US-Demokraten weiter auf Selbstsuche
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Inzwischen haben sich die Gemüter nach dem etwas holprigen Start der demokratischen Vorwahlen beruhigt. Dem Chaos im "Caucus" in Iowa folgte ein knapper Sieg Senator Bernie Sanders in der "Primary" in New Hampshire. Das ist von daher spannend, als die Märkte bei der 2020er Wahl einen Wahlsieg Bernie Sanders als das größte Risiko betrachten. Daher lohnt es sich, seine Erfolge dieses Jahr, auch im Vergleich zur letzten Wahl im Jahr 2016 näher zu betrachten. Damals gewann der Senator aus Vermont 60 Prozent der Stimmen (d.h. etwas mehr als 152.000 Stimmen), und, was entscheidend ist, 15 Delegierte gegenüber den 9 von Hillary Clinton. Diesmal wird Sanders New Hampshire voraussichtlich mit nur 9 Delegierten verlassen, nachdem er 25,6 Prozent oder 76.000 Stimmen erhalten hat. Die restlichen Delegierten gingen an den Bürgermeister von Indiana, Pete Buttigieg (ebenfalls 9 Delegierte) und die Senatorin aus Minnesota, Amy Klobuchar (6 Delegierte). Der frühere Spitzenreiter und Vizepräsident Joe Biden und die linke Senatorin Elizabeth Warren blieben beide unter 10 Prozent und konnten keinen einzigen Delegierten gewinnen (obwohl beide in Iowa einige Stimmen gewannen).
Dies sind einige der Gründe, aus denen wir weiterhin daran zweifeln, dass Sanders die Nominierung der Demokraten gewinnen kann. Sicherlich unterscheidet sich die Leistung in einem direkten Wettbewerb zwischen zwei Kandidaten (in den sich die demokratische Vorwahl 2016 schnell verwandelt hat) sehr von dem gegenwärtigen Wettbewerb zwischen vielen Kandidaten. 2016 deuteten viele Umfragen an, dass Bernie teilweise davon profitierte, dass viele Wähler mit Hillary Clinton haderten. Diesmal haben die Wähler weiterhin die Qual der Wahl. Deshalb schlugen wir schon in unserem US-Politikausblick vom Januar vor, die Stimmen von Sanders und Warren zusammenzulegen und mit Sanders Leistung von 2016 zu vergleichen. Nach diesem Maßstab war das Jahr 2020 für die progressiven Demokraten sowohl in New Hampshire als auch in Iowa ziemlich enttäuschend. Darüber hinaus fehlt es im demokratischen Nominierungsprozess an Vorwahlen, bei denen dem Sieger alle Delegierten zugeteilt werden. Das bedeutet, dass es für einen Kandidaten wie Sanders nicht ausreicht, einfach nur alle anderen Kandidaten in einem Staat nach dem anderen zu schlagen (wie Trump es 2016 auf republikanischer Seite tat), um die Nominierung zu gewinnen.
Bereits beim nächsten Wahlgang könnte Sanders einen Rückschlag erleiden. In Nevada, wo am 22. Februar die nächste Wahl stattfindet, schickte die mächtige Gewerkschaft der Beschäftigten im Gastgewerbe am 13. Februar ein Flugblatt an ihre 60.000 Mitglieder und warnte davor, dass Sanders' Krankenversicherungspläne das Ende der gewerkschaftlichen Gesundheitsversorgung bedeuten würde. Es bleibt abzuwarten, wie sich dies auf die gewerkschaftlich organisierten Hotel- und Kasinobetriebe auswirken wird – eine mächtige und gut organisierte demokratische Interessengemeinschaft in diesem Staat. Seit Anfang des Jahres gab es in Nevada nicht viele Umfragen. Damals waren die Ergebnisse gemischt, und die Ergebnisse der Wahl in Nevada vorherzusagen ist sowieso immer heikel. Im Moment ist es noch unklar, ob die gemäßigten Stimmen im Bundesstaat auf Joe Biden oder vielleicht auf Buttigieg oder Klobuchar entfallen, oder ob sie sich auf die drei verteilen werden. Außerdem könnte Nevada auch mit einem Comeback von Senator Warren überraschen.
Aus Marktperspektive lassen sich jedoch bereits zwei Lehren aus dem Verlauf der beiden demokratischen Vorwahlen ziehen. Erstens hat sich der Stimmenanteil der gemäßigten Kandidaten gut gehalten, verglichen mit dem, was die spätere Kandidatin Clinton im Jahr 2016 erreichte. Und zweitens ist interessant, welche Art von Wählern die gemäßigten Buttigieg und Klobuchar für sich überzeugen konnten: Spätentscheider, Unabhängige, republikanisch-orientierte Wechselwähler und die Wähler in ländlichen Gebieten, die bei den Parlamentswahlen 2016 für Trump gestimmt haben. Auf Grundlage der bisherigen Daten könnte einer dieser Kandidaten (oder ein anderer mit ähnlichen Positionen und geographischen Stärken) Trump in den wichtigsten Swing-Staaten ordentlich Probleme bereiten.
Im Gegensatz dazu konzentrieren sich die Stimmen für Sanders (und Warren) in viel größerem Umfang auf Städte und Universitätsstandorte, als es die Vorwahlen 2016 vermuten ließen. Wenn einer dieser beiden die Nominierung gewinnen sollte, sind wir daher heute viel skeptischer als noch vor einem Monat, dass die Demokraten im November siegen könnten. Allerdings kann sich das Bild noch leicht ändern. Weder New Hampshire noch Iowa sind repräsentativ für den Rest des Landes. Die Ergebnisse in Nevada, wo es viele jüngere und nicht-weiße Wähler gibt, dürften deutlich aufschlussreicher sein.
Aber auch nach Nevada wird es immer noch 47 Bundesstaaten und 7 weitere Wahlkreise geben, die ihre Delegierten für die Entsendung zum demokratischen Kongress noch bestimmen müssen. Und der derzeitige Amtsinhaber im Weißen Haus bleibt so unberechenbar wie eh und je. Aus unserer Sicht bleibt ein Linksruck in den USA deshalb nach wie vor recht unwahrscheinlich. Die Märkte dürften in den kommenden Monaten aber weiterhin immer dann zucken, wenn dieses Szenario aus Anlegersicht an Eintrittswahrscheinlichkeit gewinnt.
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