Kommentar
11:36 Uhr, 09.05.2018

Was bedeutet ein Handelsstreit für Europa?

In Europa hängen über 40% der Wirtschaftsleistung am Export. In den USA sind es gerade einmal 12%. Wer verliert, ist wohl klar. Oder?

Auf den ersten Blick sind die Daten ziemlich erschreckend. Die EU und die Eurozone sind von Exporten stark abhängig (Grafik 1). Fast 45 % der Wirtschaftsleistung entfällt auf Exporte. In einzelnen Ländern ist die Lage sogar noch dramatischer. In Deutschland sind es 46 % und in Belgien gleich 80 %.

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Man gewinnt den Eindruck, dass ohne Exporte gar nichts geht und dass die Hälfte der Wirtschaftsleistung auf dem Spiel steht. So einfach ist die Sache natürlich nicht. Den Exporten stehen auch Importe gegenüber (Grafik 2). Die Importe sind in den meisten Ländern ungefähr so hoch wie die Exporte. In den USA sind sie etwas höher, in Deutschland etwas niedriger.

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Was am Ende wirklich auf dem Spiel steht, sind nicht die gesamten Exporte, sondern der Nettobetrag aus Exporten und Importen (Grafik 3). Hier stechen besonders Deutschland und die Schweiz heraus. Sie haben am meisten zu verlieren, wenn es der internationale Handel stockt.

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Die Betrachtung des Nettobetrages relativiert die Sache erheblich. Trotzdem wäre es fatal, wenn der Überschuss in Deutschland plötzlich einbricht. Es könnte die Wirtschaftsleistung langfristig um 3-5 % drücken. Das setzt allerdings voraus, dass es zu einem regelrechten Schock kommt und der Handel von einem auf den anderen Tag zusammenbricht, also ähnlich wie 2008.

Das steht nicht zu befürchten. Ein globales Aufrüsten bei Zöllen wäre dennoch problematisch. Es drückt das Wachstum für längere Zeit. Ist die Wirtschaft ansonsten robust, muss es nicht einmal zu einer Rezession kommen. Die Wirtschaft würde stagnieren.

Stagnation ist nun aber nicht gerade ideal. Viele Staaten innerhalb der EU sind immer noch von der Finanzkrise gezeichnet und werden noch Jahre brauchen, bis man von einer vollständigen Genesung sprechen kann.

Stockender Handel ist das letzte, was wir da jetzt brauchen. Insofern überrascht es, dass die EU eine relativ harte Linie fährt, anstatt wie etwa Südkorea ein relativ unbedeutendes Zugeständnis zu machen.

Die EU, Deutschland oder auch die Schweiz haben nicht gleich 40 % oder 50 % ihrer Wirtschaftsleistung im Feuer stehen. Vielmehr steht das Wachstum generell auf dem Spiel. Das ist schlimm genug, zumal höhere Zölle am Ende auch zu höherer Inflation führen. Wirtschaftliche Stagnation und hohe Inflation sind ein problematisches Gemisch, auch politisch.

Wirtschaftlich ist der Konflikt nicht schön, aber auch kein Todesstoß. Politisch kann das ganz anders sein. Wenn es in den Krisenländern keine Verbesserung mehr gibt, sondern eine Eintrübung, wird das früher oder später zu einem Knall führen. Bei mir persönlich erweckt die Perspektive eines Handelskonflikts starke Erinnerungen an die Zeit 2010 bis 2012. Hier steht viel mehr im Feuer (letztlich die EU) als ein paar Prozentpunkte Wachstum.

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4 Kommentare

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    einfach

    die usa hat auf dem weltmarkt mehr zu verlieren, als die eu und andere länder auf dem us markt.

    es mag zwar sein dass die usa vom gesamtbild her einen geringen exportanteil haben, aber was die us großkonzerne anbelangt sieht die sache schon ganz anders aus.

    die meisten us großkonzerne würden über die hälfte ihres umsatzes verlieren.

    dagegen würden die großkonzerne außerhalb der usa nur einen geringen teil ihres umsatzes verlieren, der aber nach kurzer zeit durch dass dann neu hinzukommende weltwirtschaftswachstum der schwellenländer ausgeglichen werden würde.

    das thema gelddrucken haben ja jetzt schon die meisten regionen der welt schätzen gelernt, daran wird es nicht scheitern.

    13:38 Uhr, 09.05. 2018
  • petervonbremen
    petervonbremen

    Eigentlich, lieber Herr Schmale, lese ich fast ausschließlich Ihre Artikel bei GT. Diese sind durchdacht, strukturiert und basieren auf einem guten Fachwissen (soweit ich das überhaupt beurteilen kann). Bei der Überschrift habe ich mir das Lesen allerdings geschenkt, weil diese eh schon verrät was der Artikel hervorbringen wird. - Aus meiner Sicht stellt es sich so da: Europa kann sich hervorragend selbst versorgen und könnte ohne diese ständigen us-amerikanischen Oberlehrer, sehr viel problem- und zielbezogener planen und wirtschaften. - Auch die USA können sich sehr gut selbst versorgen, jedenfalls im Bereich der Landwirtschaft. Brot und Spiele, darin sind die USA sicherlich führend und darin, das Geld anderer Länder auszugeben - die Produkte? in der Regel zweitklassig. - Ich würde meinen Gürtel sofort erheblich enger schnallen, wenn sich die USA in absehbarer Zeit auf sich selbst und ihre Stärken zurückbesännen und nicht auf der ganzen Welt Unruhe stiften müssen. - Und noch etwas - Trump ist sicherlich nich die Inkarnation der Sympathie, voller menschlicher Fehler und eigentlich ja auch kein Politiker (er halt lügt nicht jedesmal, wenn er den Mund aufmacht) - er macht aber sein Ding (ob gut oder böse, kann man diskutieren), viel transparenter als je ein, zumindest mir bekannter amerikanischer Präsident. - Nur einmal so nebenbei.

    12:51 Uhr, 09.05. 2018
  • netzadler
    netzadler

    wenn sich der rest der welt mal einig wäre in der Einschätzung, dass der POTUS gestern scheisse erzählt hat, dann steht der verlierer fest

    12:39 Uhr, 09.05. 2018
  • Hoeli
    Hoeli

    Dennoch ist es richtig der egoistischen, fast schon diktierenden Politik der USA Paroli zu bieten. Fängt man erst mal an Eingeständnisse zu machen, dauert es nicht lange und die Forderungen werden größer. EU first!

    12:14 Uhr, 09.05. 2018

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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