Kommentar
06:56 Uhr, 26.09.2016

Was löst die nächste Rezession aus?

Die nächste Rezession kommt bestimmt und wenn man darüber nachdenkt, was sie auslösen könnte, fallen einem viele Möglichkeiten ein. Ganz vorne mit dabei ist die Geldpolitik, doch es gibt auch eine ganz andere Möglichkeit, die für viele überraschend sein dürfte.

Rezessionen werden durch Ungleichgewichte ausgelöst. Diese Ungleichgewichte können unterschiedliche Ursachen haben. Es kann die Geldpolitik sein, eine Übertreibung auf dem Immobilienmarkt, politische Unsicherheit oder fehlgeleitete Investitionen. Es gibt aber auch ganz andere Ursachen, die auf den ersten Blick etwas exotisch wirken.

Einer Studie des Brookings Instituts zufolge können Konjunkturzyklen maßgeblich von Nahrungsmittelpreisen beeinflusst werden. Ein Preisschock bei Nahrungsmitteln hat weitreichende Konsequenzen für die ganze Wirtschaft. Ein Anstieg von Nahrungsmittelpreisen um 5 % erhöht die gesamte Inflation in den USA um 0,5 Prozentpunkte. Um den gleichen Anstieg durch Ölpreise zu erzielen, muss der Ölpreis um 10 % steigen. Mit anderen Worten: Nahrungsmittel haben einen etwa doppelt so großen Einfluss auf die Inflation wie der Ölpreis.

Der große Einfluss der Nahrungsmittelpreise spiegelt sich nicht nur in der Inflationsrate wider, sondern auch darüber hinaus. Wenn Konsumenten deutlich mehr für Nahrungsmittel ausgeben müssen – und Konsumenten haben ja nicht die Wahl keine Nahrungsmittel zu kaufen, schließlich muss jeder essen – beeinflusst dies das gesamte Konsumverhalten. Die Konsumausgaben sinken. Ebenso sinken Investitionen.

Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass eine Nahrungsmittelinflation von 5 % das Wirtschaftswachstum im Folgejahr um 0,8 Prozentpunkte senkt. Um den gleichen Effekt durch den Ölpreis zu erzielen, muss dieser um 10 % steigen. Ein Konjunkturzyklus kann also bereits durch moderate Preisschwankungen bei Lebensmitteln abgewürgt werden.

Die Studie untersucht die Zeit von 1963-2013. Es stehen sogar noch längere Datenreihen zur Verfügung. Die Grafik zeigt die Gegenüberstellung der Nahrungsmittelinflation und des Wirtschaftswachstums seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Man kann dabei relativ schnell feststellen, dass die meisten Rezessionen auf einen raschen Anstieg der Nahrungsmittelinflation folgten.

Einen großen Beitrag zu Rezessionen leisteten die Nahrungsmittelpreise zu den Rezessionen in den Jahren 1974, 1982, 1990, 2001 und 2008. Den umgekehrten Fall gibt es auch. Eine besonders niedrige Lebensmittelinflation Mitte der 80er Jahre, Ende der 90er Jahre und zwischen 2003 und 2005 unterstützte die Wirtschaft.

Momentan ist die Nahrungsmittelinflation so niedrig wie lange nicht. Der Grund dafür liegt auf der Hand. Die Wetterlage war in diesem Jahr in den meisten Teilen der Welt günstig. Es können Rekordernten eingefahren werden. In der Folge sinken die Preise von Agrarrohstoffen und der Preisauftrieb kommt zum Erliegen.

Der geringe Preisanstieg von Nahrungsmitteln wirkt derzeit positiv auf das Wachstum. Es ist jedoch nur eine Frage der Zeit bis die Preise wieder deutlich ansteigen. Eine schlechte Ernte kann zu einem massiven Anstieg der Preise führen. Eine Wiederholung eines Szenarios, wie wir es 2007/08 gesehen haben, ist absolut denkbar.

Eine gute Ernte in diesem Jahr schützt nicht vor einer schlechten Ernte in zukünftigen Jahren. Agrarrohstoffe lassen sich nicht unbegrenzt lagern. Schlechtes Wetter kann jederzeit zu einem Preisschock führen. Solche Schocks kommen regelmäßig vor. Man muss sich nur längere Preishistorien von Agrarrohstoffen ansehen. Die Preise sind hochvolatil.

Nach mehreren Jahren fallender Preise von Agrarrohstoffen kann man nun schon fast die Monate zählen, bis es zum nächsten Preisanstieg kommt. Entgegen aller Erwartungen könnte die nächste Rezession nicht durch die Zentralbankpolitik ausgelöst werden, sondern durch Nahrungsmittelpreise. Dagegen können weder Notenbanken noch Politiker etwas tun.

Clemens Schmale

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4 Kommentare

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  • plungeboy
    plungeboy

    Kann es vielleicht auch sein, dass die Angebotsseite im Nahrungsmittelsektor in Zeiten von Rezessionen ihr Angebot verknappt u. dadurch die Nahrungsmittelpreise steigen? Dass also die Inflation bei den Lebensmitteln nicht Ursache, sondern nur eine weitere Folge der Rezession sind?

    09:22 Uhr, 26.09.2016
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Koennte auch das sein, wenn es wirklich oeffentlich wird

    http://m.focus.de/politik/deutschland/syrien-konfl...

    07:34 Uhr, 26.09.2016
  • Credo
    Credo

    Wirklich interessant, nur: wie berechnen Sie die Lebensmittelinflation? Beim Oelpreis ist die Preisgestaltung offensichtlich, Oel rauf und sehr bald zahlen Alle mehr und umgekehrt. Schwankungen beim Oelpreis von 10% und mehr ist im Allgemeinen normal. Bei Lebensmitteln läuft es sehr viel komplexer, abgesehen davon spielen finanzmarktunabhängige Faktoren viel mehr rein. Von fallenden Preisen im Lebensmittelsektor habe ich in den letzten Jahren nix gemerkt. Bio, Vegi, Lakto, Gluteen und co. verteuerten den Einkauf um deutlich mehr als 5%. Falls die Agrarrohstoffe tatsächlich steigen sollten ist es immer noch fraglich, wie das beim Konsument ankommen wird. Zur Pufferung wurden die Preise schon zur Genüge ausgereizt.

    16:52 Uhr, 25.09.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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