Kommentar
10:14 Uhr, 14.05.2004

Wer hat Angst vor Alan Greenspan?

An den Kapitalmärkten herrscht Unsicherheit: Wohin treibt die US-amerikanische Geldpolitik? Kommen die Zinsanhebungen schneller und kräftiger als bis vor kurzem noch zu erwarten war?

Sicher ist: Die geldpolitischen Erwartungen nehmen die Zinsschritte längst vorweg. 100 Basispunkte innerhalb der nächsten neun Monate scheinen nicht zu viel, glaubt man den sich aus der Zinsstrukturkurve ergebenden impliziten Terminsätzen. Der Euro leidet, die Aktien reagieren unruhig, Anleiherenditen steigen. "Preise" sind wieder ein Thema. Die sich aus dem Treasury-Master-Index und dem Index für inflationsindexierte Staatsanleihen von Merrill Lynch ergebende "Breakeven-Inflationsrate" zeigt: Die Inflationserwartungen haben zugelegt. Eine Tendenz, die sich ebenfalls aus den letzten Consensus-Schätzungen für die US-Preisentwicklung ergibt.

Straffung der Zinszügel?

Was aber lassen die realwirtschaftlichen Entwicklungen erwarten? Kann von dieser Seite eine Ballvorlage für eine starke Straffung der Zinszügel kommen?

Der Teilindex für die von den Unternehmen bezahlten Preise beim nationalen Einkaufsmanagerindex hat eine Höhe erreicht, die in der Historie einen Rückgang erwarten ließ. Tatsächlich divergierten beim Index der Fed von Philadelphia zuletzt die "bezahlten Preise" mit den tatsächlich erzielten. Nicht jeder Preis scheint erzielbar. Die Kernrate der Produzentenpreise bildete sich im Vorjahresvergleich zurück, ebenso die Preise für Fertiggüter. Die Kernrate der Verbraucherpreise stieg während der letzten Monate zwar, liegt aber immer noch unter der 2%-Schwelle. Die Importpreise (ohne Öl) steigen - trotz Dollarschwäche - nur langsam und lasten kaum auf den Verbraucherpreisen. Die "payrolls" zogen zwar an, die Arbeitslosenrate selbst liegt aber nur knapp unter 6% und damit innerhalb der "NAIRU" ("non-accelerating inflation rate of unemployment"), jener Rate der Arbeitslosigkeit, die mit inflationsfreien Wachstum vereinbar ist. Gleichzeitig sorgen das gestiegene Produktivitätswachstum und die Kostensenkungsprogramme für rückläufige Lohnstückkosten. Könnte die Output-Lücke, d.h. die Differenz aus dem Bruttoinlandsprodukt, das potenziell produzierbar ist und dem tatsächlich produzierten, Anlass zu Inflationssorgen geben? Nachdem sie während der letzten drei Jahre negativ war, näherte sie sich wieder der Null an. Allerdings muss dies vor dem Hintergrund des "Buckelwachstums" gesehen werden: Bedingt durch die Sondereffekte einmalig anfallender Steuerrückerstattungen expandiert die USÖkonomie besonders stark. Folge: Die Output- Lücke schloss sich. Da diese Sondereffekte jetzt auslaufen, ist mit einer verringerten Wachstumsdynamik während der nächsten Quartale zu rechnen. Das Produktionspotenzial von ca. 3,5% dürfte nicht ausgereizt werden. Gleichzeitig bauen die Unternehmen die Ausrüstungsinvestitionen weiter aus.

Ganz nebenbei: Seit Ende der 60´er Jahre kam es in den USA i.d.R. nur dann zu einer Anhebung des Zielsatzes für den Geldmarkt, wenn die Kapazitätsauslastung über 82% lag - aktuell liegt sie gesamtwirtschaftlich knapp über 76%.

Rohstoff- und Energiepreise bereiten Sorgen

Damit die Rohstoffpreise sich aber auf die Verbraucherpreise übertragen, bedarf es Überwälzungsspielräumen. Diese scheinen, nicht zuletzt wegen des globalen Wettbewerbs, gering zu sein. Zumindest fällt auf, dass die Preise für Dienstleistungen während der letzten Dekade deutlich stärker gestiegen sind als der gesamte Warenkorb. Dienstleistungen können sich dem ausländischen Konkurrenzdruck besser entziehen. Ingesamt betrachtet, sind die von den geldpolitischen Erwartungen ausgehenden Schockwellen zwar verständlich, sie dürften aber von ihrem Ausmaß her zu weit gelaufen sein und wieder deutlicher zur Ruhe kommen. Unbeschadet der Aufregung, sind Inflationssorgen nicht begründet.

Ende der "Disinflation"

Weniger "Inflation", als vielmehr ein Ende der "Disinflation" sind das eigentliche Thema, so hat es auch Alan Greenspan in seinem Bericht vor dem US-Senat ausgeführt. Die Botschaft dahinter ist klar: Die Fed wird die Zinszügel wieder straffen. Nicht aus Angst vor der Inflation, sondern vor der Erkenntnis, dass eine boomende Wirtschaft nicht eines Realzinses am Geldmarkt bedarf, der unter jenem in Japan zu Zeiten der Langfristrezession liegt. Nicht "Angst vor Alan Greenspan", sondern Freude auf/über die Zinsanhebung - das ist das eigentliche Thema.

Quelle: dit

Der dit (Deutscher Investment Trust) verfügt über mehr als 45 Jahre Fondsmanagement-Erfahrung in Deutschland und ist Teil einer der größten Vermögensverwalter der Welt - der Allianz Dresdner Asset Management. Mit mehr als 1.000 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen ist die Allianz Dresdner Asset Management einer der fünf größten Vermögensverwalter der Welt.

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