Kommentar
12:43 Uhr, 10.02.2016

Was bedeutet Bernie Sanders für die Börse?

Die US-Präsidentschaftswahlen in den USA finden im November statt. Schon jetzt kristallisiert sich heraus, dass entweder ein Alptraum oder ein linker Überraschungskandidat das Rennen machen könnte.

Sanders wird in den USA gerne als Sozialist beschimpft, ist aus europäischer Sicht betrachtet aber eher der linken Mitte zuzuordnen. Er ist inzwischen Hillary Clintons härtester Konkurrent im Lager der Demokraten. Die Vorwahlen in New Hampshire konnte er überzeugend für sich gewinnen, auch wenn Clintons Lager das noch als Heimatbonus abtut (Sanders stammt aus dem Nachbarstaat Vermont).

Da der wortgewaltige Immobilientycoon Donald Trump bei den Republikanern trotz eines leichten Rückschlags durchaus der republikanische Kandidat werden könnte, rechnen viele Beobachter damit, dass Amerika im Zweifel lieber Sanders die Zukunft des Landes anvertrauen will als Trump. Insbesondere die Jugend liebt den 74jährigen Sanders, der vieles ganz anders machen will. Er steht für einen neuen Politikstil.

Und könnte der Schreck der Wall Street werden.

Nicht nur höhere tatsächlich gezahlte Steuern für Großkonzerne will Sanders durchsetzen (und greift damit z.B. die Steuersparmodelle von Google, Apple und Co an). Sondern auch die unheilige Allianz zwischen der Notenbank Fed und den Großbanken aufbrechen.

“To rein in Wall Street, we should begin by reforming the Federal Reserve, which oversees financial institutions and which uses monetary policy to maintain price stability and full employment. Unfortunately, an institution that was created to serve all Americans has been hijacked by the very bankers it regulates.”

Wer nun aber meint, dass Sanders grundsätzlich die Politik des billigen Geldes infrage stellt, täuscht sich. Tatsächlich übte er sogar harsche Kritik an der jüngsten Zinserhöhung der Fed. Sanders plädiert dafür, Zinsen generell extrem niedrig zu halten.

Und folgende Regel einzuführen:
“As a rule, the Fed should not raise interest rates until unemployment is lower than 4 percent.”

Wow. 4 % Arbeitslosenrate. Aktuell stehen wir bei knapp 5 % und das gilt schon fast als Vollbeschäftigung.

Zinserhöhungen sollten nach Sanders nur das letzte Mittel sein und keinesfalls präventiv genutzt werden, um eine “Phantom-Inflation” zu bekämpfen.

Doch damit nicht genug. Die Fed soll auch dafür sorgen, dass Unternehmen der Finanzbranche wie folgt investieren:
"...are investing in the productive economy by providing affordable loans to small businesses and consumers that create good jobs". Günstige Kredite für kleine Unternehmen, die "gute" Arbeitsplätze schaffen. So etwas klingt natürlich immer gut.

Und wie soll das funktionieren? Sanders plädiert dafür, dass Banken nicht mehr mit Kundengeldern "gamblen" dürfen, was man mit "zocken" übersetzen kann. Ferner fordert er, dass die Fed Banken für Zentralbankguthaben keine Zinsen mehr bezahlen, sondern stattdessen Gebühren erheben soll. Also das Modell, das auch die EZB derzeit fährt ("Strafzinsen").

Sanders will auch den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur fördern sowie die Ungleichheit in den USA abbauen. Der Gegensatz arm/reich ist in den Vereinigten Staaten besonders ausgeprägt.

Was bedeutet das nun für die Börse?

Es ergibt sich ein gemischtes Bild. Einige der Vorschläge sind aus WallStreet-Perspektive klar negativ. Durch höhere Steuern fallen z.B. die Gewinne. Die gesamte Finanzbranche könnte ein großer Verlierer sein.
Andererseits passen Sanders Aussagen hinsichtlich der Fed zu dauerhaft niedrigen Zinsen und würden den Dollar wohl deutlich schwächen, was wiederum den Export ankurbeln dürfte. Weniger Ungleichheit, also in Ansätzen mehr Umverteilung, könnte zu mehr Binnenkonsum führen. Investitionen in die Infrastruktur wären ebenfalls ein Wachstumstreiber und dies auch dauerhaft, weil sich so das Produktionspotenzial erhöht.

Das alles klingt aber auch nicht gerade nach einem Ende der US-Schuldenorgie, sondern eher nach neuen Exzessen.

11 Kommentare

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  • Chamäleon
    Chamäleon

    Wer hat eigentlich ne`Meinung zum Bund Future?

    Der wird leider sehr Stiefmütterlich behandelt, obwohl gerade sehr interessant

    21:17 Uhr, 10.02.2016
  • Kahroba
    Kahroba

    Jemand wie Sanders könnte USA sogar gut tun. die Schere zwischen Arm und Reich bekommt schon bedrohliche Ausmasse. Das Problem ist dass die Amerikaner gleich beim nächsten mal die Republikaner in Kongress stärken würden und es kommt wie schon immer zu einem dead lock.

    Für mich ist erschreckend dass der Besitzer von mehreren Tausend Atom Bomben solche Typen wie Trump oder Rubio wählen will.

