Kommentar
00:06 Uhr, 24.10.2024

USA und Eurozone: Was die zukünftige Zinsentwicklung beeinflusst

Die Tage bis zur US-Wahl sind gezählt. Das Rennen dürfte bis zum letzten Tag offen­bleiben und die Frage nach den Konsequenzen des Wahlausgangs auf beiden Seiten des Atlantiks gewinnt an Brisanz.

US-Geldpolitik und langfristige Zinsen

Für den Fall, dass Donald Trump gewinnt und die Republikaner den Kongress kontrollieren („rote Welle“), würde die US-Notenbank (Fed) höchstwahrscheinlich das Tempo der Zinssenkungen verlangsamen, früher beenden und möglicherweise sogar den Kurs umkehren, da eine lockere Fiskalpolitik mit einer strafferen Geldpolitik einhergehen müsste, insbesondere angesichts der Angebotsschocks durch höhere Zölle und geringere Einwanderung. Sollte Donald Trump gewinnen und der Kongress gespalten sein, würde vermutlich nicht viel auf der fiskalischen Seite passieren, aber die Fed würde aufgrund der inflationären Auswirkungen höherer Zölle und geringerer Einwanderung wahrscheinlich trotzdem vorsichtiger mit Zinssenkungen umgehen. In Anbetracht der Auswirkungen einer höheren Inflation und des möglichen Anstiegs der Risikoprämien aufgrund eines höheren erwarteten Defizits könnten wir im Falle eines Sieges von Donald Trump durchaus 10-jährige US-Renditen im Bereich von 4,0 bis 4,5 Prozent und eines Szenarios einer „roten Welle“ am oberen Ende dieser Spanne sehen. Ein Sieg von Kamala Harris, sei es durch eine „blaue Welle“ oder einen gespaltenen Kongress, würde Kontinuität bedeuten und die Fed würde wahrscheinlich im nächsten Jahr recht schnell zu einer neutralen Politik zurückkehren und ein Leitzinsniveau von 3,0 Prozent anpeilen. Dies könnte dazu beitragen, dass sich die 10-jährigen UST-Renditen in einer Spanne von 3,5 bis 4,0 Prozent konsolidieren, die unserem derzeitigen Basisszenario entspricht.

EZB-Geldpolitik und langfristige Zinsen

Anders als in den USA wird der Schock in der Eurozone wahrscheinlich nicht inflationär sein. Wenn die EU keine Vergeltungsmaßnahmen ergreift, würden höhere US-Zölle die Inflation im Euroraum mittelfristig deutlich dämpfen, vor allem über den Kanal der wirtschaftlichen Flaute. Sollte die EU Vergeltungsmaßnahmen ergreifen, würde der inflationäre Effekt durch höhere Importpreise aus zwei Gründen weitaus geringer sein als in den USA. Erstens, und das ist der wichtigste Grund, würde die EU nur die Zölle für importierte US-Waren (wahrscheinlich mit Ausnahme von Energieerzeugnissen) anheben, während sie die Zölle für Importe aus anderen Ländern unverändert ließe. Zweitens ist die Preissetzungsmacht der Hersteller in der Eurozone derzeit schwach, sodass sie die höheren Kosten nur schwer an die Kundinnen und Kunden weitergeben könnten. Sofern der Euro gegenüber dem US-Dollar nicht sehr stark abwertet, dürfte dieses Szenario weder kurzfristig noch mittelfristig zu einem messbaren Inflationsdruck führen. Wenn unsere Einschätzung im Großen und Ganzen richtig ist, wird die EZB wahrscheinlich mit einer Verschlechterung der Wirtschaftsaussichten konfrontiert sein, die, wenn überhaupt, nur begrenzte kurzfristige inflationäre Auswirkungen haben wird. Am politisch relevanten Horizont könnten die vorherrschenden Kräfte sogar disinflationär sein und zu einer Divergenz der Geldpolitik auf beiden Seiten des Atlantiks führen. Sollte Kamala Harris gewählt werden, sehen wir keine messbaren Schocks für unser Basisszenario für die Eurozone voraus und gehen von einem Leitzins (gemessen am Einlagesatz) von 2,0 Prozent im dritten Quartal 2025 aus. US- und deutsche Staatsanleiherenditen tendieren dazu, sich gemeinsam zu bewegen. Steigende US-Renditen führen also traditionell auch zu einem Aufwärtsdruck von langfristigen Renditen im Euroraum, wenngleich dieser hier geringer ausfallen sollte. Da die 10-jährigen US-Renditen im Falle eines Sieges von Trump nach unserer Einschätzung zwischen 4,0 und 4,5 Prozent liegen dürften, sehen wir Spielraum für 10-jährige deutsche Staatsanleiherenditen im Bereich von 2,5 Prozent. Gleichzeitig erscheint es realistisch, dass die Zinsstrukturkurve im Euroraum steiler wird, da die EZB unter Druck stehen könnte, eine ähnliche Geldpolitik zu fahren.

Bildnachweis: UniCredit Bank GmbH