Analyse
11:10 Uhr, 14.03.2023

VONOVIA - Was macht die Aktie nach den Zahlen am 17.3.?

Europas größter Bestandshalter von Wohnungen (über 560 TSD eigene Objekte) steckt wie die gesamte Branche in einer unangenehmen Situation: Die Zinsen steigen, die Immobilienpreise geraten unter Druck, und die Mieten lassen sich nicht adäquat anpassen.

Erwähnte Instrumente

  • Vonovia SE - WKN: A1ML7J - ISIN: DE000A1ML7J1 - Kurs: 20,480 € (XETRA)
  • Deutsche Wohnen SE - WKN: A0HN5C - ISIN: DE000A0HN5C6 - Kurs: 21,060 € (XETRA)

Wenn Vonovia-CEO Rolf Buch am 17.3. die Zahlen für 2022 und den Ausblick für 2023 präsentiert, wird er sich vielleicht ungern an gar nicht so alte Aussagen zur Entwicklung der Immobilienpreise erinnern. Ende Dezember sagte Buch in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“: "Der Leerstand in den Städten ist niedrig. Ich habe selten erlebt, dass die Preise sinken, wenn die Nachfrage höher ist als das Angebot“. Und: „Natürlich werden wir die Wertsteigerungen der vergangenen Jahre so schnell nicht mehr sehen, aber die Werte werden weitestgehend stabil bleiben".

Die Immobilienpreise fallen - nicht stark, aber spürbar

Inzwischen weiß man, dass nicht nur der Transaktionsmarkt heftig eingebrochen ist, wie man eindrucksvoll den Meldungen von Hypoport entnehmen kann. Auch die Preise kommen leicht ins Rutschen.

Nicht crashartig, aber spürbar. Je nach Stadt liest man von Rückgängen von 0 bis 10 % - seit Herbst! Ob sich diese Entwicklung verstetigt oder bald ein Boden gefunden ist, dazu gehen die Meinungen weit auseinander. Ein wesentlicher Faktor ist natürlich die Zinsentwicklung. 10-jährige Baudarlehen touchieren wieder die 4 %-Marke. Zuletzt kamen die Staatsanleiherenditen, die maßgeblich auch für die Bauzinsen sind, jedoch im Gefolge der US-Bankenkrise heftig unter Druck. Vielleicht ein Hoffnungsschimmer für die gebeutelte Immobilienbranche.

Vonovia SE
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Muss Vonovia Immobilien abwerten?

In dieser Situation stellt sich die Frage, ob Vonovia wirklich merklichen Abwertungen des Immobilienbestandes ausweichen kann. Es ist nicht besonders wahrscheinlich, und es gibt ja auch Wirtschaftsprüfer, die da ein Wort mitzureden haben.

Zuletzt wies Vonovia einen Verkehrswert des Immobilienbestandes von gut 99 Mrd. EUR aus. Daraus abgeleitet ergab sich Ende September 2022 als Substanzwert ein EPRA NTA (Net Tangible Assets) von 49,7 Mrd. EUR oder 62,54 EUR/Aktie. Der NDV (Net Disposable Value) liegt bei knapp 40 EUR und gibt ein besseres Gefühl für die wahre, "harte" Substanz. Hier wird ein Verkaufsszenario unterstellt. Bei einem Aktienkurs von rund 20 EUR sieht das natürlich dennoch recht günstig aus.

Die Berechnung des NAV bringt es mit sich, dass eine Korrektur des Immobilienbestands mit Hebel auf den NAV durchschlägt. Bei der Finanzierungsstruktur, die hier vorliegt, kann man als Faustformel mit einem knappen Zweier-Hebel arbeiten: Wenn man 10 % abwertet, wird der NAV um 15-20 % fallen (das ist aber alles andere als exakt!)

Ehrlich gesagt ist dies meine Mindesterwartung, wenn man die neue Situation, die sich eben nicht als temporär erwiesen hat, angemessen bilanziell reflektieren will. Es gibt im Markt auch Meinungen, die sehen einen Bedarf von eher 20 % Abwertung. Dem würde ich aktuell nicht folgen.

NAV, LTV, FFO

Sollte ich recht behalten, werden wir also demnächst bei Vonovia einen NTA von geschätzt 50-55 EUR sehen und einen NDV von 32-35 EUR. Das ist dann eine recht gute Basis für Anlageüberlegungen, wenn man auf Substanz setzen will.

