Unterschiedliche Giganten: Indien vs. China
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Frankfurt (BoerseGo.de) – Wenn die Rede von Anlagemöglichkeiten in Schwellenländern ist, werden die beiden Riesenstaaten China und Indien gerne in einem Atemzug genannt. Selbst auf dem Höhepunkt der Finanzkrise bewiesen die beiden Volkswirtschaften, das selbst widrige Bedingungen das rasante Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) nicht aufhalten können. Auch wenn die Wachstumsstory der asiatischen Giganten durchaus Paralellen aufweist, bestehen doch fundamentale Unterschiede zwischen den beiden Wirtschaftsräumen. Diese werden sich vor allem auf die lange Frist auf das Potentialwachstum auswirken. Einen Versuch die eigenständigen Entwicklungsmuster herauszuarbeiten und ausgehend davon die länderspezifischen Anlagechancen zu identifizieren machten unlängst die Anlageexpertinnen Katherine Davidson und Virginie Maisonneuve von Schroders Investment.
In einem Beitrag für die Unternehmenspublikation „Expert“ richteten sie ihren Fokus in erster Linie auf die drei ökonomischen Kernparameter des Bevölkerungswachstums, der Urbanisierung und der Entwicklung des Konsums. Bezogen auf das Bevölkerungswachstum werden Indien und China gängigen Voraussagen zu Folge bis zum Jahr 2050 für ein Viertel des des weltweiten Bevölkerungswachstums verantwortlich sein. Dabei werde die demographische Entwicklung der beiden Staaten jedoch sehr unterschiedlich verlaufen:
Während die Bevölkerungszahl in China bis 2050 um rund 7 Prozent auf 1,4 Mrd. steigen sollte, wird für Indien ein erstaunliches Wachstum um 50 Prozent auf 1,8 Mrd. Menschen prognostiziert. Schon ab 2030 dürfte Chinas Bevölkerung nicht mehr wachsen; zugleich werde sie – vor allem aufgrund der staatlichen Ein-Kind-Politik – altern. 2050 sollte es in China weit mehr ältere Menschen geben als in den USA. Das erfordert höhere Ausgaben für die medizinische Versorgung und werde wohl zu einer stärkeren Nachfrage nach altersgerechten Gütern und Aktivitäten führen, schlussfolgern die Autorinnen.
Indien zeige dagegen immer noch die Bevölkerungspyramide, die für junge und wachsende Länder typisch ist. In den kommenden Jahrzehnten werde Indien deshalb eine „demografische Dividende“ genießen, da dort mehr Menschen im erwerbstätigen Alter als im Rentenalter leben. Die höhere Erwerbsquote dürfte die Einkommen in die Höhe treiben, was wohl den Verbrauchsgüterbranchen zugutekommen wird. Zugleich stelle sich die Aufgabe, eine Infrastruktur für die schnell wachsende Bevölkerung bereitzustellen. Und auch Indien muss seine Alten medizinisch und finanziell versorgen, nicht zuletzt um die Binnennachfrage langfristig zu erhalten.
Nachdem bereits im vergangenen Jahr erstmals mehr Menschen in Städten als auf dem Land lebten, rechnen manche Fachleute bis zum Jahr 2050 mit einer nochmaligen Verdoppelung der Stadtbevölkerung. Für die Regierungen von China und Indien bedeutet dieser Trend die Notwendigkeit von gewaltigen Investitionen für den Bau von Straßen und Wohnraum sowie für die Energie- und Wasserversorgung der Städte. Die Regierungen in Peking und Neu-Delhi treiben die Urbanisierung aktiv voran, um ihre Wirtschaft zu stärken: Die Städte erwirtschaften in China drei Viertel und in Indien zwei Drittel des Bruttoinlandsproduktes (BIP).
Dabei seien jedoch wichtige Unterschiede zwischen den beiden Staaten zu beachten, argumentieren die Anlageexpertinnen: Zunächst einmal hinke Indien bei der Urbanisierung hinter China her: Zurzeit wohnten 44 Prozent der Gesamtbevölkerung Chinas in Städten, während es in Indien 30 Prozent seien. 2050 erde der Anteil bei 73 Prozent bzw. 55 Prozent liegen. Aufgrund der langsameren Urbanisierung sei die physische, staatliche und gesetzliche Infrastruktur Indiens noch nicht auf den raschen Zufluss der Menschen in die Städte vorbereitet. Daraus resultiere das Problem der Slumbildung, das eine große Herausforderung für die Regierung darstelle. Attraktive Anlagemöglichkeiten seien entsprechend vor allem im Basisinfrastruktursektor auszumachen.
Die weiter fortgeschrittene Urbanisierung in China stelle das Land entsprechend vor andere Herausforderungen, was sich auch auf den entsprechenden Anlagefokus auswirke: China habe vor Kurzem die USA als weltweit größter Emittent von Treibhausgasen überholt. Die Luftverschmutzung stelle in vielen städtischen Gegenden ein Gesundheitsrisiko dar; 59 Prozent des Wassers in den Flüssen erfülle heute nicht die internationalen Anforderungen an die Trinkwasserqualität. Deshalb böten sich vor allem Möglichkeiten für Unternehmen, die zum Beispiel effiziente öffentliche Verkehrssysteme und eine saubere Energieversorgung anbieten
Bezogen auf den Konsum sehen die Autorinnen das Wachstum der Mittel- und Oberschicht als entscheidende Stellschrauben der zukünftigen Entwicklung an. Prognosen zufolge werde die Mittelschicht in China von zurzeit 43 Prozent der städtischen Bevölkerung auf 76 Prozent im Jahr 2025 wachsen. Auch die Oberschicht wächst: Bereits heute weise China die viertgrößte Zahl sogenannter High Net Worth Individuals auf – von Privatleuten mit einem investierbaren Vermögen ab einer Million US-Dollar. Mit zunehmenden Wohlstand verändern sich in der Regel auch die Verbrauchsmuster der Konsumenten. Deshalb sei für beide Länder ein deutlicher Anstieg der Ausgaben für Freizeit und Kultur zu erwarten, während der prozentuale Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel zurück gehen sollte. Dem entsprechend eröffne sich zukünftig ein hohes Potential für Unternehmen dieser Sektoren.
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.