Kommentar
09:30 Uhr, 05.12.2007

US-Notenbank bereitet Weihnachtsgeschenk für Finanzmärkte vor

Manchmal scheinen fromme Wünsche doch in Erfüllung gehen, zumal in der Vorweihnachtszeit. US-Notenbank-Chef Ben Bernanke hat mehr oder weniger verklausuliert die nächste Leitzinssenkung bereits für Dezember in Aussicht gestellt. Die Frage, die die Märkte noch bewegt, ist die nach der Größe des Pakets, spricht ob die Zinsen um 25 oder 50 Basispunkte gesenkt werden. Die Vorfreude war zum Ende der letzten Woche unübersehbar. In nahezu allen risikobehafteten Assetklassen waren nach der Bernanke-Rede spürbare Kursgewinne zu verzeichnen.

Dabei scheint der Grund für die avisierte Zinssenkung im süßen Duft der Adventszeit etwas unterzugehen. Zum einen ist die Liquiditäts- und Vertrauenskrise alles andere als ausgestanden. Die überhöhten Geldmarktzinssätze sprechen hier eine eindeutige Sprache. Und auch am Corporate-Bond-Markt sind längst noch keine seligen Zeiten angebrochen. Daran ändert auch das von der US-Regierung angedeutete Weihnachtsgeschenk an Subprime-Hypothekenschuldner - in Gestalt eines administrierten Aussetzens eigentlich fälliger Zinserhöhungen - nichts.

Zum anderen sind da die unübersehbaren Konjunkturrisiken für die US-Wirtschaft. Alles was derzeit an Nachrichten aus dem Immobiliensektor zu uns durchdringt, sorgt für Ernüchterung. Mäßig ausgefallene Steigerungsraten bei den persönlichen Realeinkommen wie bei den privaten Konsumausgaben passen ebenfalls in dieses Bild. Es steht daher zu befürchten, dass nach dem kräftigen Wachstum im dritten Quartal 2007 (+4,9 Prozent auf Jahresbasis) die nächsten Quartale sehr bescheiden ausfallen werden - aus Sicht der Fed-Mitglieder wohl Grund genug, die Leitzinsen erneut zu senken. Geldpolitischen Spielraum beziehen sie aus der Tatsache, dass sich die Kerninflationsrate mit 1,9 Prozent im Rahmen des Erträglichen bewegt. Die deutlich darüber befindliche Gesamtinflationsrate scheint in der Wahrnehmung der amerikanischen Währungshüter ohnehin keine Rolle zu spielen.

Am US-Bondmarkt hat die Aussicht auf eine baldige Lockerung der Zinszügel die Renditen nochmals nach unten gezogen. Zehnjährige Schatzanweisungen rentieren nur mit 3,9 Prozent und damit bereits 20 Basispunkte niedriger als Bundesanleihen mit gleicher Laufzeit. In diesem Umfeld wäre es keine allzu große Überraschung gewesen, wenn der Dollar weiter zur Schwäche tendiert hätte. Überraschend konnte sich der Greenback aber in der letzten Woche nach dem regelrechten Absturz in der letzten Zeit leicht erholen. Zum Wochenschluss mussten für einen Euro gut 1,46 US-Dollar bezahlt werden.

Renditeanstieg im Euroraum

In der Vorwoche haben sich die Rentenmärkte des Euroraums komplett von den US-Vorgaben gelöst. Den anhaltenden Renditerückgängen in den USA stand ein spürbarer Renditeanstieg in der Eurozone gegenüber. Überraschend gute Konjunkturdaten dürften dabei eine wichtige Rolle gespielt haben. So legten mit dem Ifo- und dem INSEE-Geschäftsklimaindex die beiden wichtigsten Konjunkturbarometer des Kontinents zu, während das Gros der Marktteilnehmer mit einer Verschlechterung gerechnet hatte. Auch die Arbeitsmarktzahlen aus Deutschland - die Arbeitslosigkeit verringerte sich im November abermals um 50.000, die Arbeitslosenquote sank auf 8,6 Prozent - ließen aufhorchen.

Zudem macht die EZB weiterhin keine Anstalten, der Fed in Richtung niedrigerer Zinsen zu folgen. Im Gegensatz zur Fed, die der Preisniveaustabilität und der Förderung des Wirtschaftswachstums gleichermaßen verpflichtet ist, besteht für die EZB eine klare Zielhierarchie: Die Vermeidung von Inflation steht eindeutig an erster Stelle. Wenn dieses Ziel erreicht ist (aber nur dann!), kann sie sich auch anderen wirtschaftspolitischen Zielen zuwenden. Dies ist aber derzeit nicht der Fall. Die Inflationsrate nähert sich infolge der Preisexplosionen bei Energie und Nahrungsmitteln inzwischen der 3-Prozent-Marke. Zudem ist das Geldmengen- und Kreditwachstum - in der Strategie der EZB die so genannte zweite Säule - signifikant über dem angestrebten Zielwert, was den Spielraum der Währungshüter für Zinssenkungen zusätzlich einengt. Vor diesem Hintergrund ist bis auf weiteres nicht mit Leitzinsänderungen zu rechnen, auch wenn sich dies am Markt viele wünschen würden.

Ausblick

Eine datenreiche Woche steht uns bevor. Die Hauptaufmerksamkeit dürfte dabei den US-Arbeitsmarktdaten sowie den beiderseits des Atlantiks zur Veröffentlichung anstehenden Einkaufsmanagerindizes zuteil werden. Aus Deutschland werden zudem die Industrieproduktion sowie die Auftragseingänge bekannt gegeben. Von der EZB-Sitzung ist wie beschrieben keine Leitzinsanpassung zu erwarten. Das anschließende Statement sollte aber wegen der längerfristigen Aussichten genau studiert werden.

Quelle: Union Investment

Gegründet 1956, zählt Union Investment heute zu den größten deutschen Investmentgesellschaften. Rund 163,4 Mrd. Euro verwaltete die Gesellschaft per 31. März 2007. Die Produktpalette für private Anleger umfasst Aktien-, Renten- Geldmarkt- und Offene Immobilienfonds sowie gemischte Wertpapier- und Immobilienfonds und Dachfonds. Anleger erhalten diese Produkte bei allen Volksbanken, Raiffeisenbanken, Sparda-Banken und PSD-Banken. Rund 4 Millionen Anleger nutzen überdies die Depotdienstleistungen der Union Investment.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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