Kommentar
14:06 Uhr, 13.12.2005

Weltwirtschaft vor weiterer Globalisierungswelle

„Die Weltwirtschaft gerät in eine neue Welle der Globalisierung“, schildert Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, bei einem Pressegespräch in Frankfurt. Das Zusammenwachsen der Weltmärkte habe zu den höchsten globalen Wachstumsraten seit 30 Jahren geführt. Dies werde in der nächsten Zeit auch so bleiben. Dabei schwanke die weltweite Konjunkturentwicklung um ein Wachstumspotenzial von knapp 4 Prozent. Davon profitiere auch der Welthandel, der im kommenden Jahr um 7 Prozent überdurchschnittlich expandieren dürfte.

Die Globalisierung der Weltwirtschaft ist nach Ansicht des DekaBank-Chefvolkswirts das effektivste Armutsbekämpfungsprogramm für unterentwickelte Volkswirtschaften. Dennoch würden sich Gewinner und Verlierer künftig Verteilungskämpfe liefern – auch in Deutschland. Zu den Verlieren gehörten beispielsweise die geringer qualifizierten Lohnempfänger in den so genannten Hochlohn-Volkswirtschaften. Denn der Anschluss riesiger Niedriglohngebiete an die Weltwirtschaft sorge bei geringer qualifizierten Arbeiten für einen neuen Faktorpreisausgleich. Dies bekomme vor allem Deutschland zu spüren. Denn mit den Staaten Mittel- und Osteuropas beginne die Globalisierung direkt vor der Haustür. Lag die Erhöhung der deutschen Bruttoarbeitsentgelte in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre noch bei durchschnittlich 4 Prozent im Jahr, so waren es in den vergangenen fünf Jahren nur noch 0,5 Prozent.

Die Kapitaleinkünfte seien hierzulande dagegen seit 2000 um 3 Prozent jährlich gestiegen. Zu den Gewinnern der Globalisierung gehörten aber auch die Konsumenten. Denn die Verfügbarkeit von Gütern und Dienstleistungen steige, und die Preise würden zunehmend günstiger. „Allerdings wird der Staat in seiner Handlungsfähigkeit immer mehr eingeschränkt“, erläutert Kater. Nach der Abgabe der Geldpolitik in die Hände unabhängiger Zentralbanken werde im internationalen Steuerwettbewerb nun auch die Finanzpolitik zunehmend unbeweglicher.

Zwar werde die deutsche Volkswirtschaft im Jahr 2006 boomen, allerdings sei diese Entwicklung sehr uneinheitlich: Einem international ausgerichteten Unternehmenssektor, der die Weltwirtschaft als globale Produktions- und Verkaufsfläche nutzt, stünden auf die Binnenwirtschaft ausgerichtete Firmen gegenüber. Erstere seien längst auf den scharfen internationalen Wettbewerbsdruck eingestellt, indem sie beispielsweise Stellen abgebaut und die Produktion verlagert hätten. Kater: „Diese Unternehmen brauchen Deutschland nicht länger.“ Die deutsche Konjunktur sieht Kater am Beginn eines Konjunkturzyklus, der Mitte 2005 begann. Dieser weise jedoch einige Besonderheiten auf: Während die Exporte in den vergangenen zwei Jahren um rund 8 Prozent zunahmen, ist der Konsum so schwach wie nie zuvor. Die nun beschlossenen Maßnahmen der großen Koalition seien deshalb vor allem auf eine Belebung der Binnennachfrage ausgerichtet. Für 2006 rechnen die DekaBank-Volkswirte auch mit einem Anstieg des Konsums um 1,6 Prozent. Der Vorzieheffekt der geplanten Mehrwertsteuererhöhung, neue Investitionsanreize und die starke weltwirtschaftliche Nachfrage führten zu einem Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 1,7 Prozent.

Für 2007 jedoch rechnet Kater mit einem sehr mageren BIP-Wachstum von 0,4 Prozent, wenn die deutsche Wirtschaftspolitik es nicht vermag, in 2006 überzeugende Zeichen am Arbeitsmarkt zu setzen. Auch eine Rezession sei dann nicht ausgeschlossen, da die geborgte Binnennachfrage aus dem Jahr 2006 fehle, die weltwirtschaftliche Nachfrage abkühle und möglicherweise keine Wende am Arbeitsmarkt zu erkennen sei.

Für Euroland erwartet der Chefvolkswirt ein BIP-Wachstum von 2,0 Prozent in 2006 und von 1,4 Prozent in 2007. Die US-Wirtschaft dürfte sich nach einem kräftigen Wachstum in der ersten Hälfte des Jahres 2006 leicht abkühlen. Insgesamt prognostiziert Kater BIP-Steigerungen von 3,4 Prozent in 2006 und 2,9 Prozent in 2007.

Die Inflation wird nach Ansicht des Leiters Volkswirtschaft der DekaBank, Dr. Holger Bahr, in den Industriestaaten auch in den kommenden zwei Jahren niedrig ausfallen: Der Globalisierungswettbewerb sorge für moderate Lohnsteigerungen und auch die Rohstoffpreise dürften nicht weiter anziehen. Für die USA prognostiziert Bahr Inflationsraten von 3,3 Prozent im kommenden Jahr und von 2,0 Prozent in 2007. Die US-amerikanische Notenbank Fed dürfte mit weiteren Zinserhöhungen gegensteuern und erst Ende 2006 mit Zinserleichterungen auf die nachlassende Wirtschaftsdynamik reagieren. In Deutschland und Euroland bewegten sich die Inflationsraten von 1,7 Prozent bzw. 2,2 Prozent in 2006 auf je 2,1 Prozent in 2007. Die EZB dürfte die Zinsen bis auf 2,75 Prozent erhöhen. Danach sei bereits die Zinswende nach unten wieder in Sicht.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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