    19:02 Uhr, 10.02.2016
  • Bigdogg
    Bigdogg

    Wieso wird wieder nur Trump als Alptraum betitelt. Sanders ist das gleiche auf der anderen Seite. Freizeit-Kommunist und Umverteiler vom Dienst. Da wäre mir Trump sogar noch lieber

    16:14 Uhr, 10.02.2016
  • Sascha Huber
    Sascha Huber Experte für Kryptowährungen

    Die Staatsschulden der USA sind solange völlig egal, wie der US-Dollar die Weltleit- und Reservewährung bleibt. Denn dann werden die Schulden immer bedient, notfalls eben mit Hilfe der Druckerpresse. Nicht umsonst sagte Kostolany einst (sinngemäß): "Es gibt keine Sauerei, die einer Notenbank nicht zuzutrauen wäre".

    Ansonsten sehe ich bei den Präsidentschaftswahlen Trump vorne und halte ihn, insbesondere im Vergleich mit Hillary, sogar für das kleinere Übel. Er mag jetzt laut herumpoltern, aber wie hier schon geschrieben wurde, ist er auch als Präsident kein allmächtiger Diktator und braucht für viele Dinge die Zustimmung von beiden Häusern. Abgesehen davon hat die Welt einen George W. Bush überlebt, dann wird sie auch einen Trump überleben. Letztlich ist es doch nahezu egal, wer da im Weißen Haus sitzt.

    Barack Obama ist einst als Tiger gesprungen und inzwischen als Bettvorleger geendet. Außer Drohnenkriege hat er doch nichts hinbekommen (Guantanamo ist bspw. bis heute nicht - wie versprochen - geschlossen) und Syrien ist im Prinzip sein Offenbarungseid...

    14:58 Uhr, 10.02.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Chamäleon
    Chamäleon

    Wer ist eigentlich für die Wirtsschaftterminseite von GTM zuständig?

    Yellen labert schon seit 14:30, soll aber lt. GTM erst um 16:00 sein.

    Das ist aber nicht schön, wenn Änderungen nicht aktualisiert werden.

    14:50 Uhr, 10.02.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Fredo Escalade
    Fredo Escalade

    Hallo Herr Hoose,

    generell schätze ich Ihre Beiträge auf GMT für den vom Mainstream abweichenden Output. Der hier hier eingestellte Kommentar ist allerdings nicht nur ungewohnt inhaltsleer, sondern auch fragwürdig.

    Sie benutzen ernsthaft die Sozialismus-Keule (!?), um einen bisher stringent und - für einen US-Politiker - aufrecht handelnden Senator Sanders zu verunglimpfen?

    Und Sie werfen ernsthaft den "Sozialisten" (Demokraten) die Schulden der USA/dieser Welt vor? Das ist nicht nur billig, sondern haarsträubend...

    Sie weisen sonst - völlig zu Recht - darauf hin, dass in einem FIAT-Money-System die ansteigenden Verschuldung EIN IMMANENTER "Fehler" ist.
    Wollte man diesen Prozess stoppen, würde man quasi den Kollaps der Real-Wirtschaft auslösen (ich argumentiere hier im bestehenden System)!

    (Anmerkung:
    wier werden sehen was uns die "Schuldenbremse" in der BRD ab 2020 für verheerende Auswirkungen einbringt, ich verweise auf folgende dramatische Privatisierungen von allem was nicht niet- und nagelfest ist - 100% private Autobahnen/Schulen/Universitäten/... sind dann wohl noch unser kleinstes Problem...)

    Sie sollten daher eher darauf verweisen, dass nicht Trump oder Sanders die Gefahr darstellen, sondern die Wall Street und die City of London u.ä.

    Kein Präsident kann ernsthaft GEGEN diese "Institutionen" eine für die Mehrheit der Menschen sinnvolle Politik betreiben!
    Das gilt auch für eine gewisse Frau Clinton oder einen Herrn Bush, wobei ich diese für NOCH DEUTLICH FRAGWÜRDIGER halte als die von Ihnen beschriebenen Herren Trump und Sanders.

    Sie sollten daher nicht die wirklichen Ursachen der unkontrollierten privaten Geldherrschaft durch m.A.n. kriminell agierende Geschäfts- und Notenbanken (und die dahinter stehenden privaten "Persönlichkeiten" bzw. "Teilhaber") mit Politikerschelte VERNEBELN.

    Egal welche Politiker uns all-abendlich im TV anlächeln - sie haben definitiv NICHT die Macht auf diesem Globus...

    GRÜßE,

    F.E.

    14:12 Uhr, 10.02.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Sozialisten (dazu zählen im weitesten Sinne auch die US-amerikanischen "Demokraten") sind ja traditionell der Geldschwemme zugetan. Zur allgegenwärtigen Schuldenorgie in den USA würde ein US-Präsident Sanders daher ganz hervorragend passen.

    Ich fürchte aber, nach acht Jahren der Läuterung hat der "starke Mann" Donald Trump bei den US-Bürgern die besseren Karten. Für den Weltfrieden wäre das höchstwahrscheinlich verheerend.

    Womit wir wieder beim Geldausgeben und der nächsten Geldflut wären. Sieht so aus, als könne man das drehen und wenden wie man will: Geldpolitisch betrachtet steuern wir auf das große Finale zu...

    13:35 Uhr, 10.02.2016
  • Bowking
    Bowking

    Ach, das ist doch immer das Gleiche. Hört sich alles nett an, aber ein erfolgreicher Präsi muss erst mal die Mehrheit in beiden Häusern haben. Und da gilt es erst mal abzuwarten... - Natürlich wäre Sanders wahrscheinlich und aus meiner Sicht immer noch das kleinste Übel - von ALLEN Kandidaten.

    12:55 Uhr, 10.02.2016

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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