US-Märkte bevorzugen
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Was sollen Anleger von den aktuellen makroökonomischen Daten aus den USA halten? In den vergangenen Wochen gab es Berichte über einen Rückgang des Bruttoinlandprodukts (BIPs) im zweiten Quartal, einen überraschend starken Beschäftigungsanstieg sowie im Juli eine etwas besser als erwartete Verbraucherpreisinflation und einen Rückgang der Erzeugerpreise. Wenn es stimmt, dass das Wachstum nicht so schlecht ist, wie die BIP-Daten vermuten lassen, und dass die Inflation zu sinken beginnt, was ist dann so schlimm? Einerseits haben sich die Markterwartungen hinsichtlich der Zinsen stabilisiert, wobei der Höchststand im ersten Quartal 2023 gesehen wird. Andererseits gibt es, wenn das Wachstum so robust ist wie es der Arbeitsmarkt vermuten lässt, keine Rezession und ein starker Rückgang der Firmengewinne dürfte vermieden werden. Die Unternehmen scheinen die höheren Kosten und den Druck auf die Margen in den Griff zu bekommen und es gibt keinen Grund, die Aktienbewertungen weiter zu senken, da die Anleiherenditen nicht mehr steigen. Die Renditen sowohl von Anleihen als auch von Aktien sehen dementsprechend besser aus.
US-Vorherrschaft
Diese Punkte sprechen für eine anhaltende Dollarstärke und – in lokaler Währung – für bessere Renditen an den US-Märkten, wo die Renditen höher und die Fundamentaldaten anscheinend besser sind als in Europa. Die US-Notenbank Fed setzt sich aktiv mit den Markterwartungen bezüglich der Zinsen auseinander, um die Volatilität zu begrenzen, während die Regierung Schritte unternommen hat, um einige der zugrundeliegenden Inflationsprobleme anzugehen. Aktuell würden wir davon ausgehen, dass US-Aktien weiter gut abschneiden. Saisonal betrachtet tendieren das dritte und vierte Quartal dazu, positive Renditen für Indizes wie den S&P 500 zu bringen und es wird noch eine Weile dauern, bis die Bewertungen wieder in den teuren Bereich zurückkehren. Auf der Grundlage der aktuellen Zwölf-Monats-Prognosen für den Gewinn pro Aktie wird der S&P 500 derzeit mit dem 17,6fachen gehandelt, verglichen mit einem 15-Jahres-Durchschnitt von 15,7x.
Nicht nachlassende Inflationssorgen in Europa
Der Rückgang der US-Inflation ist auf niedrigere Energiekosten zurückzuführen. Dem Bericht über die Erzeugerpreise zufolge sind die Energiekosten im Juli um neun Prozent gesunken. Und laut dem Bericht zu den Verbraucherpreisen sind die Energiepreise im Monatsvergleich um 4,6 Prozent zurückgegangen. Das gilt nicht für den Rest der Welt. In Europa sind die Preise für Erdgas auf den Großhandelsmärkten weiterhin hoch. In Anbetracht der Rolle, die Gas als direkte Energiequelle für Verbraucher und für den Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage bei der Stromerzeugung spielt, wird sich dies wohl nicht so bald ändern. Die Drohung Russlands, die Gaslieferungen nach Europa zu drosseln, bedeutet weniger Angebot, höhere Preise und eine mögliche Rationierung der Gasnutzung im kommenden Winter. Dies würde wahrscheinlich zu einem nicht unerheblichen Verlust bei der Produktion in Europa in 2023 führen.
Komplexe Energiemärkte
Das Problem im Energiebereich besteht derzeit darin, dass die meisten Länder trotz der zunehmenden Rolle erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung immer noch auf Erdgas angewiesen sind, um Stromangebot und -nachfrage ins Gleichgewicht zu bringen. Die Erzeuger, die einen hohen Gaspreis zahlen, legen den Strompreis auf Grundlage der Grenzkosten für die Erzeugung zusätzlicher Stromeinheiten fest. Zwischen dem Preis für Erdgas und dem für Strom auf den Großhandelsmärkten besteht eine sehr hohe Korrelation. Wenn dieses zusätzliche marginale Gasangebot gefährdet ist, sind die Elektrizitätsfirmen bereit, heute höhere Preise zu zahlen, um sich künftige Lieferungen zu sichern. Selbst dann könnte es nicht genug sein, weshalb man von Rationierung spricht.
