Kommentar
10:41 Uhr, 13.08.2012

Versucht Saudi Arabien, den Ölpreis zu manipulieren?

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Seit drei Jahren gibt es am Ölmarkt ein volatiles Auf und Ab, was die Portemonnaies der Menschen belastet, die Gewinne der Privatwirtschaft schmälert und Renditepläne von Investoren durchkreuzt, weil die Aktien fallen, wenn das schwarze Gold zu teuer wird. Geopolitische Risiken ließen die Preise erst in die Höhe ragen, dann stürzten sie wegen der Angst um einen Nachfrageeinbruch wieder ab. Als wäre dies nicht genug gewesen ging zum Jahresbeginn der gleiche Ablauf wieder genauso von vorne los. Wie soll das noch weitergehen?

Die OPEC beharrt trotz der weltweiten Wachstumsabschwächung persistent auf eine Förderquote von 30 Millionen Barrels pro Tag. Das ist bereits hoch. Tatsächlich halten sich die Förderländer aber nicht daran und fördern pro Tag gut 1,45 Millionen Barrels mehr, als erlaubt. Allen voran steht Saudi Arabien, das seine Produktion in den vergangenen zwei Jahren von etwas über 8 auf mehr als 10 Millionen Barrels vergrößerte. Vielleicht steckt da die Idee dahinter, zumindest lauten Gerüchte dahingehend, dass man so die Weltmarktpreise senken will, um alternativen Quellen von Öl den Gar auszumachen.

Im Nahen Osten verfolgt man die Erschließung von Ölschiefer sehr genau. Im Jahr 2005 gelang den Amerikanern der Durchbruch bei der Förderung dieser unkonventionellen Ölvorkommen. Dank einer neuen Bohrmethode wurden seither gut 80.000 neue Stellen geschaffen und einige optimistische Analysten wie Ed Morse von Citigroup gehen davon aus, dass die USA bis zum Jahr 2020 unabhängig von Ölimporten aus dem Ausland werden könnten.

Schon immer war die Ölfrage mit Macht verbunden. Gegen das Argument, dass Saudi Arabien versuche, die Weltmarktpreise nach unten zu treiben, um konkurrierende Ölquellen wie Ölschiefer oder Ölsand vom Markt zu verdrängen, spricht die hohe Abhängigkeit der Region von den Einnahmen aus dem Ölverkauf. Die Staaten aus dem Nahen Osten sind also von Natur aus auf möglichst hohe Öleinnahmen angewiesen. Und schlussendlich ist der Trend hin zu alternativen Treibstoffen kaum mehr aufzuhalten. Wir alle haben die erschreckenden Prognosen gehört, die einen Ölpreis von über 200 USD/Barrel vorhersagen.

Die Gesellschaften der Öl verbrauchenden Staaten haben längst Wege beschritten, die eine Energieversorgung auch für die Zeit nach dem Öl sicherstellen werden. Die Internationale Energieagentur IEA geht davon aus, dass bis zum Jahr 2050 die Hälfte des Treibstoffbedarfs in den OECD-Industrieländern durch Biokraftstoffe gedeckt werden wird. Das alles hilft aber nicht hinweg über die eben nun mal derzeit existierende Abhängigkeit der Industrieländer vom Öl. Die Frage, wo der Ölpreis sich in den nächsten fünf Jahren hinentwickeln wird, ist also von entscheidender Bedeutung.

Die USA haben in dieser Frage einen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Rest der Welt erlangt. Ölschiefer lässt die Ölproduktion dort sprudeln, vor allem die Bundesstaaten Alberta, North Dakota und Texas fluten die Verladestelle Cushing im Bundesstaat Oklahoma mit Öl. Da die Pipeline-Netze der USA nicht darauf diese immensen Mengen Öl ausgelegt sind, kann das Öl nicht in den Mengen an den Golf von Mexiko transportiert werden, wo es auf dem Exportmarkt verkauft werden könnte. Deshalb kostet die US-Ölsorte WTI seit Ende des Jahres 2010 rund 15 USD/Barrel weniger, als ein- und dieselbe Menge Brent. Die Differenz der Preise der beiden Ölsorten wird zusätzlich noch dadurch erhöht, dass die Ölquellen der Nordsee immer weniger Öl hergeben, noch in diesem Jahrzehnt, befürchten Experten, werden die Quellen ganz versiegen.

Weiter nördlich auf dem amerikanischen Kontinent starten die kanadischen Ölproduzenten durch. Sie werden in diesem Jahr vermutlich erstmals über drei Millionen Barrels täglich fördern, mehr als 80% davon stammt nicht mehr aus konventionellen Quellen, sondern aus Ölsand oder anderen so genannten „unkonventionellen Quellen“. Das Überangebot auf dem kanadischen Markt ist daher noch höher, als in Cushing, weshalb etwa die kanadische Ölsorte Edmonton Syncrude Sweet nochmal rund drei USD weniger kostet, als WTI.

Die Aussicht auf höhere Verkaufspreise hat die Öltrassenbetreiber bereits dazu bewegt, hohe Millionensummen in den Ausbau des Transportnetzes zu investieren. In den kommenden Jahren werden die Kapazitäten für den Transport von Öl von Cushing an den Golf von Mexiko steigen, wodurch sich auch die Differenz zwischen WTI und Brent wieder verringern könnte. Sollte die stark politisierte Keystone-XL-Pipeline nach den Präsidentschaftswahlen bewilligt werden, könnte sich auch die Preisdifferenz von kanadischem zu US-amerikanischem Öl wieder verringern.

