Kommentar
16:52 Uhr, 24.10.2008

Vereinigtes Königreich auf Rezessionskurs: Bruttoinlandsprodukt schrumpft in Q3 um 0,5 % qoq

1. Eine negative Überraschung für die Marktteilnehmer hielt das britische Statistikamt heute bereit. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Vereinigten Königreichs ist im dritten Quartal dieses Jahres zum ersten Male seit 64 Quartalen gesunken. Das BIP nahm um 0,5 % qoq (+0,3 % yoy) ab (Bloomberg: -0,2 % qoq / Deka-Bank: -0,3 % qoq).

2. Die Erzeugung im Dienstleistungssektor wurde im dritten Quartal um 0,4 % qoq (+0,7 % yoy) zurückgeführt. Im zweiten Quartal war noch ein winziges Plus (+0,2 % qoq) herausgekommen. Dass das Gewerbe auf Schrumpfungskurs gegangen ist, lag in erster Linie an einer enttäuschenden Entwicklung im Bereich Handel, Hotels und Gaststätten (-1,7 % qoq nach +0,2 % qoq in Q2). Dieser Sektor trägt 15 % zum BIP bei. Während der Absatz von Kraftfahrzeugen und der Großhandel schrumpften, gab es bei Hotels und Gaststätten einen kleinen positiven Wachstumsbeitrag. Auch die unternehmensnahen Dienstleistungen, die rund drei Zehntel des BIP schöpfen, waren rückläufig (-0,4 % qoq nach +0,1 % in Q2). Das lag vornehmlich an einer Schwäche bei den sonstigen unternehmensnahen Dienstleistungen, wozu Anwälte, Wirtschaftsprüfer, Architekten/Ingenieure und die Arbeitsvermittlung zählen. Ein hohes Umsatzaufkommen an den krisengeschüttelten Finanzmärkten bescherte den Dienstleistern der Finanzbranche ein Umsatzwachstum. Auch Transportöre, die Telekommunikationsunternehmen und die Lagerbetriebe sahen sich mit sinkender Nachfrage konfrontiert. Ein Gegengewicht stellten die staatlichen Dienstleistungen (23 % des BIP) dar. Der britische Staat dehnte die Ausbringung hier um 0,4 % qoq (Q2: +0,2 % qoq) aus, hauptsächlich bei Erziehung, Gesundheit und Erholung.

3. Die britische Industrie (Anteil am BIP: 18 %) gilt bereits in krisenarmen Zeiten nicht gerade als Wachstumsgarant. Im dritten Quartal brach die Produktion im produzierenden Gewerbe ohne Bau um 1,0 % qoq (Q2: -0,7 % qoq) ein. Im verarbeitenden Gewerbe, im Bergbau und bei den Versorgern lief es gleichermaßen miserabel. Im Baugewerbe werden ca. 6 % des BIP erzeugt. Die Datenbasis ist zu diesem frühen Zeitpunkt bekanntermaßen noch recht dünn. Das Statistikamt schätzt, dass die Erzeugung im Baugewerbe im dritten Quartal um 0,8 % qoq reduziert worden ist (Q2: -0,5 % qoq).

4. Bei den britischen Konsumenten ist die Stimmung bedrohlich gefallen. Die bis September vorliegenden Ergebnisse der Konsumentenbefragung im Auftrag der EU-Kommission zeigten zwar im dritten Quartal eine leichte Tendenz zum Besseren auf niedrigem Niveau. Im Oktober mussten aber ca. 300.000 britische Sparer um ihre Ersparnisse bei isländischen Pleitebanken bangen, bevor der britische Bankengarantiefonds 3 Mrd. Pfund aufgewendet hat, um Spareinlagen von Kaupthing hf. und Landsbanki hf. auf die ING Groep NV (Holland) zu transferieren. Ferner greift die Angst um den Arbeitsplatz um sich. Zu Recht, denn in den drei Monaten bis August ging die Beschäftigung um 0,4 % 3mo/3mo zurück. Die Laune der britischen Verbraucher dürfte sich folglich weiter eintrüben.

5. Die Einkaufsmanagerindizes aller drei Bereiche, für die sie erhoben werden, waren bereits im dritten Quartal auf historischen Tiefständen gelandet. Auch eine Reihe der Indikatoren aus der in dieser Woche publizierten vierteljährlichen Industrieumfrage der Confederation of British Industry (CBI) brach regelrecht ein (Unternehmervertrauen: -60 Punkte). Dies überrascht kaum, wurde der Survey der CBI doch in einer Phase exorbitanter ökonomischer Turbulenzen erhoben. Fallende Auftragseingänge und rückläufige Ausbringung machen aber deutlich, dass sich die Verlangsamung der Wirtschaftsaktivität nun auf Sektoren der Volkswirtschaft ausbreitet, die bislang als unempfindlich gegenüber der Schwäche im Bankensektor und am Immobilienmarkt gelten konnten. Überdies klagen die befragten Unternehmer nun auch über Hemmnisse bei der Kapitalbeschaffung, die es in der Art vorher noch nie gegeben haben soll.

6. Rückläufige Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts sind im Vereinigten Königreich eine Rarität. Die letzte gab es im zweiten Quartal 1992. Für Rezessionen muss man sogar noch rund zwei Jahre weiter zurückgehen. Die letzte Rezession auf der Insel begann im dritten Quartal 1990 und dauerte fünf Quartale. Damals waren die Immobilienpreise (gemessen am Halifaxindex) zwischen 1983 und 1989 um rund 130 % gestiegen, bevor sie, verglichen mit der aktuellen Entwicklung, gemächlich über 3½ Jahre um rund 12 % nachgaben. In den drei Quartalen bis Juni dieses Jahres hat der Halifaxindex allein 6,6 % eingebüßt. Die Hauspreiskorrektur verläuft also heute spürbar rasanter. Zusätzlich wütet die Finanzmarktkrise, die das stark vom Dienstleistungssektor und speziell dem Bankensektor geprägte Vereinigte Königreich besonders hart trifft.

7. Wir gehen davon aus, dass die Aufräumarbeiten in UK mindestens vier Quartale andauern werden. Die Korrektur am Immobilienmarkt ist in vollem Gange und ein Ende der Finanzmarktkrise noch nicht absehbar. Unternehmen und Konsumenten disponieren ausgesprochen vorsichtig. Für 2008 erwarten wir nur noch ein Wachstum des BIP um 0,8 %. Für das kommende Jahr werden wir unsere BIP-Prognose Richtung -0,9 % korrigieren.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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