Warum können Banker nicht wie Bäcker sein?
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- Durch Kulturwandel und die Einführung neuer Aufsichtsregeln wurde in den letzten Jahren viel getan, um die Situation der Banken zu verbessern.
- Es hat bisher aber wenig genutzt. Es ist der falsche Ansatz.
- In den Banken müssen die marktwirtschaftlichen Prinzipien, die in der Krise verloren gegangen sind, wieder zur Geltung gebracht werden.
Eigentlich müssten die Banken so gesund sein wie schon lange nicht mehr. Seit der großen Finanzkrise, also seit mehr als fünf Jahren, wird alles getan, um sie "zu retten". In dieser Woche wurde das große Gesetzespaket der Bankenunion beschlossen. Trotzdem stehen sie nach wie vor in der Kritik. Da stimmt doch etwas nicht. Könnte es sein, dass wir bei der Gesundung des Bankensektors auf das falsche Pferd setzen? Ja, das glaube ich in der Tat.
Die Maßnahmen, die in den vergangenen Jahren ergriffen wurden, haben zwei Stoßrichtungen. Die eine geht von den Banken selbst aus. Sie hat das Ziel, verloren gegangenes Vertrauen wieder zu gewinnen. Die Deutsche Bank etwa hat sich dazu einem Kulturwandel verschrieben. Die zweite Stoßrichtung kommt von den Regierungen. Durch verschärfte Vorschriften für die Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung, für die Haftung und Abwicklung von Banken und durch eine neue europäische Aufsicht bei der EZB sollen die Banken sicherer werden. Dazu kommen noch detaillierte Richtlinien zum Anlegerschutz und zur Aufstellung der Finanzdienstleister.
Beides ist im Prinzip vernünftig. Objektiv gesehen sind die Banken daher heute besser als noch vor ein paar Jahren. Warum stehen sie dann aber immer noch am Pranger? Zum Teil liegt es daran, dass die Veränderungen Zeit brauchen, bis sie sich voll auswirken. Manche Regulierungen zum Beispiel im Bereich des Anlegerschutzes gehen in ihrer bürokratischen Ausgestaltung vielleicht auch etwas zu weit. Eine Entbürokratisierung wäre sinnvoll.
Das wichtigste aber ist: Die bisherigen Maßnahmen sind der falsche Ansatz. Die Banken müssen nicht mehr reguliert werden. Sie müssen vielmehr zuerst wieder Teil der Marktwirtschaft werden. In einer Wettbewerbsordnung geht es nicht in erster Linie um Kultur oder um staatliche Vorschriften für einzelne Unternehmen. An oberster Stelle steht der Wettbewerb, vor allem die volle Haftung der Banken für ihr Geschäft. Das ist die Voraussetzung dafür, dass sie als Unternehmen funktionieren.
Das ist es, was dafür sorgt, dass die Banken kundenorientiert sind. Sonst können sie nicht überleben. Das zwingt sie, eine ausreichende Kapitaldecke zu halten. Sonst bekommen sie nicht ausreichende Eigenmittel am Kapitalmarkt. Das muss sie dazu bringen, risikoorientiert zu handeln. Sonst will niemand mit ihnen Geschäft machen. Daran fehlt es bisher.
Natürlich bleibt der Staat dabei nicht untätig. Er soll für stabile Rahmenbedingungen für die Konkurrenz sorgen. Nur wenn die Wettbewerbsmechanismen, die überall sonst funktionieren, nicht greifen, muss er weiter gehen. Jeder weiß, dass es auf den Finanzmärkten aufgrund der Eigenart der dortigen Geschäfte zum Teil schärfere Regeln geben muss. Es ist zum Beispiel gut, dass der Staat auf höheren Eigenkapitalquoten besteht, als sie sich bisher im Wettbewerb ergeben haben. Das steht dem Grundprinzip aber nicht entgegen.
Es gibt in der Marktwirtschaft die Regel: Wettbewerb so viel wie möglich, staatliche Eingriffe so viel wie unbedingt nötig. Der Staat muss vor jedem Eingriff nachweisen, dass es ohne die Eingriffe nicht geht. Im Bankensektor hat man derzeit manchmal den Eindruck, als gelte die umgekehrte Priorität: Staatliche Eingriffe so viel wie möglich. Wettbewerb nur dort, wo staatliche Eingriffe nicht funktionieren. Das ist mit einer Marktwirtschaft nicht vereinbar.
Manche sagen, Banken eigneten sich nicht für eine Wettbewerbsordnung. Das ist ein Vorurteil, das sich durch nichts belegen lässt. Tatsächlich hat es den marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmen auf den Finanzmärkten lange Zeit gegeben. In Deutschland wurde er etwas später eingeführt als die allgemeine Marktwirtschaft, nämlich erst 1967. Dann hat er aber ordentlich funktioniert.
Erst in der Phase einer weltweit immer weniger disziplinierten Geld- und Wirtschaftspolitik vor zehn Jahren geriet das System in Unordnung. Nach dem "Lehman-Moment" rettete der Staat dann immer mehr Banken, selbst wenn das zur Aufrechterhaltung der Finanzmärkte nicht unbedingt erforderlich war. Er führte den Begriff der systemrelevanten Banken ein, die nicht pleitegehen können. Dadurch hat er am Ende die Konkurrenzwirtschaft ausgehebelt. Wer nicht pleitegehen kann, muss sich auch nicht wirklich um Kunden, Eigenkapital und Risikovorsorge kümmern. In Zweifel hilft der Staat.
Manche sagen, die Banker seien menschlich nicht geeignet, um sie dem Wettbewerb zu überlassen. Unabhängig ob das richtig oder falsch ist: Auch das Argu-
ment zieht nicht. Es gibt hier in der Marktwirtschaft zwei Grundregeln. Die eine: Jeder Mensch soll sich an die ethischen Grundregeln halten. Das haben viele in der Vergangenheit nicht getan, und das muss geändert werden. Daher der Kulturwandel. Die zweite nicht weniger wichtige: Die Wirtschaft funktioniert auch dann, wenn nicht alle Menschen gut sind und sich ethisch richtig verhalten. Es ist der Wettbewerb und die "unsichtbare Hand" der Marktwirtschaft, die die Eigeninteressen aller Einzelnen – wie auch immer sie ethisch
zu bewerten sind – zum Wohl aller kanalisiert.
Der Altmeister der Ökonomie, Adam Smith, formulierte das so: "Es hängt nicht vom Gemeinsinn des Metzgers, des Bierbrauers oder des Bäckers ab, dass wir unser Abendessen bekommen, sondern davon, dass sie ihre Eigeninteressen verfolgen." Bei den Bäckern, Metzgern und Bierbrauern scheint das zu funktionieren. Da hört man wenig Klagen über moralische Verfehlungen. Die Semmeln schmecken, auch wenn die Bäcker bestimmt nicht bessere Menschen sind. Warum können Banker nicht so sein wie die Bäcker von Adam Smith? So fragte vor einiger Zeit ein Kommentar in der Financial Times. Sie können es. Wir müssen nur den Wettbewerb als unsichtbare Hand zulassen.
Für den Anleger
Die Überlegungen zur Gesundung des Bankensektors haben unmittelbar nichts mit dem Anlegen zu tun. Indirekt aber schon. Das schlechte Image der Banken drückt auf die Kurse der Bankaktien, erhöht aber die Zinsen der Bankanleihen. Ich fürchte freilich, dass sich das so schnell nicht ändern wird.
Dr. Martin W. Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management S.A.
Anmerkungen oder Anregungen? Ich freue mich auf den Dialog mit Ihnen: martin.huefner@assenagon.com.
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