Der LTV (Loan to Value), eine sehr wichtige Kennzahl in der Branche, lag Ende September bei 43,4. Der LTV setzt Finanzschulden ins Verhältnis zum Verkehrswert der Immobilien. Der LTV würde bei Abwertung des Bestands und unter sonst gleichen Bedingungen natürlich auch spürbar steigen, in den Bereich um geschätzt 46 bis 47. Eigentlich ist das deutlich zu hoch und sollte aus meiner Sicht unbedingt auf nachhaltige Werte um 40 gesenkt werden. Dies kann auch durch Verkäufe passieren, was ja auch der Plan ist.

Der FFO, die wichtigste Ertragsgröße in der Branche (operativer Gewinn nach Zinsen und Steuern), dürfte 2022 bei gut 2 Mrd. EUR gelandet sein. Hier ist für 2023 mit einem leichten Rückgang zu rechnen.

Der FFO ist auch maßgeblich für die Dividende, ein heikles Thema aktuell. 70 Prozent des FFO (nach "Anteilen Dritter", hier geht es vor allem um die Minderheitsaktionäre der 89 %-Tochter Deutschen Wohnen) sollen eigentlich ausgeschüttet werden.

Die Frage der Dividende

Rein betriebswirtschaftlich betrachtet wäre es sehr vernünftig, die Dividende auszusetzen, wie es auch andere getan haben (siehe TAG Immobilien und LEG Immobilien), da Vonovia das Geld besser zur Schuldenreduktion und für Investitionen nutzen könnte. Aber die Börse ist da gnadenlos, die Vernichtung der LEG-Aktie nach deren Dividendenstreichung wird man bei Vonovia genau beobachtet haben. Insofern kann es sein, dass Angst dazu führt, dass die Dividende wider die wirtschaftliche Vernunft weiter gezahlt und vielleicht nur leicht gekürzt wird.

Die Dividendenerwartungen für die kommenden zwei Jahre liegen im Bereich um 1,67 / 1,68 EUR / Aktie. Das ist eine Dividendenrendite von über 8 % ! Aber es muss jedem klar sein: Wenn die Zinsen längere Zeit nicht fallen und die Mieten nicht angemessen steigen (können!), dann schneidet sich Vonovia das Geld für die Dividende mehr oder weniger aus den Rippen heraus. Das ist dann nicht nachhaltig.

Andererseits ist die Erwartung nicht abwegig, dass sich das Zinsumfeld perspektivisch deutlich aufhellt, es hat ja durch die Bankenkrise schon begonnen - Flucht in Sicherheit findet statt.

Die Schulden

42 Md. langfristige und 3,6 Mrd. kurzfristige Finanzschulden stehen in der Vonovia-Bilanz (Stand 30.9.2022). Jedes Jahr müssen nun 3 bis 5 Mrd. EUR refinanziert werden. Je nachdem, wie lange die Zinsen hoch bleiben, fressen sich die im Vergleich zu früher schlechteren Refinanzierungsbedingungen dann durch die GuV.

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Fazit

Chancen und Risiken bei Vonovia geben sich die Hand, aber die Chancen scheinen zu überwiegen. Insgesamt ist schon recht viel in der Aktie eingepreist. Die Aktie notiert sehr klar unter dem Substanzwert, auch wenn man eine deutliche Abwertung der Immobilien berücksichtigt. Wie die Aktie nach den Zahlen reagiert, wird wohl auch maßgeblich davon abhängen, ob Vonovia die Dividenden streicht oder kürzt. Wenn sich nicht eine massive Verschlechterung der Aussichten abzeichnet, dürfte die Aktie um 20 EUR herum ein Kauf sein, speziell auf lange Sicht.

Noch zwei Hinweise:

  • Ich habe die aktuellen Nachrichten rund um die Razzia bei Vonovia nicht thematisiert, weil ich das für den Kontext der Aktienbewertung für bedeutungslos halte.
  • Bilanziell/fundamentalanalytisch interessanter als Vonovia ist die Tochter Deutsche Wohnen. Die Kennzahlen sehen hier um einiges besser aus, der LTV liegt im 25er-Bereich. Allerdings gibt die Muttergesellschaft den Minderheitsaktionären wenig Grund zur Freude, so gibt es zum Beispiel keine Dividende. Die Story hier ist eher, dass Vonovia irgendwann (wenn es bzgl. der Grunderwerbssteuerthematik möglich ist) auch die restlichen 10 % übernehmen wird.


Offenlegung: Ich bin in Aktien von Vonovia und Deutsche Wohnen investiert.

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Chefredakteur

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der vielseitig interessierte Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Seit 2012 leitet Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader)
Besondere Interessenschwerpunkte des überzeugten Liberalen sind politische und ökonomische Fragen und Zusammenhänge, Geldpolitik, Aktien, Hebelprodukte, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie generell neuere technologische Entwicklungen.

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