Kommentar
12:00 Uhr, 06.09.2007

Wars das schon?

Wenn ich mich im Kollegenkreis umhöre, scheint die jüngste Krise schon fast wieder vergessen zu sein. „Die CDOs bewegen keine Kurse mehr“ war so ein Statement. Auch die EZB läutet wieder Normalisierung ein: Der gestrige Wochentender wurde nicht mehr so großzügig ausgestattet wie die Wochen zuvor. So langsam macht sich die Notenbank dran, das Geld zum Teil wieder einzusammeln, das in der Kulmination der Krise per Gießkanne verteilt wurde. Die Banken dagegen machen sich wohl doch noch etwas Sorgen um ihre Liquiditätsversorgung, wie man am Tagesgeldzins sieht, der deutlich über den 4.0% des Leitzinses liegt. Auch die Aktienmärkte indizieren, dass womöglich das Schlimmste vorüber ist – die Erholung ist doch zumindest recht massiv. Trotzdem wäre es blauäugig, davon auszugehen dass das Thema schon gegessen ist. Das ist es garantiert nicht – aber die Notenbanken stehen Gewehr bei Fuß.

Besonders in den USA: Dort herrscht im Grunde immer noch die Greenspan-Doktrin. In ökonomisch schweren Zeiten schnell und entschlossen die Zinsen senken, zur Not auch massiv Staatsanleihen und andere Wertpapiere über den Markt kaufen und so Liquidität schaffen – das ist in dieser Lesart die Aufgabe der Zentralbank. Nicht nur Greenspan war ein Verfechter dieses Ansatzes, auch sein Nachfolger Bernanke. Auch wenn er sich derzeit doch etwas zurückhält – seine früheren Reden sind Legende unter Fed-Kritikern – der Name Helikopter-Ben ist allen noch ein Begriff. Bernanke ist wie die meisten Notenbänker der Ansicht, dass ein entschlossenes Eingreifen eine Krise wie z.B. in den 30er Jahren rechtzeitig abwehren kann. Der Hintergrund: Ein Fortschreiben der aktuellen Hypotheken-Krise würde ohne Intervention von Staats- oder Notenbankseite stark deflationären Charakter haben. Denn wenn massenweise Kredite platzen gibt es massenhaft Hauseigentümer die pleite sind und verkaufen müssen. Das drückt nicht nur immens die Häuserpreise, sondern auch allgemein den Konsum. Die kollektiven Erinnerungen an die Deflation sitzen in den USA sehr tief (das gilt übrigens analog dazu in Deutschland für die Inflation). Deswegen ist dort die weit verbreitete Meinung: Wenn schon die Wahl zwischen Pest und Cholera, dann lieber Inflation. Das ist übrigens mit ein Grund dafür, dass der Dollar langfristig weiter an Wert verlieren dürfte. Denn diesseits des großen Teichs ist die Tradition dann doch eher durch das deutsche Denken geprägt. Und wenn Sie sich in Deutschland umhören, würde man tendenziell wohl eher Deflation als Inflation haben. Sowohl in der Bevölkerung als auch in der Politik und Ökonomie. Die EZB betont die Bekämpfung der Inflation denn auch wesentlich stärker als die Fed. Langfristig heißt das nicht anderes, als dass – einfach ausgedrückt – die Dollar-Geldmenge deutlich stärker steigen wird als die Euro-Geldmenge. Wars das schon? Ich glaube nicht. Die eigentliche Krise wird eine Dollar-Krise, aber wann die wirklich akut wird weiß nun mal keiner.

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Daniel Kühn - Chefredakteur vom Forex-Report.de

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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