Kommentar
13:30 Uhr, 22.08.2007

US-Immobilienkrise - Augen zu und durch - "Helikopter-Ben" bitte übernehmen!

Täglich ereilen die Anleger neue Hiobsbotschaften vom US-Hypothekenmarkt. Egal ob der Konkurs des Baufinanzierers American Home oder Zahlungsprobleme bei Washington Mutual und Novastar, Schließungen von Hedgefonds wie bei Sentinel oder hohe Spekulationsverluste der BNP Paribas oder Goldman Sachs. Kreditinstitute rund um den Globus horten derweil Geld, während die Zentralbanken die Liquiditätsschleusen im kurzfristigen Bereich durch Schnelltender oder die Senkung der „Discount Rate“ (nicht die „Fed Funds Rate“) durch die US-Notenbank auf 5,75% öffnen, um den Geldmarkt zu stabilisieren. Auch in Deutschland grassiert das „Subprime-Fieber“ verstärkt weiter. Nun hat es unter anderem die Deutsche Bank, Commerzbank, Postbank, WestLB und vor allem SachsenLB erwischt. Erstaunlich ist, wie hoch das finanzielle Engagement der eigentlich als konservativ ausgerichteten Landesbanken bei so genannten CDOs („Collateralized Debt Obligations“) etc. ist.

Fakt ist, die Immobilienproblematik ist noch lange nicht vom Tisch. Aber eine Systemkrise droht dank des beherzten Eingreifens der Zentralbanken weltweit nach derzeitigem Stand nicht. Aufgrund der Entkopplung von Hypothekenkredit und Ausfallrisiko durch CDOs & Co., schultert allerdings die ganze Welt die hohe Verschuldung der US-Haushalte und steht letztlich für Zahlungsausfälle und Pleiten gerade. Es ist einfach naiv anzunehmen, dass Kreditrisiken aus dem System verschwinden, indem die Forderungen an andere Investoren verkauft werden. Ein Hoch auf die Verbriefung, werden sich zumindest die Amerikaner denken. Eine Art ausgleichende Gerechtigkeit ist, dass die US-Wirtschaft unter der Hypothekenkrise am stärksten leidet – wobei eine weltweite Verschärfung der Kreditvergabe alle Länder schwächen könnte. Vor allem im dritten Quartal sollte sich die Immobilienkrise beim US-Bruttoinlandsprodukt (BIP) bemerkbar machen. Der US-Arbeitsmarkt ist bereits jetzt betroffen: Seit Jahresbeginn sind schätzungsweise 100.000 Jobs im Immobilienbereich weggefallen.

Der US-Hypothekenmarkt hat ein Volumen von etwa 10.000 Milliarden USD(!). Per Ende 2006 entfielen rund 15% auf „subprime mortgages“, also Kredite an Schuldner mit geringer (bis gar keiner) Bonität. Die nicht selten variabel verzinsten Immobilienkredite sind durch die Zinserhöhungen der Fed inzwischen deutlich teuer als noch vor einigen Jahren. Hinzu kommt, dass das „Perpetuum Mobile“ steigender Hauspreise nicht mehr funktioniert. Stattdessen verlieren Häuser – in einigen Landesteilen der USA sogar rapide – an Wert. Deshalb ist es einleuchtend, dass bei einer angenommenen Ausfallquote von 25% bei subprime mortages noch rund 375 Milliarden USD auf der Kippe stehen. Die bisher gemeldeten Summen sind davon allerdings weit entfernt. Daher werden wir noch einige Kernschmelzen bei Baufinanzieren oder Hedgefonds sehen. Die verantwortlichen Manager verfahren dabei nach dem Prinzip „Augen zu und durch“. Denn haben sie eine Schieflage in ihrem Investment, könnte die Ankündigung solcher nach dem Prinzip der sich selbst erfüllenden Prophezeiung zum Totalverlust führen. Daher wird es mit der Wahrheit über Ausmaß und Risiko eines Engagements im Subprime-Bereich etc. auch nicht so genau genommen. Leider! Das ist eine große Unbekannte, aus ökonomischer Sicht ist das (Nicht-)Handeln der Manager aber nachzuvollziehen.

Rating-Agenturen wie S&P und Moody’s tragen übrigens große Mitschuld an der Immobilienkrise. Dass sich verbriefte Produkte wie CDOs so gut verkauft haben, lag vor allem an den hohen Ratings. Da aber ein Interessenkonflikt zwischen den Rating-Agenturen und dem Emittenten besteht, der für die Erteilung eines „objektiven“ Gütesiegels ja bezahlt, liegt der Verdacht nahe, dass manchmal Umsatz vor Investorenschutz ging – auch wenn der Verlust der eigenen Reputation droht. Es ist nicht das erste Mal, dass S&P & Co. Probleme nicht erkannt haben. Von den letzten zehn Finanz-Katastrophen (z.B. Enron) erkannten die Rating-Agenturen zu Beginn keine. Und durch ihre reflexartige Abstufung von Kreditportfolien nach dem Super-Gau, haben sie noch mehr Manager über die Klippe gestoßen.

Das Vertrauen der Anleger ist aber angekratzt. Das „animusX-Newsbarometer“ fiel auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Volatilität und damit die Angst an den Finanzmärkten weltweit erreichte zuletzt den höchsten Stand seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Verkaufspanik trieb die Anleger aus fast allen Assetklassen – institutionelle Investoren verscherbelten sogar die Goldkette der Großmutter, um Liquidität zu schaffen. Das erklärt auch, warum der Goldpreis ebenfalls unter Druck stand. Lediglich der Yen und Franken konnte als Finanzierungswährungen in Carry-Trades von der massiven Auflösung selbiger profitieren – ebenso wie der Greenback von der Repatriierung von US-Dollar zurück die Heimat. Aktuell ist die Lage wie nach einem Jahrhundertsturm. Die Aufräumarbeiten haben begonnen, nur weiß kein Investor, ob es das schon war. Die Zählung von Schlagwörtern wie „US-Immobilienkrise“ oder „Kreditklemme“ in den Medien spiegelt den Verfall der Stimmung und die Spitze des Ausverkaufs in der vergangenen Woche genau wider. Da Menschen die Märkte bewegen wird mittelfristig ein gewisser Gewöhnungseffekt in punkto US-Hypothekenkrise eintreten und damit die negative Berichterstattung abebben – so lange die Systemkrise ausbleibt.

Zurück zur US-Notenbank: Optimisten sagen, dass Ben Bernanke mit der Zinssenkung Vertrauen zurückgebracht und gezeigt hat, dass die Fed Gewehr bei Fuß steht. Pessimisten hingegen argumentieren, dass es aus Bernankes Sicht schon schlimm um die US-Konjunktur bestellt sein muss, wenn er sich zu einem solchen Schritt hinreißen lässt. „Helikopter-Ben“ bitte übernehmen! Die Fed Funds Futures preisen derzeit für den 18. September einen Zinsschritt um 25 Basipunkte nach unten ein. Per Ende 2007 werden sogar drei Zinssenkungen auf 4,50% erwartet. Der US-Dollar sollte darunter mittelbar leiden. Besonders, da die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Ausleihesatz in diesem Jahr trotz der Immobilienkrise auf 4,50% erhöhen könnte. EUR/USD dürfte deshalb wieder gen Norden laufen.

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Christian Pohl - Head of Research bei der FX Direkt Bank

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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