Einige Unternehmen sind vollständig in die Wertschöpfungskette integriert – von der Gewinnung von Kohlenwasserstoffen über die Veredelung und Reinigung bis hin zur Stromerzeugung und Strom- und Gasverteilung. Da die Großhandelspreise für Gas durch den Konflikt in die Höhe getrieben wurden, konnten sie die Strom- und Gaspreise für die Endkunden erhöhen. Die Folge sind Rekordgewinne, vor allem für integrierte Öl- und Gaskonzerne und Versorger. Anderswo haben stärker regulierte Endkundenpreise oder direktes öffentliches Eigentum die vollen Auswirkungen der höheren Gas- und Ölpreise auf den Verbraucher (zumindest ein wenig) abgefedert.
Veränderte Abhängigkeiten
Die Komplexität der Energiemärkte spiegelt auch ihre gegenseitigen Abhängigkeiten wider. Die europäischen Strom- und Gasnetze sind miteinander verbunden, was eine größere Flexibilität bei Nachfrageschwankungen ermöglicht. Darüber hinaus importiert Europa Energie aus dem Rest der Welt, wobei flüssiges Erdgas (LNG) in dieser Hinsicht am wichtigsten ist. Höhere LNG-Importe sind ein Teil der Lösung für das russische Problem.
Sicherheit
Inflation wird immer dann ein Thema sein, wenn es bei den wichtigsten Brennstoffen für die Energieerzeugung zu freiwilligen oder unfreiwilligen Lieferunterbrechungen kommt (meist aus geopolitischen Gründen). Gas wird ein ausgleichender Faktor für die Energieerzeugung bleiben. Die Herausforderung besteht darin, die Auswirkungen davon zu verringern, indem der Anteil erneuerbarer Energieträger weiter erhöht und der Ausgleichsbedarf an Gas von politisch weniger instabilen Lieferanten gedeckt wird. Die Energiesicherheit ist zu Recht zu einem politischen Schlüsselthema geworden, aber es wird immer so sein, dass einige Länder nie vollständig unabhängig sein werden, weil sie einfach nicht über die natürlichen Ressourcen verfügen. Verbesserungen bei der Energieeffizienz und der Energiespeicherung werden aber dazu beitragen, die wirtschaftlichen Auswirkungen von Handelsunterbrechungen abzufedern. Stärkere internationale Handelsabkommen zwischen befreundeten Nationen würden ebenfalls helfen.
Nicht mehr vorübergehend
Bei der Inflation geht es nicht nur um Energie. Die Kerninflation ist überall hoch, da die Kosten für alle Waren und Dienstleistungen gestiegen sind. Diesem Trend liegen strukturelle Angebots- und Nachfrageprobleme zugrunde – bei Rohstoffen, in der Lebensmittelproduktion, bei Halbleitern und auf dem Arbeitsmarkt. Die Inflation ist also nicht vorübergehend, sondern hängt in vielerlei Hinsicht damit zusammen, wie sich die Pandemie auf die Weltwirtschaft auswirkte. Wir müssen also unseren Optimismus in Bezug auf den möglichen Höhepunkt der Inflation in den USA zügeln. Eine Straffung der Geldpolitik ist ein recht stumpfes Instrument, aber die Märkte sind wohl zu optimistisch, was die mittelfristigen Aussichten für die Zinsen angeht. All dies macht inflationsgebundene Anleihen weiter attraktiv, und zwar aus dem einfachen Grund, dass die Kupons an die Verbraucherpreise gekoppelt sind. Die Weltwirtschaft wird letztlich Lösungen für die Marktineffizienzen finden, die heute die Inflation verursachen. Aber das bedeutet immer noch eine höhere Inflation in den kommenden paar Jahren als in der Zeit vor Covid.
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