Kanada ist der wichtigste Öllieferant der USA. Über zwei Drittel des Öls, das Kanada produziert, kann es exportieren – im Jahr 2011 betrug die Exportmenge Kanadas erstmals über zwei Millionen Barrels pro Tag. Die USA beziehen heute bereits 29% ihres Öls vom nördlichen Nachbarn, lediglich 14% kommen noch aus Saudi Arabien.

Auf kurzfristige Sicht hat die US-Ölsorte WTI das Potenzial bis auf knapp 100 USD zu steigen. Die Kursentwicklung zwischen Anfang Mai und Ende Juli ist aus charttechnischer Sicht als temporäre Bodenbildung zu interpretieren, woraus ein WTI-Ziel bei dieser runden Marke ermittelt werden kann. Die Rally beim Brent schritt bereits weiter voran. Seit dem Tief im Brentöl am 22. Juni verteuerte es sich um 26%, WTI hingegen lediglich um 19%. Die Preisdifferenz vergrößerte sich in der gleichen Zeit von 11 auf 19 USD/Barrel. Das ist besonders bitter für alle Menschen in Deutschland, die mit dem Auto in Urlaub fahren wollen. Zusätzlich wirkt auch der seit Mitte Juni um 2,5% gefallene Wechselkurs des EUR zum USD als Inflationstreiber an den Tankstellen.

Das Wachstum in den USA dürfte angesichts der aufkommenden Diskussionen über automatisch in Kraft tretende Steuererhöhungen und Senkungen öffentlicher Ausgaben zum Jahreswechsel (fiskalische Klippe) im Rest des Jahres eher schwach bleiben. Obwohl Chinas Regierung mit Lockerungen der Geldpolitik und wachstumsfreundlichen fiskalischen Maßnahmen versucht, für neues Wachstum zu sorgen, ergeben die Makrodaten aus der Volksrepublik bislang keine kongruenten Daten. Da neben China auch andere Emerging Markets unter der globalen Wachstumsdelle leiden, dürfte die Ölnachfrage eher schwach bleiben. Die Emerging Markets waren in den vergangenen Jahren die einzige Quelle zusätzlicher Ölnachfrage. In den Industrieländern ging der Ölbedarf zurück.

Eine zentrale Rolle kommt beim Ausblick für die Weltwirtschaft der europäischen Staatsschuldenkrise zu. Sie ist zu einem Teil eine Staatsschuldenkrise, zum anderen handelt es sich hierbei auch um ein Strukturproblem. Das gesetzlich machbare scheint erreicht, weitere Kompetenzen können nicht mehr auf europäische Institutionen übertragen werden, während die parlamentarische Kontrolle von nationalen Parlamenten noch weiter übernommen werden soll. Das gilt vor allem für die Frage über die Budgehohheit der nationalen Regierungen, die im Zuge des Fiskalpaktes und des ESM betroffen wäre.

Die Rally beim Ölpreis könnte also kurz vor ihrem vorläufigen Hochpunkt stehen. Am 12. September wird Holland seine Regierung wählen und Karlsruhe entscheidet über Fiskalpakt und ESM. Am 12. September oder um diesen Tag herum wird die Europäische Kommission auch ihren Plan für eine europäische Bankenaufsicht präsentieren. Am 13. September wird es dann ein informelles Treffen der Finanzminister der Eurozone in Zypern geben, am Tag darauf gibt es dann einen großen Gipfel aller 27 europäischen Finanzminister. Bis zu diesem Tag dürfte dann auch der Troika-Bericht für Griechenland fertig sein - jetzt gibt es erstmal eine Pause und die Troika kehrt Anfang September nach Griechenland zurück. Im vorläufigen Bericht wurde ziemlich positiv über die Fortschritte gesprochen. Vielleicht ist das auch einfach nur deshalb, weil man Zeit über die Sommerpause gewinnen will, man weiß es nicht. Ich halte es nicht für ausgeschlossen dass es nach einem möglichen ESM-ja Karlsruhes am 12. September danach zu Interventionen der EZB kommen wird. Ich glaube auch Mario Draghi hat in der letzten Woche mit seiner verbalen Intervention nur Zeit kaufen wollen bis zum 12. September. Erst wenn der ESM juristisch durchgewunken ist kann man überhaupt planen.

Fazit

Vor diesem Termin könnte sich wieder vermehrt Unsicherheit an den Märkten breit machen, was zu neuen Kursverlusten auch beim Öl führen könnte. Sollten die im September anstehenden Beschlüsse dazu führen, dass die Märkte mehr Zuversicht fassen, könnte dies das Verbrauchervertrauen und das Geschäftsklima verbessern. Dies bedeutet jedoch nicht, dass daraus eine nachhaltige Konjunkturerholung resultieren könnte. Vor dem Hintergrund der unsicheren konjunkturellen Aussichten könnte Brent in eine Seitwärtsphase zwischen 100-115 USD/Barrel eintreten, während WTI zwischen 88-100 USD/Barrel schwanken wird.

Autor: Jochen Stanzl, Rohstoffanalyse Godmode-Trader.de

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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