Kommentar
08:13 Uhr, 16.09.2009

US-Dollar: In Washington braut sich was zusammen; Ausland verweigert Kauf von US-Staatsanleihen

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Die US-Regierung muss sich zur Finanzierung von Bankenübernahmen, Konjunkturpaketen und Ausgaben für das Gesundheitswesen in einem Maße verschulden, wie nie zuvor in der Geschichte. Erschreckenderweise zeigen sich gerade jetzt die Chinesen, die größten Käufer von US-Staatsanleihen in der Vergangenheit, nicht mehr bereit, diese Neuverschuldung in vollem Umfang mitzutragen.

Alles beginnt mit der Entwicklung der Währung der Vereinigten Staaten. Sehen wir uns hierzu die Entwicklung des US-Dollarindex an, der als Future an der CME in Chicago gehandelt wird. Er ist repräsentativ für die Entwicklung der US-Valuta gegenüber wichtigen anderen Weltwährungen. Der Index schloss in der vergangenen Woche bei 76,89 Punkten und damit so niedrig wie zuletzt im September 2008:

Sie sehen bis zum Tief im April dieses Jahres bei 71,05 Punkten ist noch Platz. Trotzdem schaffte der Goldpreis ein neues Allzeithoch auf Wochenschlusskursbasis:

Der Goldpreis scheint sich damit aus seiner mittlerweile 18 Monate dauernden Seitwärtskonsolidierung nach oben absetzen zu wollen, und das aus mehreren Gründen:

China ist der größte Gläubiger der USA.

Das Land hielt im Juli US-Staatsanleihen im Wert von 776,4 Mrd. Dollar gegenüber Japan, die 711,8 Mrd. Dollar in US-Anleihen geparkt hatten (Platz 3 geht an Großbritannien mit 214 Mrd. Dollar, Quelle: http://www.ustreas.gov/tic/mfh.txt). China besitzt insgesamt Devisenreserven in Höhe von 2000 Mrd. Dollar, die größten weltweit. Ein großer Teil dieser Bestände besteht aus US-Dollars sowie aus US-Staatsanleihen. Das Abkommen der letzten Jahrzehnte lautete quasi wie folgt: Die USA konsumieren chinesische Produkte und China finanziert die US-Regierung. Doch ist das immer noch so? Sehen wir uns den Verlauf der gesamten Staatsanleihenauktionen der US-Regierung in den ersten sechs Monaten dieses Jahres an:

Seit Jahresbeginn verkauften Regierungen und private Investoren US-Staatsanleihen im Wert von 344,7 Mrd. Dollar. China erwarb in den ersten sechs Monaten dieses Jahres US-Staatsanleihen im Wert von 49 Mrd. Dollar, in den sechs Monaten davor waren es noch 192,3 Mrd. Dollar. Im Juni verkaufte China sogar US-Anleihen im Wert von 25,1 Mrd. Dollar. Diese Zahlen, die bisher von den Mainstream-Medien völlig ignoriert werden, lassen sich transparent abrufen unter der Webseite des US-Finanzministeriums (www.ustreas.gov/tic/). Für die Regierung unter Obama sind das denkbar schlechte Nachrichten:

Ende August erst hat sie ihre Prognose für die Neuverschuldung von rund sieben auf über neun Billionen US-Dollar erhöht. 9 Billionen, das sind ausgeschrieben

9,000,000,000,000 Dollar

oder

9000 Milliarden Dollar. Eine unvorstellbare Zahl. Wir müssen bedenken, dass es die ersten dreihundert Jahre der USA, von der Siedlerzeit bis ins 17. Jahrhundert, dauerte, um eine Geldmenge von einer Billion US-Dollar anzuhäufen. Jede Brücke, jedes Haus, jede Straße, jedes Boot und jede Kutsche – all das konnte in den ersten dreihundert Jahren der USA mit einer Billion US-Dollar bezahlt werden. Die letzte Erhöhung der Geldmenge um eine Billion US-Dollar geschah innerhalb von viereinhalb Monaten. Was wird sein, wenn die Geldmenge einmal in wenigen Wochen, wenigen Stunden, wenigen Tagen, wenigen Minuten um diesen Betrag steigen wird? Das Resultat ist eine massive Geldentwertung, in anderen Worten: Eine hohe Inflation. Ein US-Amerikaner ist heute schon mit durchschnittlich fast 40,000 Dollar verschuldet – von Geburt an:

Der US-Dollar kann die nächsten Jahrzehnte nur überleben, wenn das Ausland weiterhin bereit ist, die ständige Neuverschuldung der US-Regierung zu tragen. Wie es aussieht, hat diese Bereitschaft mit dem Beginn der Bankenkrise in den USA nachgelassen. Das sieht man nicht zuletzt an der Tatsache, dass die US-Notenbank still und heimlich eigene Staatsanleihen kauft, während die Mainstream-Presse fröhlich verkündet, dass die Anleihenauktionen der US-Regierung „weltweit auf hohes Interesse“ stoße. Doch der Reihe nach:

