Kommentar
00:00 Uhr, 27.03.2009

Value Investing Teil 2 - Wie ist das genau mit dem KGV ?

Eine sehr wichtige Kenngröße der fundamentalen Analyse ist der Kurs-Gewinn-Verhältnis, kurz KGV. Dieser umfassende Fachartikel baut auf dem zuzvor veröffentlichen Artikel mit dem Titel "Value Investing Teil 1 (Das Sicherheitspolster) - Das Unternehmen muß eine temporäre Flaute gut überstehen können" auf.

http://www.godmode-trader.de/front/?titel=Value-Investing-Teil-1-Das-Sicherheitspolster-Das-Unternehmen-mus-eine-temporaere-Flaute-gut-ueberstehen-koennen&p=news&ida=1171653&idc=64&idp=5
8. [Relativ] niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis, KGV (auch P/E =Price Earnings Ratio)

Das KGV ist vielleicht die bekannteste und am heftigsten diskutierte, fundamentale Größe für die Bewertung eines Unternehmens. Es beschreibt den Kurs einer Aktie im Verhältnis zum Jahresgewinn pro Aktie.

Für die Einschätzung des KGVs reicht ein Blick auf die absolute Zahl nicht aus. Ein KGV von 10 ist niedrig, die Aktie ist also billig, ein KGV von 20 dagegen hoch und die Aktie teuer – ein solch vereinfachtes Herangehen ist wenig sinnvoll.

Machen wir uns die Bedeutung des KGVs einmal klar. Ein KGV von 10 bedeutet, dass eine Investition in eine Aktie mit einem KGV von 10 sich in 10 Jahren amortisiert hat, unterstellt, dass der Unternehmensgewinn über diesen Zeitraum unverändert bleibt. 10 Jahre dauert es also, bis die Summe der aufgelaufenen Gewinne die Höhe des ursprünglichen Investments erreicht hat.

Zum Vergleich:

Eine Anleihe, die mit 7% rentiert, erwirtschaftet in 10 Jahren ebenfalls Erträge in Höhe des Originalinvestments (steuerliche Aspekte jeweils außer acht gelassen). Das gleiche trifft natürlich auch auf eine Immobilie zu, die jährlich 7% netto abwirft.

Wie kommen dann KGVs von über 50, in Bubble-Zeiten sogar von über 100 zustande? Hieße dies nicht, die Investition in ein Unternehmen hätte sich erst in 50 oder 100 Jahren amortisiert?

Wäre man mit einfachen Anleihen unter Renditegesichtspunkten nicht generell sehr viel besser bedient?

Einmal abgesehen davon, dass solch exorbitant hohe KGVs in den wenigsten Fällen zu rechtfertigen sind, gibt es noch ein paar andere Aspekte, die hier ins Spiel kommen.

In unserer Ausgangsrechnung gingen wir von stagnierenden Unternehmensgewinnen über den genannten Zeitraum aus. Von einem guten Unternehmen erwarten wir jedoch steigende Unternehmensgewinne. Ein Unternehmen, das heute 10 Cents pro Aktie erwirtschaftet, macht am Ende des 10-Jahreszeitraums vielleicht 20 Cents Gewinn. Bezogen auf unser anfängliches Investment hätte sich die laufende Rendite dann verdoppelt. Entsprechend höher wird am Ende auch der Preis für die Aktie sein. Die Verzinsung einer einmal gekauften Anleihe verändert sich dagegen nicht. Die positive Erwartung für das Unternehmen ist bereits heute im Markt eingepreist. Ein KGV, das zukünftiges Gewinnwachstum ausdrückt (was bei einer Anleihe nicht möglich ist), wäre in diesem Falle gerechtfertigt.

Traurig aber wahr: Extrem hohe KGVs spiegeln nicht nur oft eine völlig überzogene Erwartung für das Gewinnwachstum wider, sondern finden sich regelmäßig gerade bei den Aktien, die am wenigsten in der Lage sind, ihre Gewinne dauerhaft zu steigern.

Ein weiterer, oft nicht erkannter Aspekt ist die Inflation, die die Preise aller wirklich werthaltigen Assets hochtreibt. Sinkt der Wert des Geldes, so werden die Preise für Waren und Dienstleistungen auf Dauer steigen. Aktien, die einen Eigentumsanteil an einem Unternehmen repräsentieren, sind da keine Ausnahme. Die Preise für Aktien diskontieren zukünftige Inflation, was sich auf Dauer in höheren Kursen widerspiegelt. Der alte Grundsatz, dass Aktien auf Grund des höheren (Unternehmens-)Risikos höher rentieren müssen als Anleihen, ist im inflationären Umfeld nicht mehr hundertprozentig gültig.

In der Tat waren KGVs in der Vergangenheit deutlich niedriger. Um die letzte Jahrhundertwende, als die Geldmengenexpansion durch die Bindung an den Goldstandard limitiert war, waren KGVs von 5 oder 6 für Aktien üblich, die wir heute als Blue Chip Wachstumswerte bezeichnen würden. In den „Goldenen Zwanzigern“, einer Zeit expansiver Geldpolitik stiegen mit den Aktienmärkten auch die KGVs auf Werte, wie wir sie heute kennen. In der folgenden Großen Depression erreichten KGVs wieder historische Tiefstwerte. First the gain, then the pain...

