Kommentar
08:15 Uhr, 28.05.2015

USA: Nur Sparen kann dieses Problem lösen

Die US Handelsbilanz ist seit Jahren tiefrot. Das beschäftigt inzwischen die ganze Welt, weil die USA die Schuldigen dafür im Ausland suchen - und natürlich finden.

Die negative Handelsbilanz wird als ein großes Problem dargestellt. Für die US Wirtschaft ist das Handelsbilanzdefizit tatsächlich ein Problem. Es hält das Wachstum zurück. Die Wirtschaftsleistung ist letztlich nichts anderes als die Summe aus Konsum, Investitionen und Nettoexporten. Sind die Importe höher als die Exporte so wie in den USA, dann sind die Nettoexporte negativ. Das hält das Wirtschaftswachstum zurück bzw. reduziert es.

Den USA passt das ganz und gar nicht. Sie machen Länder wie China und Deutschland für die Defizite verantwortlich. China wird seit vielen Jahren Währungsmanipulation vorgeworfen. Durch eine künstlich niedrige Währung verbilligen sich chinesische Waren. Chinesische Unternehmen haben gegenüber frei konvertierbaren Währungen dadurch möglicherweise einen Wettbewerbsvorteil.

Bis vor kurzem konnte man Deutschland keine Währungsmanipulation vorwerfen. Spätestens seit Beginn des EZB Anleihenkaufprogramms kann aber von einem absolut freien Wechselkurs wohl keine Rede mehr sein. Die Exportindustrie profitiert vom tiefen Eurokurs. Deutschland hat aber nicht erst seit gestern einen sehr hohen Handelsbilanzüberschuss. Es ist also sicherlich nicht allein die Währung, die in Deutschland für positive Nettoexporte und damit höheres Wachstum sorgen.

Wenn ein Handelsbilanzdefizit so schlecht ist, wieso wird dagegen nichts unternommen? Die US Regierung versucht das Defizit in den Griff zu bekommen, indem sie andere Länder auffordern, ihre Überschüsse abzubauen. Einen Grund für die Überschüsse sehen sie in Währungsmanipulation wie bei den Chinesen. Betrachtet man nun mit welchen Ländern die USA ein Defizit haben, dann muss man feststellen, dass es de facto alle Länder sind.

Die USA haben mit 95 Ländern ein Handelsbilanzdefizit. Darin noch den Grund in Währungsmanipulation zu sehen ist gewagt, es sei denn, es gibt eine weltweite Verschwörung gegen die US Handelsbilanz. So, wie die Amerikaner argumentieren, müssten diese 95 Länder allesamt ihre Währung nach unten manipulieren. Daran dürften selbst die unbedarftesten Kongressmitglieder nicht glauben.

Die wenigen Länder, mit denen die USA einen Überschuss haben, kann man als zufällige Ausreißer abtun. Beträgt der Handel zwischen zwei Ländern nur ein paar Millionen Dollar im Jahr, dann können wenige Transaktionen die Bilanz in die eine oder andere Richtung verzerren. Sie sind daher nicht besonders aussagekräftig.

Die USA stehen mit dem Argument der Währungsmanipulation auf verlorenem Posten. Dafür gibt es seit einiger Zeit neue Bestrebungen, um das Minipulationsargument zu ersetzen. Chinas Währung ist lauf dem Internationalen Währungsfonds inzwischen "ziemlich" fair bewertet. Trotzdem ist das Defizit im Handel mit China nach wie vor gigantisch. Jetzt muss etwas anderes herhalten, um das zu erklären.

Erklärt wird es damit, dass China und Deutschland zu viel sparen. Würden die Deutschen die Exportüberschüsse bzw. das Geld, welches sie mit den Exporten verdienen, wieder ausgeben, dann müssten sie langfristig auch mehr importieren. Durch höhere Investitionsaus- und Konsumausgaben soll die Handelsbilanz wieder in Ordnung gebracht werden.

Letztlich wollen die USA bewirken, dass Überschussländer weniger sparen, indem sie mehr konsumieren. Man könnte es aber auch umkehren: wieso geben die USA nicht weniger aus? Wenn das Problem behoben werden kann, indem Deutsche weniger sparen und mehr konsumieren, dann muss das Problem auch zu lösen sein, indem die USA mehr sparen.

Eine höhere Sparquote haben die USA dringend nötig. Die Grafik zeigt die Nettosparquote der USA im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Bis 2008 war sie immerhin noch positiv. Für zwei Jahre war die Quote negativ. In der Krise sparten zwar die Haushalte mehr, dafür gab die Regierung Billionen aus. Das Budgetdefizit lag in einem Jahr bei ca. 10% der Wirtschaftsleistung. Dieses Defizit hat die Sparquote ins Minus gedrückt.

