Vereinigtes Königreich: Tief in der Rezession
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1. Auch im vierten Quartal überraschte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) die Bankenvolkswirte negativ. Dass das BIP des Vereinigten Königreichs zum zweiten Mal hintereinander fallen würde, war eine sichere Sache. Das Ausmaß überraschte dann aber doch: Denn das BIP nahm um 1,5 % qoq (-1,8 % yoy) ab (Bloomberg: -1,2 % qoq / DekaBank: -1,3 % qoq). Es ging in beinahe allen Wirtschaftsbereichen abwärts, besonders schnell im verarbeitenden Gewerbe.
2. Im Dienstleistungssektor sank die Ausbringung im vierten Quartal um 1,0 % qoq (-0,7 yoy). Bereits im dritten Quartal war ein Rückgang um 0,5 % qoq zu verzeichnen gewesen. Zum stärksten Rückgang kam es im Bereich Handel, Hotels und Gaststätten einschl. Reparaturwerkstätten (-2,4 % qoq nach -2,1 % qoq im dritten Quartal. Ebenfalls deutlich überdurchschnittlich fiel die Verringerung der Erzeugung im Bereich Transportgütergewerbe, Lagerung und Kommunikation mit -2,0 % qoq (Q3: -0,1 % qoq) aus. Das lag vorwiegend an der schwachen Entwicklung im Warenverkehr auf der Straße. Weniger schlecht lief es bei den Anbietern unternehmensnaher Dienstleistungen (-0,5 % qoq nach -0,6 % qoq im dritten Quartal). Dabei konnten die Anbieter von Computern sogar einen Zuwachs verzeichnen. Auch im öffentlichen Dienst war eine Abnahme um 0,5 % qoq (Q3: +0,6 % qoq) festzustellen.
3. Im produzierenden Gewerbe ohne Bau ist die Produktion um 3,9 % qoq (Q3: -1,4 % qoq) eingebrochen (-6,7 % yoy). Im verarbeitenden Gewerbe nahm die Erzeugung sogar um 4,6 % qoq bzw. 7,0 % yoy ab. In allen 13 Teilbereichen ging es abwärts. Besonders schlecht fuhren die Hersteller von Transportgütern, Metall und Metallprodukten. Den Versorgern erging es dank des kalten Wetters etwas besser, sie mussten nur eine Abnahme der Produktion um 0,2 % qoq hinnehmen nach -0,6 % qoq im Vorquartal. Im Bergbau einschl. Öl- und Gasgewinnung verringerte sich das Ergebnis um 1,6 % qoq (Q3: -1,1 % qoq). Die gewonnene Menge an Öl- und Gas war rückläufig. Im Baugewerbe ist die Datenbasis zu diesem frühen Zeitpunkt bekanntermaßen noch recht unzuverlässig. Das britische Statistikamt geht davon aus, dass die Erzeugung im Baugewerbe vorwiegend wegen der schlechten Entwicklung im Wohnungsbau im Berichtsquartal um 1,1 % qoq gesunken ist (Q3: -0,2 % qoq).
4. Gute Nachrichten muss man gegenwärtig mit der Lupe suchen und findet dennoch kaum welche. Der ebenfalls heute veröffentlichte außergewöhnlich kräftige saisonbereinigte Anstieg der Einzelhandelsumsätze im Dezember um 1,6 % mom ist das Ergebnis einer Reihe von Sonderfaktoren. So führten die im Dezember wirksam gewordene Mehrwertsteuersenkung und der frühe Start von Sonderverkäufen und Preissenkungen zu einem besonders hohen Anstieg. Die übliche Praxis, den Kalendermonat bei der Berechnung der Einzelhandelsumsätze als Vier- oder Fünfwochenperiode zu definieren, hatte jüngst den Effekt, dass der Dezember bis zum 3. Januar 2009 reichte, was zuletzt 2002 passierte und laut Statistikamt als ungewöhnlicher Unsicherheitsfaktor eingestuft wird. Zwar könnte diese hohe Zunahme auch andeuten, dass die Mehrwertsteuersenkung wirkt. Man sollte die Dezemberzahlen aber mit Vorsicht interpretieren.
5. Die internationale Finanzkrise und die Korrektur der Immobilienpreise haben die britische Wirtschaft voll im Griff. Mit allen drei Einkaufsmanagerindizes (EMI) auf historischen Tiefs im vierten Quartal sind die Aussichten mehr als trübe. Selbst wenn der Boden erreicht sein sollte, die EMI sich also stabilisiert haben, weist das für das erste Quartal 2009 noch nicht auf eine wesentliche Verringerung des Schrumpfungstempos hin. Auf der Habenseite stehen die britische Regierung und die Notenbank. Die Regierung hat ab Dezember die Mehrwertsteuer von 17,5 % auf 15,0 % gesenkt, was einem Impuls von etwa 20 Mrd Pfund entspricht, und ferner vor kurzem eine erweiterte Bankenhilfe vorgestellt. Dabei wird sie den Banken anbieten, die Garantie für riskante Bankbestände gegen eine Gebühr zu übernehmen. Das Verfahren ist so ausgestaltet, dass die Bank für die betreffenden Positionen weniger Eigenkapital aufwenden muss und so neuen Spielraum für die Kreditvergabe erhält. Der Staat genießt den Vorteil, dass erst der Abruf der Garantie die Staatsverschuldung erhöht. Die britische Regierung muss sich jedoch den Vorwurf gefallen lassen, in den Jahren mit hohem Wirtschaftswachstum die Staatsschuld nicht zurückgeführt zu haben. So leistete man sich selbst 2003 bis 2007, als das Wachstum bei 2,7 % p.a. lag, durchschnittlich jedes Jahr ein Defizit in Höhe von 3,2 % des BIP.
6. Die Bank of England (BoE) hat den Leitzins bis auf 1,50 % gesenkt. Wir erwarten weiterhin, dass sie die Leitzinsen bis März 2009 um weitere 100 Basispunkte auf dann 0,5 % verringern wird. Überdies hat die Regierung gerade die BoE ermächtigt, direkt Risikopositionen bis zu 50 Mrd Pfund aufzukaufen. Überdies wurde die Möglichkeit der Gewährung einer Staatsgarantie für neu begebene Anleihen bis Jahresende verlängert. Außerdem wurden die Sonderrefinanzierungsmöglichkeiten von 30 Tagen auf ein Jahr ausgedehnt.
7. Wir werden unsere Prognose für das BIP im laufenden Jahr von -1,7 % auf -2,2 % absenken. Für 2010 erwarten wir unverändert +0,4 %. Dass unsere Revision für 2009 nicht noch umfänglicher ausfällt, begründen wird damit, dass wir im ersten Halbjahr bereits mit positiven Auswirkungen der die Konjunktur fördernden Maßnahmen von Regierung und Bank of England rechnen.
Quelle: DekaBank
Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.
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