Kommentar
17:00 Uhr, 23.10.2007

Ungarn: Hohe Inflation, niedriges Wachstum - Forint leidet unter Zinssenkungen

Die ungarischen Wirtschaftsdaten fielen zuletzt alles andere als überzeugend aus. Einem Anstieg der Verbraucherpreise von 6,4% im Jahresvergleich für September stand ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von ganzen 1,2% im zweiten Quartal gegenüber. Besonders die BIP-Zahlen enttäuschten und belegten somit in aller Deutlichkeit, dass das ungarische Maßnahmenpaket zur Haushaltskonsolidierung die Wirtschaft erheblich belastet. Viel mehr als ein Wachstumsplus von 2,0% dürfte im laufenden Jahr kaum noch zu erreichen sein – für eine aufstrebende osteuropäische Ökonomie ein ganz schwacher Wert. Dementsprechend zeigte sich auch der ungarische Forint (HUF) angeschlagen und rutschte gegenüber dem Euro ab.

Zur Ankurbelung der nationalen Ökonomie ist die ungarische Zentralbank (MNB) mittlerweile auf den Zinssenkungspfad eingeschwenkt. Im September wurde damit begonnen, den Leitzins von seinem hohen Niveau von 7,75% herabzuführen. Nach der ersten Zinssenkung auf 7,50% sind bei den geldpolitischen Treffen Ende Oktober sowie im November weitere Zinsschritte um jeweils 25 Basispunkte zu erwarten. Doch selbst bei einem Leitzinsniveau von 7,00% zum Jahresende dürfte die Zeit der ungarischen Zinssenkungen noch nicht vorüber sein.

Denn auch die lahmende ungarische Binnennachfrage hat eine Ankurbelung dringend nötig. Steigenden Löhnen zum Trotz befindet sich der private Konsum derzeit auf dem absteigenden Ast. So sind die ungarischen Einzelhandelsumsätze im Juli um 4,2% im Jahresvergleich gesunken. Die geldpolitische Lockerung in Ungarn sollte deshalb weitergehen, der Leitzins Mitte 2008 nur noch bei 6,50% liegen. Zwar sind die aktuellen Finanzmarktturbulenzen ein Risikofaktor für diese Vorhersage, doch ist mit der nächsten Zinssenkung der MNB sicher zu rechnen, sobald sich die erhöhte Marktvolatilität im Zuge der US-Subprime-Krise verzogen hat.

Allerdings steckt die ungarische Notenbank in der Zwickmühle. Während Wirtschaftswachstum und privater Konsum dringend niedrigere Zinsen benötigen, sorgt der hohe Inflationsdruck dafür, dass die Zinsen eigentlich steigen müssten. Deshalb muss die MNB sehr behutsam vorgehen und ihr Zinssenkungstempo wohl dosieren, um nicht durch stark steigende Verbraucherpreise den positiven Effekt sinkender Zinsen wieder zu zerstören. Angesichts des hohen Exportanteils der ungarischen Wirtschaft von nahezu 80% dürfte die Absenkung des Leitzinses sowieso nur langsam für ein Anspringen der Konjunktur sorgen. Einen Dämpfer für die zukünftige Entwicklung von Ungarns Ökonomie bedeutet zudem, dass die großen Volkswirtschaften der Eurozone ihren Wachstumszenit bereits überschritten haben. Dies schlägt sich auch in dem wieder zunehmenden ungarischen Handelsbilanzdefizit nieder. Der Fehlbetrag kletterte im August auf 211,1 Millionen EUR und lag damit sowohl oberhalb der Konsensschätzung von 167,0 Millionen EUR als auch klar über dem Juli-Wert, wo ein Negativsaldo von 145,4 Millionen EUR erreicht wurde. Bedenklich stimmt zudem, dass das Wachstum der ungarischen Exporte nur noch geringfügig über dem der Importe lag.

Der Forint sollte in diesem Kontext mittel- bis langfristig unter Abgabedruck stehen. Da die Zinsdifferenz zwischen Ungarn und der EU dauerhaft sinken wird, erscheint EUR/HUF derzeit unterbewertet und besitzt klares Aufwertungspotenzial. Dies gilt selbst dann, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins vorerst stabil halten und nicht weiter anheben wird. Denn neben dem negativen Einfluss der ungarischen Zinssenkungen bleiben auch die labile Verfassung der Inlandsnachfrage sowie die enttäuschende Wirtschaftsleistung ein dauerhafter Belastungsfaktor für Ungarns Valuta. Auch ein Blick auf das von der ungarischen Zentralbank aufrechterhaltene Wechselkursband spricht für neue Kursgewinne von EUR/HUF. Denn die zentrale Parität, um die herum Schwankungen von 15% in beide Richtungen akzeptiert werden, beträgt 282,36, womit sich das Währungspaar in relativ großer Nähe zur Unterseite der Handelsspanne bei 240,00 befindet. Da die Spekulationen um eine mögliche Aufhebung der Handelsspanne zuletzt wieder abgeebbt sind, besteht hier kaum noch Spielraum nach unten, aber viel Platz auf der Oberseite.

Sobald EUR/HUF die sich derzeit abzeichnende Stabilisierung im Bereich der 250er-Marke abgeschlossen hat, ist deshalb über das Zwischenziel 255,00-256,00 ein Anstieg in Richtung des Jahreshochs bei 262,23 zu erwarten. Eine relativ straffe Zinssenkungspolitik der MNB vorausgesetzt, besteht darüber hinaus Potenzial bis 268,05, dem Monatstief von August 2006. Sollte die 250,00 wider Erwarten nicht halten, ist spätestens an der Unterstützungsregion von 244,25-50 mit einer Trendwende zu rechnen.

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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