Kommentar
09:51 Uhr, 19.09.2007

USA: Fed senkt Leitzinsen auf 4,75 %

1. Das Federal Open Market Committe (FOMC) hat den Leitzins um 50 Basispunkte auf 4,75 % gesenkt. Ebenso hat es den Diskontsatz um 50 Basispunkte auf 5,25 % verringert. Beide Entscheidungen fielen einstimmig, allerdings haben lediglich sieben der zwölf Federal Reserve Banks im Vorfeld dieses Zinsentscheids um eine Senkung des Diskontsatzes in dieser Größenordnung gebeten. Insbesondere fehlen hier die Federal Reserve Banks von Dallas und Philadelphia, deren Präsidenten Fisher und Plosser in den vergangenen Wochen hervorgehoben haben, dass außerhalb des Wohnimmobilienmarktes bisher kaum realwirtschaftliche Auswirkungen der Anspannung auf den Kreditmärkten festzustellen seien. Dies ist ein vager Hinweis darauf, dass die Bereitschaft zur Lockerung der Geldpolitik nicht unter allen Federal Reserve Bank-Präsidenten gleichermaßen stark ausgeprägt ist.

2. Im ersten Absatz des Statements, der sich auf die konjunkturelle Entwicklung und den diesbezüglichen Ausblick bezieht, äußert das FOMC die Einschätzung, dass die Straffung der Kreditbedingungen die Korrektur am Wohnimmobilienmarkt verstärkten und das Wirtschaftswachstum allgemein beinträchtigen können. Diese Formulierung ist ausführlicher, aber inhaltlich der aus dem Statement vom 17. August sehr ähnlich. Verglichen mit den Minutes des Zinsentscheides vom 7. August, aus denen die Erwartung eher begrenzter Auswirkungen der Finanzmarktturbulenzen und eines anhaltend „moderaten“ Wachstums herauszulesen war, stellt dies jedoch einen deutlichen Sinneswandel dar. Dieser dürfte zwar ausschlaggebend für die Entscheidung gewesen sein, die Federal Funds Rate in einem großen Schritt um 50 Basispunkte zu senken, jedoch kann hieraus nicht auf eine starke Neigung zu einer weiteren Lockerung der Geldpolitik geschlossen werden. So lassen sich im Statement zumindest drei Formulierungen ausfindig machen, mit denen das FOMC der Erwartung weiterer Leitzinssenkungen entgegenwirkt.

3. Zum einen begründet die Fed diesen Zinsschritt mit der Absicht, negativen Auswirkungen der Kreditkrise auf die Realwirtschaft zumindest zum Teil zuvorzukommen. Die Einschränkung „zum Teil“ deutet zwar darauf hin, dass das FOMC nicht davon ausgeht, derartige Effekte vollständig unterbinden zu können. Allerdings lässt der Gebrauch des Worts „zuvorkommen“ („forestall“) darauf schließen, dass die Notenbanker diese Leitzinssenkung eher als präventive Maßnahme und nicht als Eröffnung eines Zinssenkungszyklus verstehen.

4. Zum anderen weist das FOMC im zweiten Absatz seines Statements nach wie vor auf verbleibende Inflationsrisiken hin. Zwar ist die Passage zur Inflationsentwicklung in diesem Statement deutlich knapper gehalten als bei den vorangegangenen Zinsentscheiden, dennoch hebt die Fed hervor, dass sie diese weiterhin aufmerksam beobachte. Mit diesem deutlichen Hinweis darauf, dass die Fed trotz der akuten Finanzmarktturbulenzen das Thema Inflation nicht aus den Augen verloren hat, gibt sie zu erkennen, dass sie ihren Spielraum für weitere Leitzinssenkungen derzeit als nicht besonders groß ansieht.

5. Darüber hinaus nimmt das FOMC im dritten Absatz seines Statements, der üblicherweise die Einschätzung der Risiken und den Ausblick auf die zukünftige Geldpolitik zum Gegenstand hat, keine explizite Gewichtung der Konjunktur- und Inflationsrisiken vor. Zwar lässt sich aus den beiden vorangegangenen Absätzen schließen, dass konjunkturelle Risiken in den Überlegungen des FOMC eine größere Rolle gespielt haben, jedoch verzichtet das FOMC auf eine explizite Übergewichtung dieser Risiken, mit denen sie die Markterwartungen weiterer Leitzinssenkungen unterfüttert hätte. Stattdessen betonen die Notenbanker, dass der wirtschaftliche Ausblick aufgrund der Entwicklungen an den Finanzmärkten generell mit einer erhöhten Unsicherheit behaftet sei. Damit hält die Fed sich grundsätzlich den Spielraum für weitere Leitzinssenkungen offen, ohne jedoch im Vorfeld eine derartige Erwartungshaltung zu schaffen. In die gleiche Richtung lässt sich auch der abschließende Satz interpretieren, die Fed werde das Notwendige tun, um Preisstabilität und nachhaltiges Wachstum zu unterstützen. Hiermit drückt das FOMC zum einen aus, dass ihm Inflation und Konjunktur gleichermaßen wichtig sind, behält sich aber andererseits die Möglichkeit weiterer Leitzinssenkungen vor, soweit die Entwicklung der Datenlage diese gerechtfertigt erscheinen lassen.

6. Die hohe Unsicherheit des wirtschaftlichen Ausblicks, den die Fed betont, und die daraus resultierende Datenabhängigkeit ihrer Politik, sind selbstverständlich auch für unsere Leitzinsprognose von zentraler Bedeutung. Als die wichtigsten Datenpunkte, die dem FOMC bis zu seinem nächsten Meeting am 30. und 31. Oktober zufließen, erachten wir den Arbeitsmarktbericht für den Monat September sowie die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung, die Auftragseingänge für und Auslieferungen von Kapitalgütern in den Monaten August und September sowie das Verbraucher vertrauen dieser beiden Monate. Sollten diese Indikatoren entsprechend unserer Einschätzung der konjunkturellen Entwicklung ausfallen, also einen Beschäftigungsaufbau von 50.000 bis 100.000 Personen, einen leichten Rückgang der Investitionstätigkeit sowie eine Abnahme des Verbrauchervertrauens um maximal 10 Punkte anzeigen, halten wir eine weitere Senkung der Federal Funds Rate um 25 Basispunkte auf dann 4,5 % beim kommenden FOMC-Meeting für das wahrscheinlichste Szenario. Mit einer darüber hinaus gehenden Lockerung der Geldpolitik würde sich die Fed auf eindeutig expansives Terrain begeben. Dies würden wir nur für den Fall erwarten, dass deutlichere Anzeichen für eine gravierende Abschwächung der wirtschaftlichen Aktivität vorliegen.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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