Chris Martenson, ein renommierter Finanzexperte aus den USA, veröffentlichte im August einen Artikel, der zeigt, dass die Anleihenverkäufe der US-Regierung nicht so erfreulich laufen, wie öffentlich bekannt gegeben. Am 30. Juli bot die US-Regierung siebenjährige Staatsanleihen im Wert von 28 Mrd. Dollar zum Verkauf an. Laut Medienberichten wurden hierzu Gebote von 73,6 Mrd. Dollar durch Regierungen und private Investoren abgegeben. Das Verhältnis der Gebote zum anstehenden Verkaufsvolumen beträgt damit „gesunde“ 2,63. Von den verkauften 28 Mrd. Dollar gingen 10 Mrd. Dollar an Primary Dealer. Diese Primary Dealer sind 18 der größten Banken weltweit (wie J.P. Morgan, Goldman Sachs). Diese Gruppe gab Gebote von insgesamt 48 Mrd. Dollar oder 65,2 Prozent der Gesamtgebote ab. Beachtenswert ist folgender Auktionsbericht, den Chris Martenson in seinem Artikel eingescannt hat. Achten Sie auf die Kennnummer, die so genannte CUSIP-Nummer:

Nach nur sieben Tagen, am 6. August 2009, veröffentlichte die US-Zentralbank einen Bericht über ihre „permanenten Offenmarktoperationen“. Dieser Begriff bezeichnet den Kauf oder Verkauf von US-Staatsanleihen durch das Bankensystem (Primary Dealer) auf Kosten der US-Zentralbank. Am 7. August kaufte das Fed US-Staatsanleihen im Wert von sieben Mrd. Dollar:

Wenn man sich diesen Bericht dann näher betrachtet, kommt man zu einem erstaunlichen Ergebnis:

Das Fed hat am 30. Juli US-Staatsanleihen in der öffentlichen Auktion im Wert von rund 4,7 Mrd. Dollar gekauft! Am 30. Juli stieg der Dow Jones – getrieben von der Nachricht, dass sich die Anleihenauktionen der US-Regierung hoher weltweiter Nachfrage erfreuten – in der Spitze um 176 Punkte. An diesem Tag konnte sich der Index erstmals nachhaltig von der runden Marke von 9000 Punkten nach oben lösen. In den beiden Vorwochen drückten Berichte über schwaches Kaufinteresse bei Anleihenauktionen die Kurse an der Wall Street, da die Angst bestand, dass sich die US-Regierung nicht mehr so einfach finanzieren könnte. Und jetzt kommt heraus, dass 47 Prozent des Auktionsvolumens am 30. Juli direkt von der US-Notenbank verursacht wurde. Ehrlicher wäre es gewesen, wenn das Fed die Anleihen einfach öffentlich und direkt gekauft hätte, anstatt zu versuchen, diesen Kauf über die Primary Dealer zu vertuschen.

Die US-Notenbank monetarisiert also mehr oder weniger direkt Staatsanleihen der eigenen Regierung. Sie verlängert ihre Bilanz, kauft die Anleihen und „druckt“ das Geld für Obama & Co. einfach aus (salopp ausgedrückt). In Wirklichkeit werden die Banknoten nicht ausgedruckt, sondern die Summe wird einfach elektronisch auf die Konten des US-Finanzministeriums überwiesen.

Wenn man nun vom gesamten Bietervolumen von 73,6 Mrd. Dollar den Anteil der Gebote der Primary Broker von 38 Mrd. Dollar sowie den durch die Fed gekauften Anteil von 4,8 Mrd. Dollar subtrahiert, schrumpft das Verhältnis der Gebote zum angebotenen Anleihenvolumen auf nur noch 1,1. Am Vortag stellte die US-Regierung noch Anleihen mit einer Laufzeit von fünf Jahren zum Verkauf, die nur ein Verhältnis von Geboten zum Volumen von 1,92 erhielt. Das sorgte für Kursverluste an der Börse und wurde als sehr „enttäuschend“ bezeichnet. Wie wäre dann erst eine Auktion mit einem Bieterverhältnis von 1,1 zu bezeichnen?

Interessante Erkenntnisse erhält man auch, wenn man das Verkaufsvolumen bei verschiedenen Anleihenlaufzeiten vergleicht. Im Juli 2008 konnte die US-Regierung kurzlaufende Treasury Bills im Wert von 586,2 Mrd. Dollar verkaufen, im Mai 2008 waren es nur 232,5 Mrd. Dollar. Das Volumen der T-Bonds und T-Notes mit längeren Laufzeiten blieb hingegen ungefähr gleich (Mai 2008: 1700 Mrd. Dollar; Juli 2009: 1,690 Mrd. Dollar). Investoren scheinen also bereit zu sein, der US-Regierung auf kurze Sicht weiterhin Geld zu leihen, während Auktionen für Anleihen mit längerer Laufzeit (wie jene am 30. Juli) immer schwieriger werden.

Das ist ein typisches Verhalten für Investoren, die einen Bankrott oder eine steigende Inflation erwarten.

Jochen Stanzl, Chefredakteur Rohstoff-Report.de

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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