Kommentar
19:10 Uhr, 08.08.2006

USA: Konjunkturelle Abschwächung hinterlässt ihre Spuren<br />

1. Die Produktivität ist im zweiten Quartal nach vorläufigen Angaben des Bureau of Labor Statistics (BLS) annualisiert um 1,1 % gegenüber dem Vorquartal angestiegen. Dies lag leicht oberhalb der Markterwartungen (Bloomberg-Umfrage: 0,8 %) wie auch unserer Prognose (DekaBank: 1,0 %). Ebenfalls leicht stärker als erwartet nahmen mit 4,2 % (qoq, annualisiert) die Lohnstückkosten im zweiten Quartal zu (Bloomberg-Umfrage: 3,7 %, DekaBank: 3,6 %).

2. Hintergrund für den schwachen Anstieg der Produktivität im zweiten Quartal war eine nur geringe Zunahme des Outputs. Vor knapp einer Woche gab das Bureau of Economic Analysis (BEA) für das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal einen annualisierten Anstieg um 2,5 % bekannt. Trotz der unterschiedlichen statistischen Berechnung des Outputs und des Bruttoinlandsprodukts kommt auch das BLS zu dem Ergebnis, dass sich die wirtschaftliche Dynamik im zweiten Quartal abgeschwächt hat. Die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden hat sich im zweiten Quartal mit 1,4 % (qoq, ann.) eher durchschnittlich entwickelt. Der überdurchschnittliche Anstieg der Lohnstückkosten resultiert nicht nur aus einer Abschwächung des Produktivitätszuwachses und damit letztlich aus einer Abschwächung des Outputs, sondern auch aus einer unvermindert kräftigen Entwicklung der Entlohnung pro Stunde. Dies mag vor dem Hintergrund einer schwachen Beschäftigungsentwicklung im zweiten Quartal (Durchschnitt +112.000 Personen pro Monat) verwundern. Gleichwohl sind in diesem Zeitraum die Löhne recht kräftig angestiegen. So gab das BEA mit den Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt bekannt, dass die Löhne und Gehälter im zweiten Quartal um 6,4 % auf das Jahr hochgerechnet gegenüber dem Vorquartal recht kräftig angestiegen sind. Mit einer Jahresveränderungsrate von 6,8 % wurde sogar der höchste Wert seit 2000 erzielt.

3. Für die beiden kommenden Quartale erwarten wir, dass die Produktivität zyklisch bedingt schwach bleiben wird. Die Unternehmen werden allerdings auf diese Konjunkturdelle aufgrund ihrer Überschaubarkeit kaum mit Entlassungen reagieren. Daher wird in diesem Zeitraum die Entlohnung pro Stunde eher unterdurchschnittlich ansteigen. Zusammen mit der schwächeren Produktivitätsentwicklung erwarten wir daher, dass die Lohnstückkosten in den kommenden beiden Quartalen mit Raten von gut 2 % (qoq, ann.) zulegen werden. Stärkere Produktivitätszuwächse bzw. eine schwächere Entwicklung der Lohnstückkosten erwarten wir dann erst wieder im kommenden Jahr.

4. Die Jahresrevision des Bruttoinlandsprodukts, die vor eineinhalb Wochen mit den Daten zum zweiten Quartal 2006 veröffentlicht wurde, brachte deutliche Abwärtsrevisionen für das Bruttoinlandsprodukt in den Jahren 2003 bis 2005. Diese neuen Erkenntnisse über die wirtschaftliche Entwicklung wurden auch vom BLS in die Berechnung der Produktivität in diesem Zeitraum berücksichtigt. Somit wird, aufgrund einer schwächeren Entwicklung des Outputs, für die Produktivität in den vergangenen Jahren eine geringere Dynamik als bisher ausgewiesen. Ebenfalls revidiert wurden die Daten zur Entlohnung pro Stunde, sodass, zusammen mit der Revision der Produktivität, die Entwicklung der Lohnstückkosten in den vergangenen Jahren insgesamt gesehen etwas schwächer ausfällt, als bisher veröffentlicht.

5. Am vergangenen Freitag haben wir bei der Kommentierung des Arbeitsmarktberichtes für Juli mit einem Vergleich der unterschiedlichen Lohnentwicklung im verarbeitenden Gewerbe gegenüber dem Dienstleistungsgewerbe ein Beispiel für die Globalisierungseffekte angeführt. Die heutigen Produktivitätsdaten sind ein weiteres Beispiel für die unterschiedlichen Entwicklungen infolge der jeweiligen Situation im globalen Wettbewerb der Industrie einerseits und der Dienstleister andererseits. So ist die Produktivität im verarbeitenden Gewerbe mit 3,0 % gegenüber dem Vorquartal (annualisiert) einmal mehr stärker als in der Gesamtwirtschaft (ohne Landwirtschaft) angestiegen und hat damit im Umkehrschluss das dem globalen Wettbewerb deutlich weniger ausgesetzte Dienstleistungsgewerbe hinter sich gelassen (das BLS veröffentlicht leider keine Quartalsdaten zur Produktivität in den einzelnen Sektoren mit Ausnahme des verarbeitenden Gewerbes). Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass seit 1993 die Jahresveränderungsrate der Produktivität im verarbeitenden Gewerbe in fast allen Quartalen höher war als in der Gesamtwirtschaft. Insgesamt kann daher davon ausgegangen werden, dass auch in Zukunft das verarbeitende Gewerbe in den USA zwar zur Bruttowertschöpfung einen gewichtigen Anteil beitragen wird. Für die gesamtwirtschaftliche Arbeitsmarktentwicklung dürfte es jedoch weiterhin nur eine untergeordnete Rolle spielen, da die Nachfragesteigerungen durch die Bemühungen der Unternehmen, Produktivitätsfortschritte zu erzielen, kompensiert werden.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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