Was bedeuten die Wahlen in Frankreich und Griechenland für die Märkte?
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Die Bürger Frankreichs und Griechenlands haben gewählt, und sie stellen die ganze Eurozone vor große Herausforderungen. In Frankreich hat der Sozialist und Merkel-Kritiker François Hollande die Präsidentschaftswahl für sich entschieden. Er will den europäischen Fiskalpakt neu verhandeln und um eine Wachstumskomponente ergänzen. In Griechenland haben sich die Bürger bei der Parlamentswahl mehrheitlich gegen die Sparauflagen von EU, EZB und IWF ausgesprochen. Eine schallende Ohrfeige für die seit vier Jahrzehnten die griechische Parteienlandschaft dominierenden Konservativen und Sozialisten. Die Verfechter des umstrittenen Sparprogramms haben die Mehrheit im Parlament wohl knapp verfehlt, obwohl die stärkste Partei durch das griechische Wahlrecht stark bevorzugt wird und 50 Sitze mehr erhält, als ihr nach dem Stimmenanteil eigentlich zustünde. Die radikalen Parteien am linken und rechten Rand lehnen die Sparauflagen überwiegend ab und fordern eine Neuverhandlung des griechischen Bailouts, und auch die beiden geschrumpften griechischen Volksparteien scheinen inzwischen auf diesen Kurs umzuschwenken. Sollte sich die nächste griechische Regierung nicht an die Sparziele halten, wird die Wahrscheinlichkeit eines Euro-Austritts stark zunehmen. Denn der IWF hat bereits im Vorfeld der Wahlen angedeutet, dass er eine strikte Einhaltung der Sparauflagen fordert und andernfalls seine Kredithilfen beendet. Auch die europäischen Partner dürften früher oder später ihre Unterstützung beenden, denn Griechenland erweist sich mehr und mehr als Loch ohne Boden. Ohne internationale Unterstützung wird ein Euro-Austritt Griechenlands aber fast unvermeidlich, denn nur durch eine eigene Währung ließen sich die wirtschaftlichen Probleme des Landes lösen. Die Citigroup sieht die Wahrscheinlichkeit eines Euro-Austritts Griechenlands bereits bei 50 bis 75 Prozent. Was zumindest auf lange Sicht gut für Griechenland wäre, könnte katastrophal für den Rest Europas werden. Denn sollte Griechenland tatsächlich den Euro verlassen, könnte dieses Ereignis zum Startschuss für die Märkte werden, auf eine vollständige Auflösung der Eurozone zu spekulieren. Deutschland hat hunderte von Milliarden Euro im Feuer liegen, die potenziell gefährdet wären.
Was bedeuten die Wahlergebnisse für die Märkte? Die Wahlen in Frankreich und Griechenland dürften zu einer Destabilisierung der politischen Lage in der Eurozone und einer noch größeren wirtschaftlichen Unsicherheit führen. Auch wenn es zu einer Ratifizierung des Fiskalpaktes kommen sollte, was in Deutschland schon aus verfassungsrechtlichen Gründen keinesfalls sicher ist, wird der neue französische Präsident Hollande auf eine stärkere Förderung von Wachstum und Beschäftigung in der Eurozone pochen. Diese Forderung ist nicht per se falsch. Falsch wäre es aber, wie in der Vergangenheit unter Wachstumsförderung vor allem schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme zu verstehen. Derartige Programme könnten zwar kurzfristig zu einem Anstieg der Beschäftigung führen, würden mittelfristig die vorhandenen Probleme aber nur verschärfen. Richtig und notwendig wären Strukturreformen, insbesondere eine konsequente Deregulierung und Liberalisierung von Märkten und Preisen und eine radikale Entbürokratisierung, um Wachstumsimpulse zu befördern und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Dass die neue französische Regierung unter François Hollande diesen Kurs verfolgen wird, ist sehr unwahrscheinlich, hat Hollande doch vor den Wahlen beispielsweise angekündigt, den gesetzlichen Mindestlohn in Frankreich zu erhöhen und 60.000 neue Lehrer einzustellen. Ohne ernsthafte Konsolidierungsbemühungen sind aber alle Rettungsschirme und Brandmauern Makulatur.
Bereits am Freitag haben schwache US-Arbeitsmarktdaten und die Unsicherheit vor den Wahlen in Frankreich und Griechenland die Anleger in den sicheren Hafen der Bundesanleihen getrieben. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen rutschte erstmals unter die Marke von 1,60 Prozent. Am Montag geht die Rekordjagd weiter - der Bund-Future markiert erneut ein neues Allzeithoch. Die Aktienmärkte stehen bereits seit zwei Monaten unter Druck. Der DAX hat seit Mitte März rund zehn Prozent verloren. Die Ergebnisse der Wahlen in Frankreich und Griechenland sind zwar nicht wirklich überraschend. Da die Urnengänge allerdings den bisherigen Kurs in der Euro-Rettung ernsthaft in Frage stellen und die Eurozone wohl in einer Rezession steckt, könnte weiter Potenzial nach unten bestehen. Die kommenden Wochen und Monate bleiben spannend.
Oliver Baron
Redakteur BoerseGo.de/Jandaya.de
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