ankurbelungen der Wirtschaft a la Keynes durch die Regierung.

    09:13 Uhr, 21.10.2014
  • Jarakoff
    Jarakoff

    ​Sehr guter Artikel!!!

    09:11 Uhr, 21.10.2014
  • solero
    solero

    Ausgezeichneter Artikel! Besonders den Hinweis auf die geplante Planwirtschaft erscheint mir sehr treffend. Jedenfalls mit einer freien Marktwirtschaft haben die derzeitigen FED und EZB Aktivitäten nichts mehr zu tun.

    09:07 Uhr, 21.10.2014
  • solero
    solero

    09:05 Uhr, 21.10.2014
  • 3 Antworten anzeigen
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    Das Problem aktuell ist: Man versucht mit Makromaßnahmen (Geldpolitik) die Mikroebene (Du und ich) zu beeinflussen - das funktioniert nicht.

    08:16 Uhr, 21.10.2014
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    ​Ihrem letzten Absatz kann ich nicht ganz zustimmen. Der Gedankte ist schon richtig, gilt aber meines Erachtens nicht in einem stark verschuldeten Umfeld. In solch einem Umfeld wirkt Deflation meines Erachtens schon kontraproduktiv und verschlimmert nur die Gesamtsituation.

    08:15 Uhr, 21.10.2014
    1 Antwort anzeigen
  • Marc Binder
    Marc Binder

    ​Guter Artikel!

    08:14 Uhr, 21.10.2014

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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