Kommentar
21:14 Uhr, 16.07.2008

USA: Schockierende Inflationszahlen im Juni

1. Vor allem aufgrund der absehbaren starken Verteuerung von Energiegütern war für den Monat Juni mit einem kräftigen Preisauftrieb zu rechnen. Der Anstieg der Verbraucherpreise um 1,1 % mom übertraf die Erwartungen jedoch deutlich und war der kräftigste seit September 2005, als die Hurricanes Katrina und Wilma für einen erheblichen Inflationsschub sorgten. Im Jahresvergleich ereichte die Inflationsrate dadurch die Marke von 5 %.

2. Neben den starken Preisanstiegen bei Benzin (10,1 % mom), Heizöl (8,5 % mom) und Erdgas (4,9 % mom) haben vor allem auch Lebensmittel mit einer Verteuerung um 0,8 % mom stark zum Preisauftrieb beigetragen. Die Verbraucherpreise von Lebensmitteln steigen schon seit etwa anderthalb Jahren relativ kräftig. Bei genauerer Betrachtung der Juni-Zahlen fällt aber auf, dass vor allem frische Lebensmittel wie Obst und Gemüse, Molkereiprodukte sowie Fleisch starke Preisanstiege aufwiesen. Das gleiche Bild zeichneten auch die gestern veröffentlichten Erzeugerpreise, die einen Preisanstieg bei unverarbeiteten Lebensmitteln um 8,1 % mom ausgewiesen haben. Es drängt sich somit der Eindruck auf, dass sich die Unwetter im Mittleren Westen der USA zu einem gewissen Grad in den Lebensmittelpreisen niedergeschlagen haben. Insofern wäre die erneute Beschleunigung des Preisauftriebs in diesem Bereich als ein temporäres Phänomen einzustufen.

3. In der Abgrenzung ohne Lebensmittel und Energie haben die Verbraucherpreise um 0,3 % mom (2,4 % yoy) und damit ebenfalls stärker als erwartet zugelegt. Der einzig positive Aspekt hieran ist, dass der kräftige Preisauftrieb mit wenigen Ausnahmen nicht auf eine zunehmende Weitergabe gestiegener Energie- und sonstiger Rohstoffkosten zurückzugehen scheint und von daher nicht als Trendwende zu einer längerfristig höheren Kerninflation interpretiert werden muss. Ein Bereich, in dem sich vor allem die gestiegenen Energiekosten bemerkbar gemacht haben dürften, sind Flugreisen, die sich mit 4,5 % mom erneut relativ stark verteuert haben. Davon abgesehen konzentrieren sich die Preissteigerungen in der Abgrenzung ohne Lebensmittel und Energie vorwiegend auf Komponenten, für die kein starker Zusammenhang mit Energie- und sonstigen Rohstoffkosten zu vermuten ist. So erhöhten sich die Wohnungsmieten, nach mehreren Monaten mit eher niedrigen Zuwachsraten in Folge, im Juni relativ kräftig um 0,3 % mom, was sich aufgrund ihres hohen Gewichts im Warenkorb entsprechend stark in der Kerninflation niederschlägt. Darüber hinaus verzeichneten auch einige weitere Dienstleistungen wie Schulgebühren und Kinderbetreuung sowie Telefongebühren relativ kräftige Anstiege. Im Bereich der Konsumgüter ohne Lebensmittel und Energie, bei denen eine Weitergabe höherer Rohstoffkosten eher zu vermuten wäre, blieb der Preisauftrieb mit 0,1 % mom (0,2 % yoy) dagegen moderat.

4. Auch wenn sich Argumente ins Feld führen lassen, um den heute gemeldeten Preisauftrieb zu relativieren, bleibt sein Ausmaß dennoch schockierend. Bei der Vorstellung des halbjährlichen Monetary Policy Reports vor dem Bankenausschuss des US-Senats betonte Fed-Chairman Bernanke gestern, wie wichtig es sei sicherzustellen, dass sich der von den erhöhten Rohstoffpreisen ausgehende inflationäre Impuls nicht dauerhaft im Lohn- und Preissetzungsprozess festsetzt. Vor diesem Hintergrund haben die heute gemeldeten Zahlen zweierlei Konsequenzen: Erstens deutet sich trotz des relativ kräftigen Preisauftriebs in der Abgrenzung ohne Lebensmittel und Energie noch keine verstärkte Weitergabe gestiegener Rohstoffkosten an. Insofern ist der Anstieg der Kerninflation möglicherweise vorübergehend und daher noch nicht alarmierend. Zweitens geht von der unerwartet hohen Gesamtinflationsrate das Risiko weiter steigender Inflationserwartungen aus. Dies ist umso besorgniserregender, als dass die Inflation erst im August ihren Höhepunkt erreicht haben dürfte. Insofern wird das Eis, auf dem sich die Fed bewegt, zunehmend dünner. Sie wird in den kommenden Wochen erhebliche rhetorische Anstrengungen unternehmen müssen, will sie die Inflationserwartungen im Griff behalten, ohne die Leitzinsen rasch anzuheben, wovon wir weiterhin ausgehen.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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