USA-Nur-Sparen-kann-dieses-Problem-lösen-Kommentar-Clemens-Schmale-GodmodeTrader.de-1

Inzwischen steht die Sparquote wieder bei über 2%. Dort verharrt sie nun und droht wieder zu sinken. Das hat Konsequenzen für die Investitionen. Die Investitionen sind in der Grafik zwei Mal abgebildet. Die grüne Linie zeigt die Investitionen in umgekehrter Reihenfolge. Je negativer der Wert ist, desto höher sind die Investitionen tatsächlich. Die Investitionen sind einmal so dargestellt, weil man dann sehr schön den parallelen Verlauf zur Leistungsbilanz sieht. Je größer das Defizit der Leistungsbilanz, desto höher sind die Investitionen.

Gleichzeitig, wenn sich nicht die invertierte Zeitreihe ansieht, bemerkt man den parallelen Verlauf von Investitionen zur Sparquote. Immer wenn die Sparquote steigt, steigen auch die Investitionen. Vereinfacht kann man sagen: Gespartes = Investitionen. Die Sparquote ist niedrig. Ebenso niedrig sind auch die Investitionen. Sie wachsen in den USA nur sehr langsam. Ein Grund dafür ist die niedrige Sparquote. Das ganze wird jedoch noch ein wenig vertuscht, weil das Ausland in den USA investieren muss. Durch die negative Handelsbilanz fließen Dollar ins Ausland. Dazu muss es eine Gegenposition geben. Die USA können nicht Jahr um Jahr ein Defizit von 3% ihrer Wirtschaftsleistung ins Ausland zahlen, ohne dass das Geld auch wieder zurückfließt. Würde das Geld nicht zurückfließen, dann wäre irgendwann Schluss.

Das Geld fließt auf unterschiedlichem Wege zurück. Die Chinesen haben das Geld unter anderem in hunderten Milliarden in US Anleihen untergebracht. Viel wird auch wieder in den USA anderweitig investiert. Inzwischen sind Billionen in US Unternehmen zurückgeflossen. Ein hoher Anteil an US Unternehmen gehört dem Ausland.

Um all das umzukehren müssten die USA nur sparen. Wer spart konsumiert nicht. Die US Wirtschaft ist davon nun aber besonders abhängig. Kann das überhaupt gehen? Ja, das kann es. Die Wirtschaftsleistung und deren Wachstum berechnet sich ja aus Konsum + Investitionen + Nettoexporte. Geht der Konsum zurück, steigen dafür aber die Investitionen, dann muss unterm Strich das Wachstum nicht sinken.

Die Lösung vieler Probleme wäre eine höhere Sparquote in den USA. Statt hier Anreize zu schaffen wird auf die Jagd nach Schuldigen gegangen und diese dann vor der Welthandelsorganisation angeschwärzt. Jetzt muss zusätzlich noch der Internationale Währungsfonds damit bemühen China und Deutschland für ihre Überschüsse zu schelten.

Weltweite Ungleichgewichte im Handel haben immer zwei Seiten. Das ist einfach doppelte Buchhaltung. Was die USA versuchen, eine einseitige Buchung durchzusetzen, ist ziemlich sinnlos. Selbst wenn in Deutschland mehr konsumiert würde ist damit das Problem in den USA noch lange nicht behoben.

Eröffne jetzt Dein kostenloses Depot bei justTRADE und profitiere von vielen Vorteilen:

  • 25 € Startguthaben bei Depot-Eröffnung
  • ab 0 € Orderprovision für die Derivate-Emittenten (zzgl. Handelsplatzspread)
  • 4 € pro Trade im Schnitt sparen mit der Auswahl an 3 Börsen & dank Quote-Request-Order

Nur für kurze Zeit: Erhalte 3 Monate stock3 Plus oder stock3 Tech gratis on top!

Jetzt Depot eröffnen!

4 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    Eben ging über ntv-Ticker die Meldung, dass USA in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit weiterhin auf Platz 1 steht. Deutschland steht auf Platz 10.

    Angenommen das stimmt, ist das Problem der USA klar: Die Leben über ihre Verhältnisse. Das geht so lange gut, wie es der Kreditmarkt erlaubt.

    10:38 Uhr, 28.05. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Eher geht ein Kamel durch ein Nadeloehr als das die USA spart. Die leben schon seit ueber 50 Jahren von Baumwolle ohne Deckung gegen Ware.

    10:12 Uhr, 28.05. 2015
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    Danke für die Analyse. Diese ganze Diskussion von Ungleichgewichten im Handel - insbesondere mit Blick auf den deutschen Handelsbilanzüberschuss - geht mir schon seit längerer Zeit auf den Senkel. Es wird immer so getan, als ob es eine zentrale Hand gäbe, die das regelt. Dem ist nicht so!. Ob ein Land Überschüsse oder Defizite macht, hängt maßgeblich von der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie ab (Löhne, Qualität der Produkte, etc.) und den weltweiten Verbrauchern, ob sie diese Produkte haben möchten oder nicht. Und wenn dann ein Land Defizite hat, sollte es erst mal vor der eigenen Haustür kehren. Denn Defizite in einem Land deuten grundsätzlich darauf hin, dass das Land über seinen Verhältnissen lebt. Insofern ist Sparen ein gar nicht so schlechter Ratschlag.

    08:38 Uhr, 28.05. 2015

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten