US-Wahlen könnten für Volatilität sorgen
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Für viele Leser beginnen bald die Sommerferien. Bevor ich in Cornwall auf etwas Sonne hoffe, möchte ich noch einmal meine Sicht der Märkte beschreiben. Die erste Jahreshälfte war gut, aber ich bin nicht sicher, ob es nach den Ferien so weitergeht. Wie auch immer: Ich freue mich auf Cornish Pasties, Fish and Chips und Küstenspaziergänge im Regen.
Bevor es im August so weit ist, werden Sie aber noch ein paar Mal von mir lesen. Diese Woche möchte ich erst einmal Jim Leaviss alles Gute wünschen, der gerade seinen Abschied von M&G Investments angekündigt hat. Ich weiß nicht, ob Jim das hier liest, aber er ist eine große Persönlichkeit am britischen Anleihenmarkt. Manchmal trafen wir uns als Zuschauer auf dem Lord’s Cricket Ground. Der Anleihenmarkt verliert einen großen Investor und einen eloquenten Experten für alles, was mit Anleihen zu tun hat – ebenso wie mit Cricket, Fußball und dem britischen Indie-Rock der Achtziger.
Zinsoptimismus: Nach den aktuellen Terminmarktzinsen bleibt eine Rezession aus, und die kurzfristigen Realzinsen werden positiv bleiben. Anders als beim klassischen Konjunkturzyklus – Zinsanstieg, Rezession, Zinssenkungen auf das ursprüngliche Niveau – rechnet man am Terminmarkt damit, dass die Zinsen zwar gesenkt werden, dann aber noch immer um etwa 300 bis 350 Basispunkte höher sein werden als zu Beginn. Für die USA und Großbritannien wird ein Rückgang der Kurzfristzinsen auf 3,5 Prozent bis 4,0 Prozent erwartet, für den Euroraum auf 2,5 Prozent bis 3,0 Prozent. Das nenne ich Goldilocks! Noch besser für Anleihen wäre ein stärkerer Zinsrückgang, weil die Wirtschaft nicht so stark wächst. Mehrerträge mit Anleihen wären die Folge. Entscheidend sind aber die Daten: Von ihnen hängt es ab, ob Goldilocks Realität wird. Nach den zuletzt etwas schwächeren Zahlen kann aber auch das Positivszenario für Anleihen nicht ganz ausgeschlossen werden.
Tatsächlich scheint die amerikanische Juni-Inflation solche Hoffnungen zu stützen. Im Monatsvergleich sind die Preise sogar gefallen, um 0,1 Prozent, und im Vorjahresvergleich ging die Teuerung von 3,3 Prozent im Mai auf 3,0 Prozent zurück. Nach dem Sahm-Indikator befänden sich die USA bei einer nur um 0,1 Prozentpunkte höheren Arbeitslosenquote in der Rezession. Die Forward-Zinsen scheinen zu hoch.
Laufende Erträge: Credits finde ich weiterhin interessant. Im Juni weiteten sich ihre Spreads aus, nicht zuletzt wegen der politischen Unsicherheit in Frankreich. Seitdem sind sie aber wieder gefallen. Ein drastischer Rückgang ist dennoch unwahrscheinlich, und ganz sicher wird sich ein Rückgang wie im 4. Quartal 2023 und im 1. Quartal 2024 – mit Mehrerträgen gegenüber Staatsanleihen – kaum wiederholen. Wenn das Wachstum noch mehr nachlässt, ist zumindest bei schwächeren Titeln eher mit einer gewissen Ausweitung zu rechnen. So oder so sind die um 90 bis 120 Basispunkte höheren Renditen gängiger Investmentgrade-Indizes gut für den laufenden Ertrag. Bis jetzt spricht nichts für eine nachlassende Kreditqualität. Wenn die anstehende Berichtssaison die Erwartungen erfüllt, wird man weiterhin ordentlich verdienen. High Yield bleibt einstweilen die bevorzugte Assetklasse.
Weiterhin politische Unruhe: Die politischen Entwicklungen in Europa haben den Märkten in diesem Sommer noch nicht nachhaltig geschadet. Die britischen Unterhauswahlen brachten keine Überraschung, und die Märkte wissen die neue Regierung erst einmal zu schätzen. Wegen der unklaren Mehrheitsverhältnisse in Frankreich ist der Zinsabstand zwischen französischen und deutschen Staatsanleihen zwar noch immer höher als vor einem Monat, aber doch wieder niedriger als direkt nach Macrons überraschendem Auflösungsdekret. Auch die Auswirkungen auf andere Assetklassen hielten sich bislang in Grenzen. Für eine gewisse Volatilität könnten aber die US-Wahlen sorgen. Biden scheint entschlossen, im November wieder ins Rennen zu gehen. Teile seiner Partei lassen allerdings keinen Zweifel daran, dass sie sich einen Rückzug wünschen – und das in einer Zeit mit erhöhtem Rezessionsrisiko. Viele Marktbeobachter schreiben schon jetzt, dass Zinsen und Inflation bei einem Sieg Trumps steigen. Die Volatilität dürfte kaum so niedrig bleiben wie jetzt.
Was wollen uns Small Caps sagen? Amerikanische Small Caps haben sich gemessen am Russell 2000 Index dieses Jahr seitwärts bewegt. Sie blieben um etwa 27 Prozentpunkte hinter dem S&P Growth Index zurück. Auch die Performance hochkapitalisierter Substanzwerte hielt sich in Grenzen; der Dow Jones Industrial Average und der S&P Value Index haben seit Jahresbeginn gerade einmal 6,5 Prozent geschafft. Wir kennen das. In Amerika kann man vor allem mit Wachstumsaktien verdienen. Der Informationstechnologie-Index liegt um 34 Prozent im Plus, und die NVIDIA-Aktie sogar um 159 Prozent. Der Bewertungsunterschied zwischen dem S&P Growth Index und dem Russell 2000 Index ist heute so extrem wie zuletzt vor der Dotcom-Blase, der Ende 1999 allmählich die Luft ausging.
Die derzeitige Bewertungsdifferenz zwischen Wachstumsaktien und Small Caps ist durchaus typisch für ein Ende des Konjunkturzyklus. 1999 und 2000 sorgte der Bewertungsrückgang von Technologiewerten für eine Korrektur. Bedenkt man, wie konzentriert die amerikanische Aktienmarktrallye war, ist eine gewisse Korrektur auch jetzt nicht auszuschließen. Aber was könnte sie auslösen? Enttäuschende Gewinne oder ein weniger technologiefreundliches Umfeld nach den Wahlen? Vielleicht wird auch diese Berichtssaison wieder erfreulich und zeigt einmal mehr, wie fundamental die technologische Revolution ist.
Die Seitwärtsentwicklung von Small Caps sagt vielleicht auch etwas über den wahren Zustand der US-Wirtschaft insgesamt aus. Small Caps waren sogar schwächer als amerikanische High-Yield-Anleihen, auch wenn die gleitende 24-Monats-Korrelation zwischen den beiden Assetklassen fast 90 Prozent beträgt. Mit High Yield hat man vor allem wegen ihres Carry verdient – schließlich sind die Zinsen gestiegen. Die Bewertung von Small Caps hat sich unterdessen kaum geändert, und die Gewinnprognosen für die kommenden zwölf Monate wurden seit Ende 2023 gesenkt. Am High-Yield-Markt macht man sich wegen der Cashflows offensichtlich keine Sorgen. Andererseits zeigt die Performance von Small Caps, dass die Cashflows kaum steigen. Zumindest aber sieht man, dass Anleger bei ähnlichen Erträgen Anleihen Aktien vorziehen.
Nach den guten Inflationszahlen legte der Small-Cap-Index zuletzt aber zu. Vielleicht braucht es einfach Zinssenkungen, damit niedriger kapitalisierte Aktien steigen. Niedrigere Zinsen, Gewinnmitnahmen im Technologiesektor und allmähliche Gewinne von Small Caps im Sommer und im Herbst?
Trends für morgen: Volkswirte rechnen damit, dass sowohl Künstliche Intelligenz als auch die Energiewende die Produktivität langfristig steigen lassen. Den Nutzen von KI sehen wir schon jetzt, und niedrigere, stabilere Energiepreise werden Unternehmen und Haushalten in vielen Ländern helfen. Interessant ist, dass sich Aktien aus den Bereichen KI und erneuerbare Energien so unterschiedlich entwickelt haben. Technologiewerte verzeichneten Mehrertrag, aber der NASDAQ Clean Energy Liquid Series Index ist seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine und dem anschließenden Ölpreisanstieg hinter den Markt zurückgefallen. Vielleicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich das ändert. KI wird schon jetzt mit Erfolg eingesetzt, aber erneuerbare Energien erfordern erst einmal hohe Investitionen. Dabei ist die Preisentwicklung unsicher, solange sich die Erneuerbaren noch nicht als wichtige Energiequelle für die Stromversorgung etabliert haben. Anlagen in Zulieferer lohnen sich aber, wenn mehr Kapital in die Dekarbonisierung fließt.
All I need is electricity: Es wird immer mehr erneuerbare Energie erzeugt, und die Produktionskosten fallen. Die Finanzierungskosten dürften bald ebenfalls zurückgehen, weil die Zinsen fallen. Nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur wird die Stromnachfrage bis 2026 um 3,4 Prozent jährlich steigen – wegen der erwarteten besseren Weltkonjunktur, staatlicher Anreize und Zielvorgaben sowie der Elektrifizierung des Verkehrs. Ähnliches gilt für den Technologiesektor. Die für KI erforderlichen Datenzentren sorgen für eine deutlich höhere Stromnachfrage. Große Technologieunternehmen verpflichten sich, ausschließlich erneuerbare Energien zu nutzen. Sie sichern sich „grüne“ Elektrizität für den Betrieb ihrer Datenzentren und andere Aktivitäten. Nach aktuellen Mitteilungen von Meta, Apple und Microsoft haben sich diese drei Unternehmen zusammen über 30.000 Megawattstunden Strom aus erneuerbaren Energien gesichert. Dadurch steigt der Anteil der Erneuerbaren und macht sie preislich wettbewerbsfähiger, wovon wiederum alle anderen Nutzer profitieren. Wenn Wind- und Solarenergie noch viel billiger werden, würde ihr Anteil schnell steigen. Es wäre schon seltsam, wenn das nicht irgendwann Auswirkungen auf die Aktienkurse hätte.
Manche Titel haben ohnehin bereits zugelegt. Die Aktie von First Solar, einem amerikanischen Entwickler und Hersteller von Solarpanels, ist dieses Jahr schon um 33 Prozent gestiegen. Ein anderes Beispiel ist die American Superconductor Corporation, ein Erzeuger erneuerbarer Energien und Anbieter von Bauteilen für Elektrizitätserzeugung und Stromnetze. Hier legte der Aktienkurs seit Jahresbeginn um etwa 150 Prozent zu. Und es gibt noch mehr Firmen mit wachsenden Umsätzen und freien Cashflows. Wenn die Nachfrage weiter steigt, werden sich Umsatz und Rentabilität verbessern. Hinzu kommen weitere Verbindungen zwischen Technologie und erneuerbaren Energien. Stolz berichtet der Technologiekonzern NVIDIA auf seiner Website, wie der Energiesektor seine Chips zur Optimierung von Nachfrageprognosen und Verteilung erneuerbarer Energie einsetzt. Wir erleben eine echte wirtschaftliche Revolution mit zwei Antrieben.
Sommerträume: Träumen Sie im Urlaub doch ein wenig. Träumen Sie von einer Zukunft, in der KI Gesundheitsversorgung, Verkehr, Stadtplanung, Finanzen und Industrie voranbringt – alles mit sauberem Strom aus erneuerbaren Quellen. Enormer Fortschritt scheint möglich. Für Aktieninvestoren lohnen sich Investitionen in solche Langfristtrends, die Wachstum zu garantieren scheinen. Vielleicht fallen die Bewertungen, aber an der strukturellen Entwicklung gibt es keinen Zweifel – und auch nicht an der Aussicht auf hohe Langfristerträge.
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