Sehr niedrige KGVs in der heutigen Zeit können ein Hinweis auf zukünftige Gewinneinbußen sein. Antizipiert der Markt trübe Aussichten, so fällt der Kurs der Aktie. Legt man vergangene Gewinne für die Berechnung des KGVs zu Grunde, so ergibt sich ein niedriger Wert. Halbiert sich dann etwa der Gewinn im Folgejahr, so verdoppelt sich das KGV.

Fazit: Das KGV ist eine relative Größe, die im Zusammenhang mit den Gewinnerwartungen für das Unternehmen gesehen werden muss. Ein nominal niedriges KGV allein sollte niemals die Grundlage für eine Kaufentscheidung sein. Extrem hohe KGVs hingegen deuten auf eine Überbewertung hin und verringern die Erfolgswahrscheinlichkeit bei einer langfristigen Investition.

Wir nutzen auch den Verlauf des KGV, um den richtigen Zeitpunkt für den Kauf oder Verkauf einer Aktie zu wählen. Der Kurs einer Aktie, die die 7 Kriterien für die Auswahl erfüllt, schwankt aus unterschiedlichsten Gründen. Wir bevorzugen KGVs, die im historischen Vergleich, im Vergleich zur Branche und/oder im Vergleich zum Markt am unteren Ende liegen.

Beispiel: Wal-Mart, historisches KGV (P/E):

9. Niedriges Kurs-Buchwert-Verhältnis KBV (auch P/B=Price Book Ratio)

Der Buchwert eines Unternehmens ergibt sich, wenn man von allen Assets eines Unternehmens alle finanziellen Verpflichtungen und immateriellen Güter (Goodwill, Patente) abzieht. Sollte in einem „worst case scenario“ das Unternehmen liquidiert werden, so ist der Buchwert in etwa der Wert, den man durch den Verkauf seiner Einzelteile erzielen würde.

Ein niedriges Kurs-Buchwert-Verhältnis spricht also für eine günstige Bewertung und gibt zusätzliche Sicherheit, da im Falle einer Liquidation ein vergleichsweise hoher Anteil unseres investierten Kapitals gerettet werden kann.

Wie beim KGV ist auch beim KBV der absolute Wert ungeeignet für die Bewertung einer Aktie. Unternehmen, deren Wert vorwiegend aus immateriellen Gütern besteht, wie etwa junge Biotechnologie-Unternehmen mit eigenen Patenten, haben logischerweise ein sehr hohes KBV, stahlproduzierende Unternehmen mit kostspieligen Industrieanlagen, dagegen ein vergleichsweise niedriges.

Während man mittelfristig durchaus profitabel Aktien mit hohem KBV themenorientiert handeln kann, kommen für das klassische Value Investing nur Aktien mit niedrigem bis moderatem KBV in Frage. KBVs unter 2 sind besonders attraktiv, wird doch in der Regel bei Firmenübernahmen ein KBV von 2 und höher bezahlt.

Ähnlich wie beim KGV benutzen wir auch das KBV als ein Bewertungskriterium für die Auswahl des Zeitpunkts für ein Investment. Wir bevorzugen niedrige KBVs im historischen Vergleich, im Vergleich zur Branche und/oder im Vergleich zum Markt.

Beispiel: Wal-Mart, historisches KBV (P/B):

Neben Cash Flow, Dividenden, Gewinnen und den beiden Klassikern KGV und KBV gibt es eine Fülle weiterer fundamentaler Bewertungsgrößen, die in bestimmten Zusammenhängen alle ihre Berechtigung haben. Im Grunde laufen alle Bewertungsmethoden jedoch auf zwei Dinge hinaus: Die Einschätzung des Werts bestehender Assets und die Einschätzung zukünftigen Gewinnwachstums (earnings power). Alle Bewertungsgrößen lassen sich mehr oder weniger in eine dieser beiden Gruppen einordnen und innerhalb einer Gruppe tendieren sie dazu, sich ähnlich zu verhalten. Um diesen Exkurs noch halbwegs übersichtlich zu halten, beschränken wir uns auf die hier vorgestellten, ziehen im konkreten Bewertungsfall gegebenenfalls aber auch andere Kriterien mit heran. KISS – Keep It Simple and Stupid.

Gehen wir durch die Checkliste, so wird schnell deutlich, dass wir, nur selten das perfekte Investment finden werden. Kompromisse sind an der Tagesordnung. Kaufgelegenheiten ergeben sich z. B. immer dann, wenn ein ansonsten starkes und bewährtes Unternehmen einmal ein schlechtes Quartal hat und dabei abzusehen ist, dass es sich um eine vorübergehende Schwäche handelt. Der Preisabschlag, der durch die Abstrafung an der Börse resultiert, eröffnet dann die erwartete Kaufgelegenheit.

Autor: Andreas Otto - [Link "Noah Research" auf www.noah-research.de/... nicht mehr verfügbar] für den langfristigen Investor

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