Kommentar
15:41 Uhr, 20.12.2007

Unterschätzen Sie Japan nicht!

Viele Investoren sind unzufrieden mit der Entwicklung des japanischen Aktienmarkts. Das ist verständlich, denn die dortigen Indizes schneiden derzeit schlechter ab als die der meisten anderen entwickelten Länder. Dennoch gibt es für übermäßigen Pessimismus keinen Grund. Denn einige Faktoren sprechen für eine gute Entwicklung japanischer Aktien in der Zukunft.

Zum einen befinden sich die Gewinnspannen der Unternehmen auf Rekordniveau. Die Ursache dafür liegt in den umfangreichen Restrukturierungen, die die Unternehmen im Zuge der Japan-Krise in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts durchgeführt haben. Diese Restrukturierungen beinhalteten umfangreiche Stellenstreichungen, eine Fokussierung auf die Kernziele und Ausgliederung unprofitabler Unternehmensteile sowie massive Abschreibungen und damit verbundene hohe Verluste.

So konsolidierte etwa der japanische Bankensektor von ursprünglich 20 große in nur noch drei Mega-Banken, im Stahl-Sektor sind von ehemals fünf großen Herstellern ebenfalls nur noch zwei übrig und auch im Bereich „Automotive“ gab es starke Veränderungen: Diese führten etwa bei Nissan Motor zum Abbau von 21.000 Arbeitsplätzen, einer Reduzierung der Fabriken von sieben auf vier und einem Abbau der Zulieferer von 1145 auf 700.

Als Konsequenz aus den Restrukturierungen hat sich die Profitabilität japanischer Gesellschaften in den vergangenen Jahren stark erhöht. Während die Gewinnmargen in den Jahren 1988 bis 1993 aufgrund unrentabler Investitionen sowie steigender Kapital- und Personalkosten verfielen, sind sie mittlerweile auf einem Allzeithoch. Das gilt auch für den Cash Flow, der ebenfalls von der gestiegenen Profitabilität und dem Ende der deflationären Phase in der japanischen Wirtschaft profitiert. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Stärke ist das Cashflow-Niveau japanischer Gesellschaften mittlerweile beinahe genau so hoch wie das amerikanischer Unternehmen.

Auch im Bereich der Corporate Governance gibt es Fortschritte: Sowohl die Höhe der Dividendenzahlungen als auch die Anzahl von Aktienrückkäufen hat deutlich zugenommen.

Das verdeutlicht, dass Investoren bei japanischen Unternehmen einen deutlich höheren Stellenwert genießen als noch vor einigen Jahren. Dieser Trend dürfte anhalten, und zwar aus drei Gründen: Zum einen sind Investoren heutzutage ein rares Gut, das schnell wieder verschwindet, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Zum zweiten erhöht sich der Prozentsatz ausländischer Teilhaber an japanischen Firmen ständig. Diese sorgen für eine stärkere Berücksichtigung von Aktionärsinteressen. Zum dritten steigt der Cash Flow wie gesehen ständig an, und damit auch die Möglichkeiten, die Anteilseigner zu beteiligen.

Japans Unternehmen haben noch weitere Vorteile zu bieten, etwa ihr großes Exposure in den aufstrebenden Emerging Markets. Die Sektoren Baustoffe, Industriewerte und Konsumgüter, die für den Handel mit aufstrebenden Ländern besonders interessant sind, machen insgesamt beinahe 50 Prozent der gesamten Marktkapitalisierung der japanischen börsennotierten Gesellschaften aus – in Europa und den USA sind es nur 28 beziehungsweise 25 Prozent. Viele japanische Gesellschaften profitieren also überproportional von der guten Entwicklung in den Schwellenländern. Das gilt besonders vor dem Hintergrund, dass japanische Maschinen und Technologien auch weiterhin in der Welt einen exzellenten Ruf genießen.

Börsennotierte Gesellschaften aus den Sektoren Baustoffe, Industriewerte und Konsumgüter kommen in Japan zusammen auf eine Marktkapitalisierung von etwa 3,2 Billionen US-Dollar. Die gemeinsame Marktkapitalisierung aller notierten Gesellschaften an den chinesischen Börsen in Shanghai und Shenzhen liegt demgegenüber kaum höher, nämlich bei 3,8 Billionen. Davon ist allerdings nur etwa ein Drittel in ausreichenden Größenordnungen handelbar. Dazu kommen Handelsbeschränkungen für ausländische Investoren, die chinesische Aktien in der Regel ein Jahr lang halten müssen, bevor sie sie wieder verkaufen können. Insgesamt ist die Anzahl von Aktien mit ausreichender Liquidität in keinem Emerging Market so groß wie in Japan. Der japanische Markt stellt deshalb eine hervorragende Möglichkeit dar, von den aufstrebenden Volkswirtschaften der Emerging Markets zu profitieren.

Kaum verwunderlich haben japanische Titel, die sich auf den Handel mit Schwellenländern konzentrieren, in der Vergangenheit hervorragend abgeschnitten.

Darin entwickelt sich ein von uns zusammen gestellter Basket mit japanischen Titeln, die schwerpunktmäßig in den Emerging Markets tätig sind, auffallend ähnlich zu der Entwicklung der Gesamtmärkte in Ländern wie Korea, Indien, Pakistan, Türkei, Brasilien und Mexiko. In der Vergangenheit war die japanische Wirtschaft stark abhängig von der in den USA. Diese Abhängigkeit hat jedoch in den vergangenen Jahren nachgelassen, insbesondere seit der japanischen Wirtschaftserholung im Jahre 2003. Dafür gibt es drei Hauptgründe: Zum einen exportieren die heimischen Unternehmen heutzutage in eine viel größere Anzahl verschiedener Länder. Darüber hinaus zog nach vielen Jahren endlich die Inlandsnachfrage an und zum dritten hat die Bedeutung der USA an der weltweiten wirtschaftlichen Entwicklung gegenüber anderen Ländern an Bedeutung verloren: Der Internationale Währungsfonds beziffert sie in ihrem World Economic Outlook vom Oktober 2007 auf nur noch etwa 12,5 Prozent in den Jahren 2002 bis 2006 gegenüber etwa 22,5 Prozent in den Jahren 1992 bis 1999.

Trotz dieser guten Entwicklungen sind die Bewertungen japanischer Aktien keinesfalls hoch. Für dieses Jahr weisen sie ein Kurs-Gewinn- Verhältnis von 15,0 auf gegenüber den USA mit 15,9 und Europa mit 13,0 Prozent. Allerdings fällt das Gewinnwachstum japanischer Titel mit 18,8 Prozent deutlich höher aus als in den USA (4,6 Prozent) und Europa (9,9 Prozent). Im kommenden Jahr soll das japanische Wachstum nach den derzeitigen Schätzungen zwar schwächer ausfallen, wir denken allerdings, dass diese Prognose zu einem Großteil der japanischen Zurückhaltung geschuldet ist und im Laufe des Jahres nach oben korrigiert werden wird.

Wir raten deshalb: Unterschätzen Sie Japan nicht!

Quelle: ING Investment Management

ING Investment Management ist der globale Asset Manager der ING Gruppe. Mit Euro annähernd 400 Milliarden Assets under Management (Q2 2007), vertreten in 30 Ländern mit 2.500 Experten (Europa: 713, Americas: 866, APAC: 921), ist ING Investment Management (ING IM) weltweit unter den Top 25 im Asset Management. ING IM Europe hat Niederlassungen in 14 europäischen Ländern mit annähernd Euro 160 Milliarden Assets (Q2 2007) under Management.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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